Sie ist klein und possierlich, aber gleichzeitig der Schrecken aller Wasserwerke, fast könnte man sagen: rund um den Globus. Die Quagga-Muschel, jenes zwei bis drei Zentimeter große und leicht marmorierte Lebewesen. Vom Schwarzen Meer eingeschleppt, breitet sie sich seit 2016 auch im Bodensee sprunghaft aus.
Kippt das Öko-System Bodensee?
In den USA hat die Muschel den Lake Michigan, der rund hundert mal so groß ist wie der größte deutsche Frischwasserspeicher, innerhalb von nur einem Jahrzehnt komplett eingenommen. Bis zu 100 000 Muscheln pro Quadratmeter besiedelten dort mittlerweile den Seegrund, sagt Christoph Jeromin, technischer Geschäftsführer bei der Bodensee-Wasserversorgung (BWV). Würden keine Gegenmaßnahmen ergriffen, könnte in zehn bis 15 Jahren das „biologische Gleichgewicht auch im Bodensee kippen“, sagt er.
Und nicht nur das. Auch für die Wasserversorgung ist die große Verwandte der ebenfalls eingeschleppten Dreikantmuschel eine Gefahr. Mit beeindruckender Hartnäckigkeit setzt sich die invasive Art an Quellbecken, Förder- und Aufbereitungsanlagen fest, auch in sehr großen Tiefen. Die winzigen Larven drohen ins Trinkwasser zu gelangen. Noch ist das nicht passiert, aber um so ein Szenario auch in Zukunft zu verhindern, muss massiv technisch aufgerüstet werden. Und so ist das kleine Tierchen für die Bodensee-Wasserversorgung – immerhin Deutschlands größter Fernwasserversorger – zu einem der Gründe geworden, das umfangreichste Investitionsprogramm seit mehreren Jahrzehnten auszurufen.
Insgesamt 363 Millionen Euro will die BWV in den kommenden 15 Jahren unter dem Codewort „Projekt Zukunftsquelle“ in die Rundum-Ertüchtigung ihrer Infrastruktur stecken. Diese besteht unter anderem in riesigen Pumpen und Absauganlagen, die im Überlinger See Bodenseewasser entnehmen und ins zentrale Wasserwerk oberhalb von Sipplingen transportieren. Dort wird es aufbereitet und über Kavernen, Stollen, Hochbehälter und ein 1700-Kilometer-langes Pipelinesystem bis zu Gemeinden nach Nord-Württemberg gepumpt.
Bodensee-Wasser wird bis in den Odenwald gepumpt
Und die Nachfrage nach Bodenseewasser steigt. Immer mehr Kommunen wollten der Solidaritätsgemeinschaft des Zweckverbands Bodensee-Wasserversorgung beitreten, heißt es von der BWV. Aufgrund zunehmender Wasserknappheit im Sommer und versiegender Quellen benötigten die Gemeinden neue Versorgungsmöglichkeiten, sagt BWV-Technik-Chef Jeromin.

Erste Auswirkungen dieser vom Klimawandel angeschobenen Nachfragezunahme sind schon sichtbar. Seit etwa zehn Jahren stiegen die durchschnittlichen Wasserabgabemengen der BWV kontinuierlich, heißt es. Im Rekordsommer 2018 wurde aus dem Bodensee so viel Wasser entnommen wie zuvor nur im Jahr 2003. Dieses Jahr erreichte man mit 550 000 Kubikmetern Wasserentnahme einen Allzeit-Tages-Spitzenwert. Zwar entnimmt die Bodenseewasserversorgung dem See nur rund ein Prozent dessen, was über die diversen Zuflüsse in den See wieder hineinfließt, und auch die Pumpen des Unternehmens arbeiten noch nicht auf Volllast. Aber perspektivisch stößt die größtenteils vor 60 Jahren errichtete Infrastruktur an ihre Grenzen.
Wasserpreise werden in den kommenden Jahren ansteigen
Die am gestrigen Dienstag den 183 Verbandsgemeinden der BWV vorgestellten Millionen-Investitionen zur Rundum-Erneuerung der wassertechnischen Anlagen tragen daher auch dem schieren Anlagenalter Rechnung. Und sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit empfindliche Auswirkungen auf die Wasserpreise für Haushalte in ganz Baden-Württemberg haben. „Es wird deutlich teurer werden, da machen wir keinen Hehl daraus“, kündigte Jürgen Zieger, Vorsitzender der BWV, am Rande der Verbandsversammlung an. Zieger ist derzeit auch Chef des zweitgrößten Fernwasserversorgers im Südwesten, der Landeswasserversorgung (LW). Sie versorgt etwa Teile Stuttgarts mit Wasser, hauptsächlich aus dem Donauried. Auch hier stünden hohe Investitionen an, sagte Zieger.
1000 Liter Wasser ksoten rund 2,20 Euro
Damit droht Wasser für rund sieben Millionen Kunden in den kommenden Jahren teurer zu werden. Denn die Wasserpreise, die die Verbands-Unternehmen den Kommunen in Rechnung stellen, geben die örtlichen Stadtwerke meist voll an die Haushalte weiter. Allerdings schlagen sie nicht voll auf die Endkundenrechnungen durch. Der Abgabepreis der Fernversorger beträgt nur ein Viertel bis ein Drittel des Preises von Leitungswasser am Hahn. Im Durchschnitt bezahlen baden-württembergische Haushalte dafür im Moment 2,20 Euro je Kubikmeter. Die BVW stellt ihren Verbandsgemeinden 2019 rund 62 Cent in Rechnung.