Es könnte das schönste Jahr in der zehnjährigen Radprofi-Karriere von Nico Denz aus Albbruck werden. Denn der zweifache Giro-Etappensieger vom Team BORA-hansgrohe hat gleich zwei Träume, die 2024 in Erfüllung gehen könnten. Zum einen – und das ist sehr wahrscheinlich – zum ersten Mal bei der „Tour de France“ an den Start zu gehen und zum anderen – was sicherlich schwieriger wird – Deutscher Straßenmeister in Bad Dürrheim zu werden.

„Das wäre das Maximum, was ich mir als etatmäßiger Team-Helfer vorstellen kann“, gibt Nico Denz zu. „Mit dem weißen DM-Trikot und seinen schwarz-rot-golden Bruststreifen erstmals bei der Tour dabei zu sein, wäre das Sahnehäubchen“, schwärmt der 30-Jährige, wobei man seine glänzenden Augen, während er das sagt, selbst durch den Telefonhörer erahnen kann. Dabei wäre beides schon ein Highlight für sich.

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Bereits im vergangenen Jahr hat er mit seinem zweiten Platz in Bad Dürrheim eindrucksvoll bewiesen, dass mit ihm zu rechnen ist. In diesem Jahr soll es noch eine Stufe höher gehen. Als echter Teamworker“ stellt er aber auch klar, dass das Team im Vordergrund steht und der Titel für einen der zahlreichen BORA-hansgrohe Starter eigentlich Pflicht ist. „Als deutsches Team stehen wir schon unter Druck, den Titel in unseren Reihen zu behalten, egal wer es am Ende wird.“

Gerade in diesem Jahr könnte das schwieriger werden als in den vergangenen Jahren, als die Überlegenheit des Teams kaum eine andere Variante zuließ. „Das Konkurrenzumfeld ist deutlich stärker einzuschätzen als 2023, wo wir total dominiert haben. Gerade ein Jens Polit, Georg Steinhäuser oder auch Simon Geschke sind Fahrer, die zuletzt extrem stark waren“, weiß Nico Denz.

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Für sich selbst sieht er einen entscheidenden Unterschied darin, dass er erstmals die Möglichkeit hat, in „Tourform“ anzutreten. „Ja, ich bin gespannt und hoffe, dass ich noch eine Schippe drauflegen kann“, so Denz.

Nach einigen gesundheitlichen Problemen im Frühjahr, die ihn in seiner Leistungsfähigkeit stark zurückwarfen, lief das Training zuletzt perfekt. In der Sierra Nevada absolvierte er mit dem Tour-Kernteam von BORA-hansgrohe ein vierwöchiges Höhentrainingslager als zentralen Vorbereitungsblock im Hinblick auf die Frankreich-Rundfahrt.

Um nach der langen Wettkampfpause seit April wieder die nötige Rennhärte zu erlangen, bestritt Nico Denz im Anschluss die achttägige Rundfahrt „Critérium du Dauphiné“ in Frankreich – die „Standortbestimmung“ für alle Favoriten der Tour de France. „Neben der Wettkampfbelastung ging es auch darum, die Abläufe im Tour-Team zu optimieren“, erzählte der Albbrucker.

„Das ist etwas ganz Großes für mich“

Mit der Tour-Vorbereitung im Gepäck reist Nico Denz mehr oder weniger direkt nach Bad Dürrheim. „Es ist schon mega cool, wieder vor heimischem Publikum fahren zu dürfen. Letztes Jahr waren meine ganze Familie, viele Freunde und meine Vereinskollegen vom VBC Waldshut dabei, das war klasse“, freut sich Denz auf die Neuauflage.

Eine Woche nach dem Auftritt in Donaueschingen und Bad Dürrheim steht für Nico Denz seine große Premiere auf dem Programm. Bei der 111. Tour de France wird er zum ersten Mal am Start stehen. Und wenn er sagt: „Das ist etwas ganz Großes für mich“, dann muss man seine Geschichte kennen, die eng mit dem Kampf um das gelbe Trikot verbunden ist.

Denn ohne die Frankreich-Rundfahrt gäbe es den Radsportler Nico Denz wahrscheinlich gar nicht, da das Leben als Radprofi für den Hotzenwälder nicht unbedingt vorgezeichnet war. Als er ein Kind war, spielte der Radsport in seiner Familie keine Rolle. Zumindest nicht bis zu dem Tag, an dem der Elfjährige in Schlageten, tief im Albtal zwischen Albbruck und St. Blasien gelegen, das Radsportspektakel in Frankreich vor dem Fernseher verfolgte. „Ich war begeistert von dem, was ich sah, und beschloss für mich, dass ich auch einmal dabei sein wollte.“

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Ein kühner Entschluss, wenn man weiß, wie schwer es ist, den Sprung in die höchste Radsport-Liga zu schaffen. Schon in den darauf folgenden Tagen wurde das Projekt Tour de France gestartet. Mit dem Tourenrad des Vaters ging es auf die Schwarzwald-Höhen. Es war wohl ein erstes Zeichen, dass ihn die Qualen der steilen Anstiege nicht abschreckten, sondern motivierten, besser zu werden und den Aktionsradius größer werden zu lassen.

Es war dann der Opa, der erkannte, dass da ein Talent schlummern könnte und ihn motivierte, sich einem Verein anzuschließen. Dass sein damaliger Lehrer in Waldshut zu der Zeit auch Trainer im Radsportverein VBC Waldshut war, erleichterte die ersten Schritte im Rennsport. Und so nahm die Karriere von Nico Denz ab 2006 ihren Lauf – über Schüler- und Jugendrennen in der Region und später in der U17-Kategorie, erste Einsätze im Landeskader Baden-Württemberg, sowie danach als Juniorenfahrer für die Nationalmannschaft bei internationalen Rundfahrten und Weltmeisterschaften.

Sieg beim Giro d‘Italia knapp verpasst

Gute Platzierungen im zweiten Juniorenjahr waren dann die Eintrittskarte für das Nachwuchsteam des französischen Profirennstalls „AG2R Le Mondial“. Es war der entscheidende Meilenstein für Nico Denz auf dem Weg zum Profi. Als Bester des Nachwuchsteams empfahl er sich schnell für die erste Garde von AG2R, dem Pro Tour Team, zu dem er bereits 2015 aufstieg und sein erstes Profijahr feiern durfte.

Für Aufsehen sorgte der Albbrucker 2018, als er nur um Haaresbreite einen Etappensieg beim legendären Giro d‘Italia verpasste. Spätestens ab da war er nicht nur Experten ein Begriff und wurde auch für andere Teams interessant. Zwei Jahre später wechselte er zum Team Sunweb, für das er 2022 eine Etappe bei der „Tour de Suisse“ gewann. Mit dem Wechsel zu BORA-hansgrohe 2023 kam durch die beiden Erfolge beim Giro der endgültige Durchbruch in der Radsport-Weltelite.

Er hat sich durchgesetzt im extrem harten Profigeschäft und zählt mittlerweile zu den erfahrenen Radprofis im Fahrerfeld. In seinen zehn Profijahren war er mittlerweile bei nahezu allen bedeutenden Rundfahrten und Klassikern am Start, außer eben bei der „Tour“. Und genau das soll sich nun ändern, wenn möglich im Trikot des Deutschen Meisters.