Hallo Herr Flick,
glaubt man aktuellen Umfragen, lehnen vier von fünf Deutschen diese Fußball-Weltmeisterschaft ab. Es ist schon wahnsinnig, was uns die Herren des Weltfußball-Verbands da angetan haben. Wer sich Fairness, Gleichberechtigung und Toleranz auf die Fahnen schreibt, sollte nicht dort hingehen, wo solche Werte nicht gelebt werden. Noch bevor Sie Ihren Kader am Donnerstag bekannt gegeben hatten, nahmen Sie Bezug auf die besonderen Umstände in Katar und versicherten, dass Sie und Ihre Spieler sich nicht wegducken werden, wenn es etwa zu Diskussionen um die Menschenrechte im Golfstaat kommen sollte.
Natürlich erwarte ich genau das von Ihnen, aber gleichzeitig würde ich uns allen wünschen, dass es anders wäre. Für politische Diskussionen gibt es Spezialisten. Ihre Aufgabe sollte sich eigentlich darauf beschränken, dass unsere Stürmer das Tor treffen und die gegnerischen Akteure eben nicht. „Wäre, wäre, Fahrradkette“, um es mal mit den Worten von Lothar Matthäus zu sagen. Fakt ist, dass am Sonntag in einer Woche ein Turnier beginnen wird, dass so niemals hätte stattfinden dürfen. Ändern lässt sich das nicht mehr. Und damit bleibt Ihnen auch nur noch ein pragmatischer Ansatz, eben das Beste aus der Situation zu machen.
Die wäre so schon kompliziert genug. Kaum Vorbereitungszeit, eine Mannschaft im Umbruch und einige Kandidaten, die alles andere als fit ins Turnier gehen werden. Was also tun, was dürfen wir erwarten?
Ist der Titelgewinn einrealistisches Ziel? Nein! Doch!
Lieber Herr Flick, Fußball ist ja deshalb so faszinierend, weil das Spiel so einfach sein kann, obwohl es manchmal so kompliziert ist. Wissen Sie, was ich meine? Bei all dem Fachgedusel über hängende Spitzen, doppelte Sechser, Dreier- oder Viererketten geht es bei großen Turnieren dann doch meist wieder um das
Ist es wirklich so einfach? Reduziert sich alles auf die oft zitierten elf Freunde, die auf dem Platz stehen sollen? Sicher nicht. Aber unabhängig vom Turnierausgang und dem großen Fußball-ABC, wäre das die beste Erinnerung, die von diesem Turnier bleiben könnte. Dass uns da eben Sportler vertreten haben, die füreinander einstanden. Die Werte vertreten haben, aufrecht und ohne Kompromisse. Auf und abseits des Spielfelds. Das würde mich beeindrucken. Und sicher auch viele Kataris. Daher, Franz Beckenbauer sei es verdankt: Geht‘s raus und spielt‘s Fußball. Aber bitte mit Haltung!
DIRK SALZMANN, SPORTREDAKTEUR