Elisa Jebelean

Ohne Magnesium können viele diffuse Symptome entstehen, die häufig nicht mit einem Nährstoffmangel in Verbindung gebracht werden. Der Grund: Magnesium ist an mehr als 300 Prozessen im Körper beteiligt, wenn es fehlt, muss der Körper Prioritäten setzen. Müdigkeit ist zum Beispiel eines dieser unspezifischen Symptome, die an einem Defizit an Magnesium liegen, aber auch sehr viele andere Gründe haben können. Auch Kribbeln - im Fachjargon als Parästhesie bezeichnet - kann nach der Einnahme auftreten. Wie hängt dieses unangenehme Gefühl mit der Magnesiumzufuhr zusammen?

Zu viel Magnesium: Ist Kribbeln ein gängiges Symptom?

„Parästhesien wie Kribbeln und andere Missempfindungen können viele Ursachen haben“, sagt uns die Gesellschaft für Magnesium-Forschung auf Anfrage. In einem Fallbericht, der 2021 im Journal of the Endocrine Society erschien, erhielt eine 26-jährige Schwangere aufgrund einer Präeklampsie über 33 Stunden hinweg eine Infusion mit Magnesiumsulfat – ein Mittel, das zur Vorbeugung von Krampfanfällen eingesetzt wird. Im Anschluss entwickelte die Patientin Symptome wie Kribbeln und Taubheitsgefühle. Laut den Ärzten war die Ursache eine zu niedrige Kalziumkonzentration im Blut (Hypokalzämie), die durch zu viel Magnesium ausgelöst wurde. Nach Absetzen der Infusion und einer Gabe von Kalzium und Magnesium normalisierten sich die Werte und das Kribbeln verschwand.

Kribbeln, aber auch Taubheit und Muskelschwäche zählen zu den typischen Symptomen eines Kalziummangels. Zu viel Magnesium kann prinzipiell also Kribbeln auslösen, weil Magnesium bei einer Überdosierung die Freisetzung von Kalzium hemmen kann. Allerdings sollten sich Menschen, die Magnesium im Alltag supplementieren, darüber keine Sorgen machen. „Ein Anstieg des Magnesiumspiegels im Blut in toxische Bereiche ist bei oraler Einnahme nur auf dem Boden einer (schweren) Niereninsuffizienz und/oder exzessiver Magnesiumzufuhr zu erwarten, die weit über den üblichen Dosierungsempfehlungen liegt“, sagt erklärt uns die Gesellschaft für Magnesium-Forschung. Ein Kribbeln wegen zu viel Magnesium ist laut den Experten daher unwahrscheinlich.

Wer als gesunder Mensch zu viel Magnesium nimmt, muss als Symptom gegebenenfalls Durchfall fürchten. Der kann laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung aber bereits ab Dosierungen von 300 Milligramm am Tag entstehen. Seit 2017 gelten deshalb Höchstmengenvorschläge für Magnesium über Nahrungsergänzungsmittel. Sie liegen bei 250 Milligramm. „Weitere Überdosierungserscheinungen sind bei oraler Einnahme und normaler Nierenfunktion nicht zu erwarten“, sagt die Gesellschaft für Magnesium-Forschung.

Laut den Experten hat der durch Magnesium ausgelöste Durchfall aber keinen Krankheitswert. Sobald die tägliche Aufnahmemenge reduziert wird, lassen die Symptome nach. Die „Durchfallgrenze“, wie sie die Experten betiteln, ist individuell und hängt sowohl vom Magnesiumwert im Blut, als auch vom persönlichen Bedarf und der Verträglichkeit ab. Auch die Magnesiumpräparate spielen eine Rolle: Magnesiumcitrat und Magnesiumoxid haben beide ganz unterschiedliche Eigenschaften.

Kribbeln durch zu wenig Magnesium

Parästhesien stehen laut der Gesellschaft für Magnesium-Forschung also nicht in Zusammenhang mit einer Überdosierung. Anders sieht es aber bei einem Mangel aus. „In der wissenschaftlichen Literatur sind unter den zahlreichen möglichen Symptomen eines Magnesiummangels auch Parästhesien beschrieben.“ Das heißt, eine Unterversorgung mit Magnesium kann zu Kribbeln führen. Auch die National Institutes of Health nennen Kribbeln und Taubheitsgefühle als Warnzeichen für einen möglichen Magnesiummangel. Wenn er weiter fortschreitet, können Muskelkrämpfe und neurologische Symptome entstehen. Aber woran liegt das?

Magnesium ist wichtiger Energielieferant für die Zellen und stabilisiert auch unsere Nervenzellen. Der Mineralstoff wirkt als natürlicher Blocker von Kalzium in den Nervenzellen, wodurch eine übermäßige Erregbarkeit verhindert wird. Ein Ungleichgewicht der Elektrolyte - auch unter anderem Kalium und Kalzium - kann Nervensignale stören und Kribbeln oder sogar Muskelzuckungen verursachen.

So viel Magnesium pro Tag braucht der Körper

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Männern ab 19 Jahren 350 Milligramm und Frauen 300 Milligramm Magnesium am Tag. Die Empfehlungen der NIH sind etwas höher: Männer über 30 sollten 420 Milligramm am Tag nehmen, Frauen 320 Milligramm. Obwohl gesunde Menschen diesen Bedarf gut über magnesiumhaltige Lebensmittel decken können, gibt es auch bestimmte Krankheiten oder Medikamente, die dem Körper Magnesium entziehen. Zum Beispiel:

  • Stress und Schweiß: Bei Stress läuft der Energiestoffwechsel auf Hochtouren. Das erfordert viele aktive Enzyme – und die brauchen Magnesium. Gleichzeitig verliert der Körper bei starkem Schwitzen, etwa durch Sport oder Hitze, zusätzlich Magnesium über den Schweiß. Sportler gelten daher als Risikogruppe, auch wenn die Verluste pro Trainingseinheit eher gering sind.

  • Ungünstige Ernährung: Eine fettreiche Ernährung kann die Magnesiumaufnahme stören. Freie Fettsäuren im Darm bilden mit Magnesium schwer lösliche Verbindungen, die einfach wieder ausgeschieden werden.

  • Krankheiten: Typ-2-Diabetes, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa oder Migräne können entweder die Aufnahme von Magnesium im Darm behindern oder die Ausscheidung über die Nieren erhöhen.

  • Alkohol und Rauchen: Alkohol vermindert die Aufnahme, stört die Speicherung und fördert die Ausscheidung von Magnesium. Rauchen führt über oxidativen Stress zu einem höheren Nährstoffbedarf; zusätzlich verringert Nikotin die Aufnahme und erhöht die Verluste.

  • Medikamente: Diuretika wie HCT, Furosemid oder Torasemid entziehen dem Körper Magnesium. Auch Protonenpumpenhemmer oder bestimmte Antibiotika können die Spiegel senken.