Als sich Anfang November zahlreiche Trainer aus dem Profifußball in Stuttgart zu einem Austausch mit den Schiedsrichtern trafen, stand plötzlich der Linzgau im Mittelpunkt eines Gesprächs.

„Beim Smalltalk mit Alois Schwartz und Alexander Blessin ging es natürlich um den SC Pfullendorf“, sagt Marcel Rapp, „das ist unser gemeinsamer Nenner.“

Das könnte Sie auch interessieren

Alle drei kickten sie um die Jahrtausendwende für den SCP – und auch wenn für viele Spieler nach dem Ende der Karriere der Wechsel auf die Trainerbank logisch erscheint, ist auffällig, wie viele Sportclubspieler aus jener Zeit inzwischen im bezahlten Fußball aktiv sind.

Die aktuell prominentesten Vertreter sind Rapp und Blessin bei den Bundesliga-Aufsteigern Holstein Kiel und FC St. Pauli. Schwartz trainierte unter anderem den 1. FC Kaiserslautern, 1. FC Nürnberg, Karlsruher SC und Hansa Rostock in der 2. Bundesliga.

Marcel Rapp, Trainer des Bundesligisten Holstein Kiel, spielte von 2002 bis 2007 für den SC Pfullendorf.
Marcel Rapp, Trainer des Bundesligisten Holstein Kiel, spielte von 2002 bis 2007 für den SC Pfullendorf. | Bild: DPA

Weitere Trainer mit Pfullendorfer Vergangenheit sind – um nur einige zu nennen – Andreas Kronenberg (Torhüter-Trainer Nationalmannschaft), Stefan Buck (Co-Trainer Eintracht Frankfurt), Marco Konrad (Co-Trainer Greuther Fürth), Uwe Möhrle (BW Lohne, Regionalliga Nord), Sebastian Heidinger (RB Leipzig U19), Johannes Flum (Nachwuchs SC Freiburg), Nico Schneck (ehemaliger Co-Trainer Bayer Leverkusen), Helgi Kolvidsson (ehemaliger Nationaltrainer Liechtenstein) und Marco Kurz (früher 1. FC Kaiserslautern, TSG Hoffenheim, FC Ingolstadt, Fortuna Düsseldorf).

Warum waren vor 20 Jahren so viele Spieler mit Trainertalent beim SCP aktiv? Ein Grund sind die Vorbilder, glaubt Patrick Hagg. Der 45-Jährige hat knapp 300 Partien für die Linzgauer bestritten und stand mit allen vorher genannten auf dem Platz.

Alois Schwartz bestritt 85 Spiele in der Bundesliga und war anschließend von 1998 bis 2002 in Pfullendorf aktiv, der Profi-Trainer ist ...
Alois Schwartz bestritt 85 Spiele in der Bundesliga und war anschließend von 1998 bis 2002 in Pfullendorf aktiv, der Profi-Trainer ist aktuell vereinslos. | Bild: DPA

„Wir hatten damals mit Michael Feichtenbeiner, Frank Wormuth, Günter Rommel und Walter Schneck gute Trainer. Jeder für sich war grundverschieden, aber von allen konnte man etwas lernen“, sagt Hagg, der selbst Trainer geworden ist und nun beim Bodensee-Bezirksligateam des TSV Aach-Linz das Sagen hat.

Viele Spieler kamen von großen Vereinen

„Wormuth hat uns bis ins kleinste Detail alles vorgegeben, auch im Spiel. Sowohl Taktik als auch Aufgaben“, erinnert sich Hagg. Rommel dagegen „sagte wortwörtlich: Männer, wie ihr das macht, ist mir egal, Hauptsache ihr macht es. Er hat die Verantwortung mehr an die Spieler übergeben. Vielleicht haben wir deshalb auch ein bisschen mehr die Trainingsformen hinterfragt.“

Hinzu kommt, dass die erste Mannschaft des SC Pfullendorf in jener Zeit nicht wie heute in der sechstklassigen Verbandsliga aktiv war, sondern in der dritthöchsten Liga. Viele Spieler wie Blessin (VfB Stuttgart), Schwartz (Stuttgarter Kickers) oder Rapp (KSC) kamen von großen Vereinen und brachten viel Fußballwissen und eine gute Ausbildung mit.

Alexander Blessin, Trainer von Bundesliga-Aufsteiger FC St. Pauli, trug das Trikot des SC Pfullendorf von 2003 bis 2005.
Alexander Blessin, Trainer von Bundesliga-Aufsteiger FC St. Pauli, trug das Trikot des SC Pfullendorf von 2003 bis 2005. | Bild: DPA

„Alle waren voll auf den Fußball fokussiert. Es war unser Beruf und wir mussten als Spieler unheimlich viel investieren. Dementsprechend waren wir viel mit dem Sport beschäftigt“, sagt Patrick Hagg, der als einer der wenigen im Linzgau geblieben und heute noch gut mit dem viel herumgekommenen Marcel Rapp befreundet ist.

Mit ihren Teamkollegen bereiteten sich die beiden schon früh auf das Leben nach der aktiven Karriere vor. „Wir sind oft nach dem Vormittagstraining gemeinsam in die Krone zum Mittagessen gegangen. So zehn, zwölf Leute waren das immer, da wurde dann schon mal der Salzstreuer hin- und hergeschoben, um taktische Formationen nachzustellen“, sagt Hagg.

Und Rapp ergänzt lachend: „Keiner hatte damals Familie und wir hatten viel Zeit, die wir gemeinsam verbracht haben. In anderen Vereinen geht jeder seiner eigenen Wege. In Pfullendorf gab es aber nicht so viel zu tun.“

„Jeder für sich war grundverschieden, aber von allen konnte man etwas lernen“, sagt Hagg, Trainer des Bodensee-Bezirksligateams TSV ...
„Jeder für sich war grundverschieden, aber von allen konnte man etwas lernen“, sagt Hagg, Trainer des Bodensee-Bezirksligateams TSV Aach-Linz. | Bild: Feiertag, Ingo

Heute ist offensichtlich, dass Hagg, Blessin, Rapp & Co. ihre Zeit am vermeintlichen Standortnachteil damals sinnvoll verbracht haben. Der gebürtige Pforzheimer Rapp, dessen Kieler unlängst den ersten Bundesligasieg der Vereinsgeschichte feierten, sei schon als Spieler sehr wissbegierig gewesen, erklärt Patrick Hagg.

„Grundsätzlich habe ich mir schon Gedanken gemacht, warum, weshalb, wieso, und habe gewisse Dinge hinterfragt“, sagt Rapp selbst. „Ich habe auch bei der einen oder anderen Trainingseinheit mitgeschrieben – aber ehrlich gesagt habe ich seitdem nicht einmal mehr reingeschaut“, fährt der 45-Jährige fort.

Kontakt der Ehemaligen bleibt bestehen

Geblieben ist jedoch ein großer Fußballsachverstand – und der gute Kontakt zu den einstigen Mitspielern und heutigen Trainerkollegen. „Neben meinem Trauzeugen Matthias Kiefer und Patrick Hagg habe ich zu Stefan Buck und Marcel Busch, der zwischenzeitlich auch Trainer war, den engsten Draht“, sagt Rapp.

Und wenn sich die Kumpels von einst wieder einmal treffen, dann kommt bestimmt einer auf den SC Pfullendorf zu sprechen. Auf die Zeit, in der die jungen Profis im beschaulichen Linzgau den Grundstein legten für die eine oder andere erfolgreiche Laufbahn als Fußballtrainer.