Nehmen wir mal einen unbekannten Freiburger Fußballfan. Sollte der am Samstag warum auch immer seinen Platz im Europa Park-Stadion acht Minuten zu spät erreicht haben, war er wohl total baff.

Undav trifft früh

Ein 0:2 leuchtete auf der Anzeigetafel, also eine 2:0-Führung für den VfB Stuttgart, die Deniz Undav mit seinem 13. Tor in seinem 17. Bundesligaspiel und Chris Führich besorgt hatten. Und bevor er sich richtig eingerichtet, also Platz genommen und den geistigen Verdauungsprozess begonnen hatte, hätte er eigentlich auch schon wieder nach Hause gehen können. Denn in der 19.

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Minute trifft Freiburgs Merlin Röhl den Stuttgarter Maximilian Mittelstädt rüde über dem Fußgelenk und erhält zu Recht die Rote Karte. Aus, vorbei, fertig. Die Trainer, Christian Streich vom Sport-Club und Sebastian Hoeneß vom VfB, sprachen unabhängig voneinander von der „spielentscheidenden Szene“. Wie auch hätten in 70 Minuten zehn Freiburger gegen elf Stuttgarter der Partie eine Wende geben sollen, zumal der Tabellendritte aus dem Schwabenland bis dahin eine nahezu perfekte Vorstellung auf den Rasen gelegt hatte?

Desaströser Auftakt

Was für ein desaströser Auftakt für den SC Freiburg. „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß“, hat der 1990er-Weltmeister Andi Brehme solche Tage einst kommentiert. Sieben lausige Minuten, die der Gegner zu zwei Treffern nutzt, dann der Platzverweis, „so läufst du der Musik hinterher“, sagte später der Freiburger Mittelfeldrackerer Maximilian Eggestein und ergänzte: „vergeblich eben“.

Stuttgarter Jubeltraube in Freiburg: Nach dem frühen 1:0 durch Deniz Undav (mit Trikot von Dan-Axel Zagadou) grüßten die VfB-Spieler ...
Stuttgarter Jubeltraube in Freiburg: Nach dem frühen 1:0 durch Deniz Undav (mit Trikot von Dan-Axel Zagadou) grüßten die VfB-Spieler ihren verletzten Verteidiger, der die Rückennummer 23 trägt. Bild: Imago | Bild: IMAGO/Julia Rahn

Ganz so stimmte das nicht und wäre jemand früh nach Hause gegangen, hätte er einiges verpasst. Richtig ist, dass die logischerweise überlegenen Stuttgarter Chancen durch Enzo Millot (zweimal) und Atakan Karazor liegen ließen, aber richtig ist ebenso, dass die Freiburger nach den Tiefschlägen besser spielten – aufgeputscht durch mehrere Faktoren: die lautstarke Unterstützung ihres Anhangs, die nahe an Arroganz grenzende Spielleitung durch den Schiedsrichter Daniel Siebert, der die Sport-Club-Kicker im Verteilen von gelben Karten benachteiligte, und gegen Halbzeit zu eine gewisse Genügsamkeit der Stuttgarter. Ergebnis: der Freiburger Anschlusstreffer kurz vor Abpfiff der ersten Hälfte.

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„Nach diesem Tor war dann in der zweiten Halbzeit richtig was los“, sagte Sebastian Hoeneß, der die zweiten 45 Minuten eine „anspruchsvolle Aufgabe“ nannte: „Einerseits wollten wir das dritte Tor machen, andererseits auf keinen Fall ein zweites kassieren.“

Letzteres wiederum hätte durchaus passieren können – in der 52. Minute hämmerte Eggestein die Kugel ins Außennetz und in der 74. Minute kam nach einem Freistoß von Vincenzo Grifo der aufgerückte Kopfballspezialist Matthias Ginter um Zentimeter nicht entscheidend an den Ball, um womöglich den Ausgleich zu erzielen. Im Gegenzug lupfte Mittelstädt die Kugel über SC-Torwart Atubolu zum 3:1 für den VfB ins Netz.

Freiburg gibt nicht auf

Basta? Nein, selbst da gaben die Freiburger noch keine Ruhe. In der Nachspielzeit musste VfB-Verteidiger Anthony Rouault einen Kopfball von Michael Gregoritsch auf der Linie stoppen und wenig später VfB-Torwart Alexander Nübel einen Schuss von Eggestein im Hechtsprung abwehren. Als Siebert mit einem unfallfrei gelungenen Schlusspfiff das Baden-Württemberg-Derby beendet hatte, blieb ein Gefühl von „Stolz“ (Hoeneß) bei den starken Stuttgartern und eine „totale Niedergeschlagenheit“ (Streich) bei den Freiburgern.

Der frühere Bundesligastürmer Jürgen „Kobra“ Wegmann hat mal eine Niederlage, die sich besonders schlecht anfühlte, so erklärt: „Erst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech hinzu.“ Auf den SC Freiburg umgemünzt an diesem gebrauchten Samstag musste man es eher so ausdrücken: Erst böse geschlafen, danach kein Lohn für respektables Dagegenhalten.