Rührige Geschichten erzählt der Fußball viele. Gerade bei Turnieren verbinden sich irgendwann wieder irgendwelche Fäden. Im Falle der Familie Schmeichel ist das Band wirklich ein ganz Besonderes. Wenn Kasper Schmeichel, Markenzeichen gestutzter Bart, gebräuntes Gesicht, sorgsamer Scheitel, zum EM-Achtelfinale gegen Deutschland (Samstag 21.00 Uhr/ZDF) in Dortmund als Vorhut zum Aufwärmen aus den Katakomben kommt, werden die Fans aus Dänemark bereits losjubeln. Ihr Keeper ist die lebendige Klammer zu jener Generation, aus der „Danish Dynamite“ zum Markenzeichen wurde.

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Sein Vater Peter Schmeichel war ein stilprägender Rückhalt, der zwischen 1987 und 2001 stolze 129 Länderspiele bestritt. Ein blonder Koloss mit katzenhafter Gewandtheit, der vor allem in seiner Hochzeit bei Manchester United das Torwartspiel mit seiner dominanten Strafraumbeherrschung prägte wie viel später der noch weiter über sein Refugium hinauswirkende Manuel Neuer. Schmeichel Senior gab ein unüberwindbares Hindernis in jenem für Dänemark berauschenden EM-Finale 1992, als sich Deutschland gegen den Underdog die Zähne ausbiss. Die Rückpassregel kam erst danach, und so hob er in Göteborg 19, 20 Zuspiele seiner Vorderleute lässig mit den Händen auf, um die Uhr herunterticken zu lassen.

Zwei Generationen dänische Torhüter: Keeper Kasper (links) mit Vater Peter Schmeichel.
Zwei Generationen dänische Torhüter: Keeper Kasper (links) mit Vater Peter Schmeichel. | Bild: IMAGO/MATHIAS BERGELD

Sein Filius muss sich in seinem 105. Länderspiel etwas anderes einfallen lassen. „Deutschland ist eine große Fußball-Nation und dazu noch der Gastgeber. Sie werden der Favorit gegen uns sein“, sagte der 37-Jährige am Mittwoch. Mag es vorne bei denen Dänen vielleicht nicht kreativ zugehen, sieht es hinten stabil aus. Die Dreierkette mit Andreas Kristensen (FC Barcelona), Jannik Vestergaard (Leicester City) und Joachim Andersen (Crystal Palace) hat reichlich internationale Erfahrung. Ihr in Manchester aufgewachsener und ausgebildeter Schlussmann sowieso, der mit Leicester vor acht Jahren sensationell englischer Meister wurde.

An den Gegentoren gegen Slowenien (1:1) und England (1:1) traf ihn mal keine Schuld, gegen Serbien (0:0) blieb er unterbeschäftigt. Gegen Deutschland dürfte mehr Arbeit warten. Zwischendrin auf einer Pressekonferenz in Frankfurt hat Kasper Schmeichel bei der EM verraten, dass ihm das Turnier mehr gefalle als die Auflage vor drei Jahren, obwohl sein Team damals ja trotz des Dramas um Christian Eriksen das Halbfinale erreichte. „Damals gab es viele Covid-Regeln. Hier bringen alle Teams viele Anhänger mit. Unsere Fans sind der größte Motivationsfaktor – ich will mit ihnen feiern“, sagte Schmeichel Junior.

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Der Senior schrieb gerade auf Instagram: „Lasst uns die dänische Party nach Dortmund verlegen.“ Der 60-Jährige ist natürlich dabei, weil er bei dieser EM für den Sender Fox Sports arbeitet. Es kam sogar schon vor, dass er seinen Sohn interviewt hat – die beiden umarmten sich vor laufender Kamera im US-Fernsehen.

Früher hat Kasper Schmeichel auf die Vergleiche mit dem Vater begrenzt begeistert reagiert. „Mein Nachname war keine Hilfe“, gestand er einmal. Als sich abzeichnete, dass auch er zwischen den Pfosten eine Profikarriere einschlagen würde, machte er seinem Papa klar, was er von ihm brauche. Peter Schmeichel schilderte das Gespräch später so: „Ich fragte ihn, welche Rolle ich für ihn spielen soll. Agent? Berater? Er antwortete: Ich will, dass du mein Vater bist.“ War auch das geklärt. Schon vor dem Aufeinandertreffen gegen England rückte Kasper Schmeichel mit seiner auf der Insel geprägten Vita ins Rampenlicht.

Da wollte ein englischer Reporter wissen, ob der inzwischen bei RSC Anderlecht beschäftigte Ballfänger wieder an einen Triumph wie vor 36 Jahren glaube. „Ich glaube nicht, dass jemand zur EM kommt, ohne an Gold zu denken“, erläuterte er, der die Trophäe schon in seinen Händen gehalten hat. Als Zehnjähriger, als er bei der EM 1996 für Titelverteidiger Dänemark gemeinsam mit Brian Laudrup, Sohn von Weltstar Michael, im alten Wembley-Stadion den Pokal präsentierte. Immer wieder erstaunlich, wie im Fußball die Vergangenheit mit der Gegenwart in Berührung kommt.