Die erste Halbzeit total verschlafen, in der zweiten couragiert gekickt, gereicht hat es dennoch nicht, um gegen West Ham United zu punkten. Das zweite Europa-League-Gruppenspiel des SC Freiburg ging vor 34.100 Zuschauern im ausverkauften Europa-Park-Stadion mit 1:2 verloren.

Paquetá köpft zum 0:1

It‘s tea time, please come in and enjoy. Es ist Teezeit, bitte hereinkommen und genießen. Man darf annehmen, dass sich die Spieler des derzeitigen Tabellensiebten der Premier League wunderten, wie viel Platz ihnen von Anpfiff an die Gastgeber geben. Und zweimal bitten lassen sich die Inselkicker denn nicht. Hünsch zirkuliert der Ball in den Reihen der Hammers, als in der 6. Minute Mohammed Kudus an drei Freiburger Verteidigern vorbei tanzt, als sei die Disziplin Zweikampf verboten, gelingt es im letzten Augenblick Lucas Höler mit einer beherzten Grätsche doch noch, dem inzwischen einschussbereiten Ghanaer die Kugel abzunehmen. Sehr gut von Höler, aber der ist ja eigentlich Stürmer und sollte im anderen Strafraum zu finden sein.

Zwei Minuten später darf nahe der Eckfahne auf der linken Freiburger Abwehrseite Jarrod Bowen ungestört flanken und ebenso ungehindert Lucas Paquetá zum 0:1 einköpfen. SC-Torhüter Noah Atubolu ist zwar noch mit den Händen dran, sieht dabei unglücklich aus, aber die groben Fehler hatten seine Vorderleute gemacht. Und die arbeiten weiter am Freischwimmerschein. Lukas Kübler leistet sich einen haarsträubenden Fehler, Bowen passt auf Kudus, der zum Tor zum Glück für die Freiburger nur einen schwachen Schuss loslässt. Atubolu kann den Ball an den Pfosten lenken. Gespielt sind gerade mal 12 Minuten!

Höfler bekommt gelbe Karte

Nach 25 Minuten sieht Nicolas Höfler die gelbe Karte. Da überkommt so manchen Freiburger ein unangenehmes Gefühl. Wie lange wird das gutgehen? Aber eines muss man dem Chicco vom Bodensee auf jeden Fall zugute halten: Er ist der einzige, der zeigt, dass es hier um europäischen Spitzenfußball geht, zu dem auch eine Portion Härte gehört. Am Spielfeldrand ist Christian Streich zu sehen, der mit den Armen rudert, seine Stimmbänder strapaziert, kurzum, im Angriffsmodus ist – wenigstens der Trainer, könnte man urteilen, aber vielleicht hat er auch einige seiner Vorab-Instruktionen korrigiert.

Nach einer knappen halben Stunde sind die Londoner Teetassen geleert. Oder aber so: Das Freiburger Spiel wird ein bisschen besser. Eine gute Kontersituation vermasselt Höler mit einem falschen Pass, der erste richtige Schuss aufs West-Ham-Tor, abgegeben von Roland Sallai, wird zur leichten Beute für Torsteher Lukasz Fabianski. Zur Halbzeit wird diskutiert. Wie ist der Sport-Club-Auftritt zu bewerten? Verzagt? Mutlos? Gar ängstlich wie das Kaninchen vor der Schlange? Nun denn, das hat sein Stillhalten noch selten vor dem tödlichen Biss bewahrt. Was also sollte in der zweiten Halbzeit passieren?

Freiburg gelingt der Ausgleich

Erst mal kommt Ritsu Doan für Junior Adamu, der in seinem ersten Startelf-Einsatz keine Akzente setzen konnte. Aber es kommt nicht nur Doan, es kommen plötzlich auch Tempo, Drang und Zuversicht. Und es dauert nur dreieinhalb Minuten, bis es 1:1 steht. Erst scheitert Sallai an Fabianski, dann trifft im Nachschuss Kübler wieder Fabianski, doch der Ball kommt erneut zu Sallai und der hämmert ihn im dritten Anlauf unter die Latte. Zwei Minuten später versucht es Sallai von der Strafraumgrenze mit links, doch dieses Duell gewinnt dann wieder der Hammers-Schlussmann. Und wieder nur vier Minuten danach, in der 55. Minute also, fällt der Führungstreffer für den SC Freiburg. Grifo, Kiliann Sildilia, ein Gewühl im Strafraum der Engländer, Höler fällt der Ball vor die Füße und aus vier Metern kickt er den Ball in die Maschen. Und nun bitte aufwachen: kein Führungstreffer für den SCF, denn der Mann mit der Nummer 9 bringt das Kunststück fertig, die Kugel nicht im Tor unterzubringen, sondern sie auf die Südtribüne zu dreschen. Was für ein Fehlschuss, es fehlen die Worte, das zu beschreiben.

Und es ist ein Fehlschuss mit Folgen. Zunächst schlägt Kübler nach Grifo-Freistoß und Kopfballverlängerung von Höfler ein Luftloch, aber Kübler ist ja auch kein gelernter Angreifer. So geschehen in der 65. Minute. Der Sekundenzeiger hat noch keine volle Umdrehung gemacht, da darf Kudus flanken, Bowen köpfen und hätte Matthias Ginter nicht noch den Kopf an den Ball gebracht, wäre da schon das 1:2 gefallen. So gibt es Eckball, den James Ward-Prowse in den Füfnmeterraum schlägt, wo Atubolu die Torlinie verlässt, um sich die Kugel zu schnappen. Das aber misslingt kläglich, Nayef Aguerd hat es leicht, den Treffer für die Hammers zu köpfen, der den Sieg bedeutete.