Wer im Möbelhaus Ikea bezahlt, bekommt den strukturellen Wandel der Arbeitswelt sanft vor Augen geführt. Wer mit seinem Einkaufswagen an die Kasse fährt, den erwartet nicht etwa ein Mensch, sondern ein Monitor. Waren scannen und den Anweisungen auf dem Bildschirm folgen – fertig. Es ist ein erster Vorbote. Mit zunehmender Digitalisierung verändern sich Berufe. Einige sind komplett durch Künstliche Intelligenz ersetzbar. Andere zumindest teilweise.

  1. Wird mein Beruf verschwinden? Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat sich damit intensiv beschäftigt. Leicht ersetzbar sind klassischerweise Routinetätigkeiten. Berufe, die zu über 70 Prozent aus solchen bestehen, haben ein besonders hohes Risiko, ersetzt zu werden. Im Jahr 2013 arbeiteten in Baden-Württemberg 17,4 Prozent der Beschäftigten in Berufen mit hoher Austauschbarkeit. Drei Jahre später stieg der Anteil auf 27,9 Prozent. „Die Aufgaben sind gleich geblieben, aber der Anteil ersetzbarer Tätigkeit steigt“, sagt Silke Hamann vom (IAB). Je weiter die Digitalisierung voranschreitet, desto größer werde dieser Wert.
  2. Welche Bereiche sind wie stark betroffen? Mit Ausnahme des Bereichs IT-Dienstleistung, wo der Anteil ersetzbarer Tätigkeiten bei 36 Prozent liegt, sind die Werte auch für die einzelnen Berufsgruppen gleich geblieben oder gestiegen. Besonders Fertigungsberufe (84 Prozent) und unternehmensbezogene Dienstleistungsberufe (56 Prozent) sowie Verkehrs- und Logistikberufe (58 Prozent) haben ein hohes Potenzial ersetzt zu werden. Im Pflegebereich wird es dagegen künftig viel mehr Jobs geben als heute.
  3. Heißt das, dass Jobs zwingend abgebaut werden? „Die Ersetzbarkeit ist nicht gleichbedeutend mit Arbeitsplatzabbau, sondern ein Indikator für Arbeitsplatzwandel“, betont Hamann. Der erwartete Effekt ist laut eines IAB-Forschungsberichts, dass sich die Zahl überflüssig gewordener Arbeitsplätze und an anderer Stelle neu entstehende etwa die Waage halten. „Allerdings verschiebt es sich hin zu komplexeren Aufgaben“, sagt Hamann. Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) geht indes davon aus, dass durch die Digitalisierung unter dem Strich sogar Stellen geschaffen werden. "Die Digitalisierung wird rund 1,5 Millionen Jobs kosten, 2,1 Millionen neue Arbeitsplätze werden entstehen", sagte Björn Böhning, Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Weil Jobs in neuen Bereichen entstünden und anderswo wegfielen und sich Tätigkeitsprofile veränderten, stehe Deutschland "vor einer riesigen Umschulungsaufgabe".
  4. Was muss ich zukünftig können? In Betrieben mit fortschreitender Digitalisierung würden höhere Anforderungen an die Arbeitnehmer gestellt. Diese Firmen verlangen Kenntnisse, die in Lehrgängen erworben werden müssten. „Allerdings nicht bloß digitale, sogar noch stärker soziale Kompetenzen.“ Das sagt auch Athanasia Tsantou, Sprecherin des Volkshochschulverband Baden-Württemberg: „Man braucht vor allem Aufgeschlossenheit für Neues und die Bereitschaft sich mit veränderlichen Systemen auseinanderzusetzen.“ Es fange schon beim Betriebssystem Windows an, das sich kontinuierlich weiterentwickele.
  5. Für wen wird es eng? Schwieriger könnte die Situation für Arbeitslose werden. Dazu sagt Hamann: „Die Einstiegshürden steigen, weil die Qualifikation schneller entwertet wird.“ Damit werde die Aus- und Weiterbildung zur zentralen Herausforderung: „Die Frage wird sein, wie schnell sich die Bildung anpasst.“ Die Volkshochschulen haben bereits reagiert. Athanasia Tsantou spricht von einer „ganz breiten Palette passender Angebote“. Es fange beim Grundlagenkurs für Computer und Smartphone an und gehe bis hin zur Programmierung.
  6. Sind bestimmte Altersgruppen besonders betroffen? Wie oft bei fundamentalen Veränderungen sind es die mittleren Altersgruppen, die vor den größten Herausforderungen stehen. Das Glück, sich noch irgendwie in den Ruhestand hinüberhangeln zu können wie ältere Arbeitnehmer oder sich gleich zu Beginn des Arbeitslebens zukunftsfähig aufzustellen wie die Jungen das tun können, haben sie nicht. "Wir brauchen eine Qualifizierungsoffensive für Arbeitnehmer ab etwa 40, 45 Jahren", sagt BMAS-Staatssekretär Björn Böhning. Jüngere Beschäftigte werden sich allerdings "an permanentes Lernen im Job gewöhnen müssen", um sich zukunftssicher aufzustellen, so Böhning.
  7. Wie kann ich mich weiterbilden? Auch hier ist die Palette riesig. Große Unternehmen bieten oft eigene Schulungen an. „Grundsätzlich gibt es bei uns interne Weiterbildungsangebote, die allen Mitarbeitern zur Verfügung stehen“, sagt Jochen Meyer, Sprecher von ZF in Friedrichshafen. Ansonsten ist eine Weiterbildung auch an Volkshochschulen, über die Kammern oder private Träger möglich. Auch muss es nicht zwingend nach Feierabend oder am Wochenende sein. Kürzlich wurde eine Studie veröffentlicht, welche im Auftrag des Wirtschaftsministeriums die 2015 eingeführte Bildungszeit untersuchte. Ein Resultat: Nur etwa ein Drittel der Arbeitnehmer wussten etwas davon, dass sie einen Anspruch auf fünf Tage Bildungsurlaub jährlich haben. Das Landesnetzwerk Weiterbildungsberatung bietet beispielsweise kostenfreie Beratungen zur Weiterbildung an.
  8. Was müssen die Firmen tun? Im Bundesarbeitsministerium sieht man auch die Firmen in der Pflicht. "Dass längere Aus- und Weiterbildungsbildungszeiten künftig ein fester Teil des Arbeitslebens sein werden, haben viele Unternehmen noch zu wenig verstanden", sagt BMAS-Mann Böhning. Um die Weiterbildungsanreize zu erhöhen, erstattet der Bund den Unternehmen in Abhängigkeit ihrer Beschäftigtenanzahl bis zu 100 Prozent der Weiterbildungskosten und den Arbeitnehmern bis zu 75 Prozent des Arbeitsentgeltes während ihrer Weiterbildung. Die Arbeitgeber müssten sich auch für flexiblere Arbeitszeitmodelle öffnen, um künftig überhaupt noch genügend Fachkräfte anziehen zu können, sagt er.
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