Unter dem Druck der Umweltlobby schlägt die Automobilbranche auf der Frankfurter Automesse IAA neue Töne an. Plötzlich stehen Begriffe wie Nachhaltigkeit bei den Auto-Managern hoch im Kurs. Allerdings kommt die neue Öko-Debatte zur Unzeit, denn die Geschäftsaussichten trüben sich immer stärker ein. Und Konflikte mit der Arbeitnehmerschaft kündigen sich an. In vorderster Front stehen dabei die Automobilzuliefer-Unternehmen.
Erste Auswirkungen der schwierigen Lage zeigen sich etwa bei Continental. Bei Deutschlands drittgrößtem Automobilzulieferer, der in der Region etwa mit Standorten in Lindau, Villingen-Schwenningen oder Markdorf vertreten ist, stehen die Zeichen auf Sturm. Betriebsbedingte Kündigungen könne das Unternehmen „als letztes Mittel nicht ausschließen“, sagte Conti-Vorstandschef Elmar Degenhart am Dienstag am Rande der IAA.
Eine „Zielzahl“ zu möglicherweise betroffenen Werken oder Mitarbeitern lasse sich derzeit aber noch nicht nennen, sagte er. Die konjunkturelle Entwicklung sei aber kritisch. „Wir schlittern nicht in die Krise hinein, sondern befinden uns mittendrin. Es hilft nicht mehr, die Dinge schönzureden“, sagte der Manager – ein deutlicher Seitenhieb auf die Konkurrenten, die derzeit auf der IAA ein Feuerwerk an Neuheiten vorstellen.
Bosch, weltweit die Nummer eins im Automobilzuliefergeschäft, hatte die schlechten Nachrichten schon deutlich vor der diesjährigen IAA verkündet. „Natürlich müssen wir auf die zurückgehende Nachfrage reagieren“, sagte Bosch-Chef Volkmar Denner vor einem Monat. Der Umfang von Stellenstreichungen stehe zwar noch nicht fest. „Wir tun aber alles, um das sozialverträglich umzusetzen“, sagte er. Zuvor schon hatte er von „Anpassungen“ bei der Beschäftigung geredet, um die man in diesem Jahr nicht herumkommen werde. Bosch macht die sinkende Diesel-Nachfrage zu schaffen. 50.000 Stellen hängen in dem Konzern weltweit direkt am Diesel. In Deutschland sind es rund 15.000. Andere Zulieferer wie Mahle aus Stuttgart oder Schaeffler haben ebenfalls Kurzarbeit oder Stellenabbau angekündigt.
ZF: Keine Kurzarbeit
Bei ZF ist derzeit von solchen Hiobsbotschaften nicht die Rede. Im Vergleich zu seinen wichtigsten deutschen Konkurrenten nimmt sich das bislang angekündigte Maßnahmenpaket der ZF gegen den Konjunkturabschwung verhalten aus. Zwar hat auch ZF Jobs gestrichen, allerdings nur in China. Weil die Autoindusstrie dort immer weniger Teile nachfragt, habe man Investitionen in neue Werke und Standorte „gestoppt oder verschoben“, sagte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider auf der IAA. In Deutschland reichten die dezeitigen Flexibilisierungsmaßnahmen aber aus, die Nachfragerückgänge, die sich insbesondere bei der Nachfrage nach PKW-Teilen zeigen, zu kompensieren. Das Heißt: Arbeitszeitkonten werden abgeschmolzen. Kurzarbeit gebe es bei ZF nicht, sagte Scheider. Im Moment sei man „gut unterwegs“, sagte er. Was der Herbst bringe, wisse man aber angesichts des drohenden Brexits und sich möglicherweise verschärfender Zollauseinandersetzungen zwischen China und den USA nicht. Überall in der Branche herrsche derzeit „eine gewisse Anspannung“.
Berger-Studie: Die Luft wird für Zulieferer dünn
Berater von Roland Berger und Lazard haben diese jüngst in Zahlen gefasst. Ihre Diagnose: Weltweit spitzt sich die Lage der Automobilzulieferer empfindlich zu. Die Branche befinde sich „im Sturm der Mobilitätswende“, schreiben die Autoren einer Studie, die 600 Zulieferer weltweit erfasst. Einerseits lässt der schrumpfende Automarkt die Umsätze zusammenschmelzen. Das wiederum führe zu geringeren Auslastungen in den Werken und damit zu weniger Gewinn. Die Gewinnspannen (Ebit-Marge) der Firmen weltweit näherten sich der kritischen Grenze von sechs Prozent, schreiben die Berater. Darunter werde sowohl die Eigenfinanzierung als auch die Finanzierung am Kapitalmarkt schwieriger“.
Aktivistin Tina Velo nimmt sich Volkswagen vor
Dazu kommt nun der steigende Druck von Umweltgruppen. Am Montag diskutierte die bislang weitgehend unbekannte Umweltaktivistin Tina Velo am Rande der Messe eineinviertel Stunden mit VW-Chef Herbert Diess und warf dem Top-Manager unter anderem eine verfehlte Modellpolitik vor. Andere Verbände wie die deutsche Umwelthilfe fordern einen „Verkaufsstopp von SUV“ ab 2025.
ZF Chef-Scheider sagte, man stehe voll zu den Pariser Klimazielen. „Askese und Verzicht“ seien aber keine Erfolgskonzepte im Kampf gegen den Klimawandel. Vielmehr gehe es darum, Lösungen zu präsentieren und Mobilität „sauber, sicher und erschwinglich“ zu machen.