Zu wenig Personal und steigender Finanzierungsdruck: Geht es um Fragen der Pflege in Deutschland, klingen die dringlichen Probleme akut und die Auswirkungen bei Betroffenen sind im Zweifel deutlich. Die Herausforderungen der Pflege reichen bis zur Frage, ob das Geld für die Pflege überhaupt noch bis 2026 reicht. Da nun im Haushaltsentwurf der neuen Bundesregierung die Pflege nicht gerade priorisiert mit Geld bedacht wurde, drängt sich für Beitragszahler die Frage auf, was dieser Schritt nun wirklich bedeutet. Schließlich gilt die Stabilisierung der Beiträge als auserkorenes Ziel der Koalition. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat eine klare Meinung zum geplanten neuen Bundeshaushalt.
Bundeshaushalt: Wohin fließen die Rekordschulden?
Der erste Schritt für den neuen Staatsetat unter Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) ist getan: Ende Juni ging er durch das Kabinett, um noch vor der Sommerpause im Bundestag zu landen. Die Devise nach übereinstimmenden Berichten lautet: mehr und höhere Schulden, Kredite und Sondervermögen statt der FDP-geprägten Finanzpolitik der Ampel-Koalition immer im Rahmen der Schuldenbremse. Mit neuen Krediten und Investitionen vor allem in die Verteidigung, Infrastruktur und Wirtschaft solle Deutschland aus einer Art Stillstand und Phase der Unsicherheit herausgeführt werden. Im Land müsse „etwas anders werden“, zitiert die dpa Klingbeil.
Beschlossen wurde neben dem Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 der Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes, die Eckwerte 2026 bis 2029 sowie der Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaneutralität. Der Entwurf hat dem Bundesfinanzministerium zufolge folgende Eckpunkte.
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Ausgaben in Höhe von 503 Milliarden Euro
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Kredite im Kernhaushalt von 81,8 Milliarden Euro
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Mehr als 60 Milliarden Euro aus schuldenfinanzierten Sondertöpfen
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Rekordinvestitionen in Höhe von über 115 Milliarden Euro
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Steigerung der jährlichen Investitionen des Bundes auf fast 120 Milliarden Euro pro Jahr
Vor allem im Hinblick auf Verteidigung, Bundeswehr, Infrastruktur und Bahn werden großen Summen benannt und eingeplant. Klingbeil betont: „Wir bringen mit dem Bundeshaushalt und dem 500-Milliarden-Investitionspaket auf den Weg, was wir jetzt brauchen, um für neue wirtschaftliche Stärke zu sorgen, unser Land modern und zukunftsfähig zu machen und um auch in Zukunft in Deutschland sicher zu leben.“
Keine Zuschüsse für die Pflege: Was ist im Bundeshaushalt geplant?
Nicht komplett außen vor, aber doch ohne weitere Zuschüsse muss offenbar die Pflege auskommen. Man habe sich, so teilt das Bundesgesundheitsministerium mit, geeinigt, dass die gesetzliche Kranken- wie auch die soziale Pflegeversicherung jeweils mit Milliardendarlehen aus dem Bundeshaushalt unterstützt werden. Zudem würden die Kosten für „die notwendige Umstrukturierung der Krankenhausversorgung“ aus dem Sondervermögen beglichen. Zwar würde die klaffende Finanzierungslücke in der Krankenversicherung „erheblich“ reduziert - doch die Summen würden nicht ausreichen, um im kommenden Jahr Beitragssatzsteigerungen zu verhindern.
Regierungsangaben nach handelt es sich um zwei neue Darlehen, die zusammen mit einer späteren Rückzahlung eines alten Darlehens die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) um insgesamt 5,6 Milliarden Euro entlastet. Ab 2029 müssten diese Darlehen dann zurückgezahlt werden. Über eine Dekade hinweg werde die GKV um jährlich weitere 2,5 Milliarden Euro entlastet, weil das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität den Krankenhaustransformationsfond finanziere.
Übrigens: Immer mehr junge Menschen beantragen einen Pflegegrad.
Bundeshaushalt und Pflege: Was bedeutet das für Beitragszahler?
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sagt deshalb deutlich: „Ich bin mir mit dem Bundesfinanzminister einig, dass wir Beitragserhöhungen verhindern müssen, um den Wirtschaftsaufschwung nicht zu gefährden. Mit den zugesagten Darlehen für die GKV und SPV wird das kaum gelingen. Außerdem werden mit Darlehen die Probleme von GKV und SPV nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Deshalb begleiten wir die aktuellen Nothilfen mit Strukturreformen. Zwei Kommissionen werden schnell Ergebnisse vorlegen müssen, um mittel- und langfristige Lösungen zu finden.“
Im Koalitionsvertrag geben die drei Parteien als Ziel aus, die Finanzsituation der GKV und soziale Pflegeversicherung zu stabilisieren. Weitere Belastungen, so heißt es weiter, seien für Beitragszahlende zu vermeiden. „Hierzu setzen wir auf ein Gesamtpaket aus strukturellen Anpassungen und kurzfristigen Maßnahmen. Ziel ist es, die seit Jahren steigende Ausgabendynamik zu stoppen und die strukturelle Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen zu schließen.“
Pflegebedürftige, die sich aufgrund finanzieller Nöte verschulden müssen, Krankenkassen, die alarmieren, dass die Pflege bald kaum mehr zu bezahlen sei und die noch weiter aufreißende Lücke zwischen Pflegekräften und Bedarf - Baustellen innerhalb der Pflege gibt es einige - und auch viel Kritik. Die Reaktion beispielsweise vom GKV-Spitzenverband auf die jüngsten Nachrichten ließ nicht lange auf sich warten.
Uwe Klemens und Susanne Wagenmann, Verwaltungsratsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, zeigten sich enttäuscht über den „kraftlosen“ wie „wenig zielführenden“ Kabinettsbeschluss, würden die garantierten Darlehen die Probleme doch nicht nachhaltig lösen. Sie sagen: „Solange die Schere zwischen laufenden Einnahmen und Ausgaben immer weiter auseinandergeht, bleibt der permanente Erhöhungsdruck auf die Zusatzbeitragssätze bzw. auf den Pflegebeitragssatz grundsätzlich bestehen, er wird nur vorübergehend kaschiert.“ Sie fordern:
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Eine kostendeckende Finanzierung versicherungsfremder Leistungen.
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Vor der Sommerpause ein Vorschaltgesetz für die Krankenversicherung, „in dem ein Ausgabenmoratorium für sämtliche Leistungsbereiche festgelegt werden muss“.
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Klare gesetzliche Vorgaben, dass Krankenkassen „künftig nicht mehr ausgeben müssen, als sie einnehmen“.
Übrigens: Es gibt auch Experten, die aus bestimmten Gründen eine Beitragserhöhung in der Pflegeversicherung fordern. Denn einen strukturellen Fehler hat diese von Anfang an.