Herr Caligiuri, vor kurzem haben Sie noch vor Tausenden Zuschauern gespielt. Wie 2017 im legendären Revierderby, als Sie vor 80 000 Zuschauern in Dortmund mit Schalke einen 0:4-Rückstand gedreht und selbst getroffen haben. Jetzt laufen Sie im Friedengrund auf. Was macht das mit Ihnen?

Es wird sicherlich ein großer Unterschied. Aber hier in der Heimat vor der Familie und vor meinen Freunden zu spielen, ist schön. Ich glaube, gerade meine Kinder realisieren nicht, ob das vor 80.000 oder vor 1000 Zuschauern ist. Die freuen sich einfach, Papa auf dem Platz zu sehen. Deswegen bin einfach stolz darauf, was ich erreicht habe und erleben durfte. Jetzt kommt der Weg im Amateurfußball. Und ich bin gekommen, um mit meinem Heimatverein Erfolg zu haben. Da habe ich richtig Bock drauf.

Sie haben von 2017 bis 2020 beim FC Schalke 04 gespielt. Wie verfolgen Sie das, was gerade mit dem Verein passiert?

Die Fans mögen mich noch sehr. Sie meinten, ich könne immer wieder zurückkommen. Und ich bekomme immer noch Nachrichten über Instagram. Es war eine schöne und emotionale Zeit dort. Ich schaue mir jedes Wochenende die Spiele an und hoffe, dass es bald wieder aufwärts geht.

Sie haben auch ganz andere Zeiten auf Schalke erlebt. Sie wurden 2018 Vizemeister, spielten Champions League – jetzt droht sogar der Abstieg in Liga drei. Ist das besonders hart?

Der Verein hat eigentlich auch in der zweiten Liga nichts zu suchen. Gerade mit diesen Fans im Rücken. Das gibt es nicht oft auf der Welt, und es tut weh, das von außen zu betrachten. Ich persönlich hatte eine überragende Zeit dort. Gegen Ende meines Vertrags hat man schon gemerkt, dass es nach unten geht – auch mit der Stimmung im Verein. In der Corona-Phase hat man sich dann entschieden, nicht mehr zu verlängern. Das war sehr schade. Aber Schalke ist weiter in meinem Herzen.

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Würden Sie sagen, Schalke war Ihre schönste Profi-Station?

Das werde ich oft gefragt. (lacht) Ich bin zufrieden mit meiner Karriere. In Freiburg hat alles angefangen, da kam Christian Streich, das war für mich sehr wichtig. Dann bin ich nach Wolfsburg und hatte dort eine erfolgreiche Zeit. Ich konnte mit Stars wie Kevin De Bruyne spielen, einen DFB-Pokalsieg feiern und habe in der Champions League gespielt, war bei der italienischen Nationalmannschaft. Dann bin ich zu Schalke und hatte dort Erfolg. Ich kann gar nicht sagen, was meine schönste Station war. Hätte man mir davor gesagt, wie meine Karriere verläuft, hätte ich das nicht geglaubt. Und meine Laufbahn ist noch nicht zu Ende.

Glauben Sie, Sie hätten dem FC Schalke noch helfen können?

Aus meiner Sicht schon. Aber es gab kein konkretes Angebot. Insofern war das für mich erledigt.

Jetzt ist es der FC 08 Villingen geworden, seit wann sind Sie wieder in Villingen-Schwenningen?

Seit Ende der vergangenen Saison bin ich wieder in der Heimat und habe mich seither beim FC 08 Villingen, der TSG Balingen und privat fit gehalten.

Im Sommer wurde Ihr Vertrag beim FC Augsburg nicht mehr verlängert. Sind sie anschließend direkt hergezogen?

Ich hatte hier eine Wohnung. Die war immer frei, sodass wir in der Winter- oder Sommerpause kommen konnten. Ich war dann noch zwei oder drei Wochen in Augsburg, weil mein Sohn noch in den Kindergarten musste. Seit Ende Juli sind wir aber wieder in Villingen-Schwenningen.

Wie kam der Kontakt zum FC 08 Villingen überhaupt zustande?

Man kennt die Leute. Den Kontakt hatte ich von den Chiurazzi-Brüdern, Fabio und Mauro, das sind zwei gute Kollegen von mir. Sie haben den Kontakt zu Sportvorstand Denis Stogiannidis hergestellt. Für ihn war das kein Thema, dass ich mich dort fit halten kann, und dafür bin ich sehr dankbar.

Wie kam es, dass sie jetzt als Spieler unterschrieben haben?

Damals war das noch kein Thema, weil ich noch fit war und bin. Es hat sich dann hinausgezogen mit konkreten Angeboten, und irgendwann wurde mir bewusst, dass das Alter eine größere Rolle spielt, als ich dachte. Es gab Anfragen aus dem In- und Ausland, aber ich habe mich dann bewusst dafür entschieden, mit meiner Familie in der Heimat zu bleiben.

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Können Sie konkreter werden? Welche Angebote gab es?

Das möchte ich für mich behalten. Mein Ziel war es schon, noch einmal erste oder zweite Liga in Deutschland zu spielen. Das hat nicht so geklappt. Es gab Anfragen, aber nichts Konkretes. Jetzt möchte ich mir neue Ziele im Amateurfußball setzen.

Sie haben sich auch in Balingen fit gehalten. Warum ist es nicht die Regionalliga geworden?

In Balingen war es auch sehr schön, und ich bin auch dankbar, dass ich mich dort fit halten konnte. Ich bin in Villingen geboren, ich glaube, das sagt schon alles. Ich habe hier einen sehr kurzen Weg, spiele Oberliga und wir stehen in der Tabelle gut da. Diesen Erfolg möchte ich weitergehen und mal schauen, wohin der Weg hier in Villingen führt.

Es gab im Sommer Gerüchte, dass Sie Spielertrainer in Villingen werden. Diese haben Sie im „Kicker“ dementiert. War das kein Thema?

Nein, das war damals wirklich kein Thema. Ich weiß auch nicht, wie das aufkam. Ich habe nur gesagt, dass ich meine Erfahrung einbringen kann, solange ich hier mittrainieren darf.

Sie hätten bestimmt auch höher spielen können. Was hat Sie an der Oberliga gereizt?

Ich habe schon betont: Heutzutage spielt das Alter eine große Rolle im Profibereich. Wer weiß, ob ich nicht noch ein halbes Jahr Vertrag bekommen hätte. Die Qualität ist noch da, denke ich. (lacht) Aber das Alter ist entscheidend, und ich bin mit meiner Familie hier in der Heimat. Ich will mir hier für das Leben nach der Karriere etwas Neues aufbauen, aber weiter mit der Liebe zum Fußball. Und ich fühle mich noch lange nicht wie 36.

Gab es auch die Option, komplett mit Fußball aufzuhören oder eine Trainer-Karriere zu starten?

Ganz klares Nein! Ich bin topfit. Sonst hätte ich mich nicht die ganze Zeit über fit gehalten und wäre stattdessen irgendwo im Urlaub. (lacht) Für mich war ganz klar, dass ich weiter Fußball spielen werde.

Sie bringen die Erfahrung von 372 Bundesliga-, 16 Europa-League- und 14 Champions-League-Spielen mit. Wie sehen Sie Ihre Rolle in der Mannschaft?

Ich gehe auf dem Platz voran, das habe ich in meiner ganzen Karriere gemacht – auch in den letzten Jahren auf Schalke und bei Augsburg. Ich bin jemand, der verbal die Mannschaft steuert. Und das versuche ich weiterhin. Die Jungs haben alle Bock und haben sich gefreut, dass ich mich für den 08 entschieden habe. Wir versuchen, uns so schnell wie möglich als Mannschaft zu verstehen.

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Spüren Sie auch Druck? Als Ex-Profi werden alle Augen auf Ihnen ruhen.

Ich weiß, dass jetzt ein paar Leute mehr auf mich oder auf den FC 08 Villingen schauen werden. Aber auf dem Platz blende ich das aus. Und mit Druck kann ich umgehen. Ich denke, das habe ich schon bewiesen. Gerade bei Derbys wie auf Schalke ist das ein anderer Druck.

Im April 2023 standen Sie gegen Köln das letzte Mal in der Bundesliga auf dem Platz, bald spielen sie in der Oberliga. Auf welche Umstellungen bereiten Sie sich vor?

Klar gibt es große Unterschiede zwischen Profi- und Amateurbereich. Aber für mich spielt das keine Rolle. Ich bin ein Spieler, der sich sehr schnell anpassen kann. Wenn ich auf dem Platz stehe, ist das Wichtigste, Spaß zu haben. Das ist jetzt eine spannende Aufgabe nach 16 Jahren als Profi.

Am Sonntag testet der FC 08 in Radolfzell. Sind Sie da schon dabei?

Ich gehe davon aus, dass ich noch nicht spielen werde. Mannschaftstraining und sich fit zu halten sind zwei verschiedene Sachen. Ich will erst noch zwei Wochen mit der Mannschaft trainieren, damit ich richtig vorbereitet bin. Das Spiel am Sonntag kommt noch zu früh. Und Kunstrasen ist auch eine Umstellung für mich. Ich glaube, das letzte Mal habe ich in der A-Jugend beim SC Freiburg auf Kunstrasen gespielt.

Direkt nach der Vorbereitung wird es ernst: erst im Pokal gegen den Freiburger FC und dann in der Liga das Topspiel gegen den Tabellenführer SG Sonnenhof-Großaspach. Das ist wenig Eingewöhnungszeit.

Wir wollen zwei Siege, ganz klar. Eingewöhnungszeit habe ich ja jetzt in der Vorbereitung. Das reicht mir.