Nach der Schlusssirene gab es kein Halten mehr: bei der zu Tränen gerührten Aline Rotter-Focken, die soeben die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio gewonnen hatte, und bei ihren Anhängern in Triberg, die das Kino in ein Tollhaus verwandelten. Die 30-Jährige ist die erste deutsche Olympiasiegerin im Frauen-Ringen – und hört nun damit auf. Ein besseres Karriere-Ende kann es wohl kaum geben.
Schon lange war klar, dass die Spiele von Tokio der Abschluss der Laufbahn von Aline Rotter-Focken darstellen sollen. Vier Medaillen bei Weltmeisterschaften, darunter eine goldene, hatte die gebürtige Krefelderin, die seit vier Jahren in Triberg lebt, bis dato gewonnen. In Tokio zählte sie zu den Medaillenanwärtern im Freistil bis 76 Kilogramm, Topfavoriten waren aber andere. Dass nun Gold bei Olympia zum Ende ihrer Karriere dazukommt, konnte sie selbst am wenigsten glauben. „Jetzt gerade ist es noch gar nicht angekommen. Ich glaube, ich werde noch Jahre von diesem Moment zehren“, sagte sie nach dem Kampf ihres Lebens der dpa.
Die Erfüllung ihres „Lebenstraums“ sei nun der Lohn für das jahrelange Schinden auf der Matte und im Kraftraum. „Es gab so viele Momente, wo ich dran gezweifelt habe, so viel geweint, gelitten und geackert habe. Jetzt hat es funktioniert.“ Wer genau weiß, wie viele Opfer Rotter-Focken erbrachte, ist ihr Mann Jan Rotter, selbst ein ehemaliger Spitzenringer. „Leistungssport bedeutet viel Verzicht. Als Aline sechs Jahre alt war und erstmals Olympia sah, sagte sie sich: ‘Da will ich auch mal hin.‘ Seitdem hat sie alles für den Sport gegeben. Nun hat sie sich die Krone aufgesetzt“, erzählt Rotter, den der Kampf einige Nerven gekostet hatte.

Nachdem Rotter-Focken am Sonntag souverän ins Finale marschiert war, wartete dort die Weltmeisterin und gute Freundin Adeline Gray aus den USA. Die Deutsche startete furios: Drei kleine Wertungen und eine Strafe für Gray sorgten für eine 7:0-Führung. Wer acht Zähler Vorsprung hat, gewinnt automatisch. Soweit kam es aber nicht. Stattdessen wurde es nochmal eng: Gray punktete dreifach und hatte ihre Gegnerin bereits auf der Matte, diese verhinderte aber gekonnt eine weitere Wertung. „Ich habe meinen Augen nicht getraut“, schildert Rotter. „Aline ist mental so stark, dass mir klar war, dass sie den Sieg ins Ziel bringt.“
Sogar das SWR-Fernsehen kommt nach Triberg
Rotter hatte extra einen Saal im Triberger Kino gemietet, um gemeinsam mit etwa 60 Freunden und Familienmitgliedern die Kämpfe seiner Frau zu verfolgen. Sogar das SWR-Fernsehen war gekommen, um von der Feier zu senden. Als der Kampf auf der Leinwand endete, begann im Saal der Jubel. Nikolaus Arnold konnte sich überhaupt nicht mehr halten. „Ich bin total aus dem Häuschen! Wir hatten noch nie so eine große Sportlerin in unserer Stadt. Wir werden ihr einen tollen Empfang bereiten.“ Nikolaus ist für das Stadtmarketing zuständig. Bessere Werbung als eine Olympiasiegerin gibt es kaum.
Voraussichtlich am Dienstag wird Rotter-Focken in Triberg ankommen. Dann wollen sie und ihr Mann „erst mal das Leben genießen“, wie Jan Rotter erzählt. „Wir müssen nun nicht mehr an Trainingspläne denken und können Urlaub machen, wann immer wir wollen.“ Irgendwann sind auch Kinder geplant. Diesen wird Aline Rotter Focken etwas erzählen können – vom größten Kampf ihres Lebens.