Von Normalität kann beim SC Lauchringen zwei Tage nach dem Abbruch des Kreisliga-Spiels beim FC Weizen nicht die Rede sein: „Alle zehn Minuten klingelt das Telefon“, so Sportchef Tobias Kummer am Rande eines Pressetermins.

Der SWR hat ein TV-Team an den Hochrhein ins Wutachstadion geschickt. Kebba Manneh, den seine Fußballkameraden als Mamadou kennen, schildert die Situation nochmals vor der Kamera, gerät dabei erneut in Wallung und spricht lieber englisch: „Mit der Sprache ist es etwas problematisch.“

Rassistische Beleidigungen von Zuschauern 

85 Minuten waren am Samstag in Weizen gespielt, als er von einem oder mehreren Zuschauern rassistisch beleidigt wurde. Was genau gesagt wurde, darüber gibt es verschiedene Aussagen. Lauchringer Vereinsmitglieder wollen gehört haben, dass eine Person gesagt habe: „Steh auf, Schwarzer.“ Eine andere: „Wie kann man nur einen Schwarzen in ein weißes Trikot stecken.“

Mannschaft verlässt geschlossen den Platz 

Manneh: „Das hat mich getroffen wie ein Blitz. So etwas musste ich mir bisher noch nie anhören“, zeigt er sich noch immer schockiert: „Was mich zusätzlich traurig gemacht hat, war das Grinsen und Lachen einiger Zuschauer, als wir in die Kabine gegangen sind.“ Der fassungslose Manneh war – in Tränen aufgelöst – von seinen Teamkollegen vom Platz geleitet worden. Die Mannschaft hatte sich entschlossen, aus Solidarität das Spiel nicht mehr fortzusetzen.

Eine Reaktion, zu der Tobias Kummer nach wie vor steht: „In dem Moment geht es nicht mehr um Fußball, sondern um einen Menschen aus unserem Team“, betont der Sportchef, dass der SC Lauchringen keinerlei Vorteile aus dem Abbruch ziehen will: „Wir lehnen ein Wiederholungsspiel ebenso ab, wie eine Spielwertung gegen den FC Weizen. Der Verband soll sich mit den Vorfällen befassen und das Spiel mit 4:1 für den FC Weizen in der Tabelle lassen.“

Viel Zuspruch in den sozialen Netzwerken

Wichtig sei dem Verein, dass wieder Ruhe einkehre: „Kebba hat die Sache doch sehr mitgenommen“, so Kummer: „Für Kebba stehen unsere Türen immer offen.“ Das schätzt der Fußballer: „Es tat mir sehr, sehr gut, wie viele positive Reaktionen und welch großen Zuspruch ich über WhatsApp, Instagram und Facebook erhalten habe.“

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Nur einer hat sich bislang nicht bei ihm gemeldet, jener Zuschauer, der die beleidigenden Worte in Weizen aussprach: „Ich fände es gut, wenn sich die Person bei Kebba meldet und um Entschuldigung bittet“, so Lauchringens Bürgermeister Thomas Schäuble.

"Club ist wie eine Familie für mich" 

Für Kebba Manneh wäre das eine große Geste: „Darüber würde ich mich sehr freuen. Ich bin dazu auf jeden Fall bereit.“ Der 22-jährige Gambier lebt seit über zweieinhalb Jahren in der Gemeinde Lauchringen. „Der Sportclub ist wie eine Familie für mich“, so Manneh, dessen Eltern und fünf Geschwister nach wie vor in einem kleinen Dorf in Gambia, einem der ärmsten Länder der Welt leben: „Ich kam nach Deutschland, um eine bessere Zukunft zu haben und meinen eigenen Weg gehen zu können.“

Rassismus musste er zuvor nie erleben. „Es gab nie Probleme – weder auf dem Sportplatz noch im Alltag“, so Manneh, der als Automechaniker arbeitet und mit drei Gambiern in einer WG lebt: „Mir ist völlig egal, welche Hautfarbe und welche Religion die Menschen haben. Für mich sind alle Menschen gleich.“ Umso härter traf ihn die Beleidigung beim Fußballspiel.

FC Weizen entschuldigt sich

Während in Lauchringen die TV-Aufnahmen laufen, äußert sich Jannik Boma per Telefon zu den Reaktionen, die den FC Weizen seit dem Wochenende erreichten. „Das ist natürlich das Gesprächsthema Nummer eins im Dorf“, sagt der Vorsitzende des Vereins.

Jannik Boma, Vorsitzender des FC Weizen.
Jannik Boma, Vorsitzender des FC Weizen.

Der FC Weizen, mit vier Siegen vor der Partie gegen Lauchringen so gut in die Saison gestartet wie angeblich seit 40 Jahren nicht mehr, genießt unter Fußballern eigentlich einen guten Ruf, rassistischen Beleidigungen von Zuschauern trafen daher Spieler, Trainer und Vorstandschaft unvorbereitet.

In einer offiziellen Stellungnahme heißt es, dass man für kulturelle Offenheit, Toleranz und Integration stehe und dass „Flüchtlinge diverser Herkunftsländer und Menschen mit Migrationshintergrund in allen Altersklassen elementarer Bestandteil unserer Vereinsarbeit und eine wichtige Säule unseres Vereinslebens sind“.

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Boma selbst betont in der Stellungnahme und auch im Gespräch mit dem SÜDKURIER, dass er „persönlich sehr getroffen und noch lange aufgewühlt war, als ich Kebba Mannehs Reaktion gesehen habe“. Und weiter: „Dies tut uns aufrichtig leid und wir entschuldigen uns für diese Situation bei ihm.“ Welche Person oder Personen die Situation ausgelöst haben, sei noch unklar. „Wir haben die Gruppe, aus der die Äußerung kam, identifiziert, aber noch nicht die genaue Person“, so Boma.

Alle Betroffenen sollen gehört werden

Die Gespräche liefen, einfach zur Tagesordnung übergehen wolle man nicht, aber über Konsequenzen für die Betreffenden könne erst entschieden werden, wenn alle Betroffenen gehört wurden. „Ich will nichts beschönigen, aber ich gehe davon aus, dass es eine unbedachte Äußerung war.“

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Dennoch, so steht es auch in der Pressemitteilung: „Wir wissen, dass jeder Mensch Aussagen unterschiedlich auffasst und unterschiedlich bewertet. Der Grat zwischen unbedachten Aussagen und Rassismus wird immer schmaler. Hiermit wollen wir nochmals unterstreichen, dass wir Rassismus auf und neben dem Platz in keiner Weise dulden und tolerieren.“