Herr Haan, was würden Sie Menschen empfehlen, die früher in Rente gehen wollen?
Den vorzeitigen Renteneintritt oder die Reduzierung seiner Arbeitszeit muss man sich leisten können. Das heißt, man muss früh damit anfangen, privat Geld für die Rente zurückzulegen.
Was raten Sie denen, die sich das nicht leisten können, aber trotzdem keine Lust haben, bis 67 in ihrem Beruf
zu arbeiten?
Man muss sich auch im Alter eine berufliche Flexibilität und die Lust auf Weiterbildung bewahren. Mit 60 ist es für viele Dachdecker schwierig, weiterhin in ihrem Beruf zu arbeiten. Aber vielleicht ist es dann noch möglich, in einem Baumarkt zu arbeiten.
Wie sehr schadet es unserer Volkswirtschaft, wenn Menschen früher in Rente gehen?
Je länger eine Person arbeitet, desto länger zahlt sie ins Rentensystem ein und desto später bezieht sie Rentenauszahlungen. Gerade heutzutage, wo ein Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt besteht, entstehen Lücken, wenn ältere Arbeitnehmer früh in Rente gehen. Für den einzelnen mag das attraktiv sein, aber volkswirtschaftlich ist es wünschenswert, dass möglichst viele Personen bis zum offiziellen Renteneintrittsalter arbeiten.
Wie einfach ist es heutzutage, vorzeitig in Rente zu gehen?
Heute ist es deutlich schwerer, vorzeitig in Rente zu gehen als früher. In Zeiten der Massenarbeitslosigkeit in den 90er-Jahren waren die Unternehmen froh, wenn sie gut bezahlte ältere Beschäftigte losgeworden sind. Und die Politik hatte die Hoffnung, durch Frühverrentung neue Stellen für junge Menschen zu schaffen und dadurch die Jugendarbeitslosigkeit gering zu halten. Das damals sehr beliebte Modell der Altersteilzeit gibt es heute immer weniger, auch weil es staatlich nicht mehr so gefördert wird wie damals.
Wie beurteilen Sie die Rente mit 63?
Im Prinzip finde ich es richtig, wenn Menschen, die lange in die Sozialsysteme eingezahlt haben, früher in Rente gehen können. Allerdings sind viele dieser 63-Jährigen noch recht fit und müssten nicht zwingend abschlagsfrei früher in Rente gehen. Dagegen gibt es andere Beschäftigte, die gesundheitliche Probleme haben, aber nicht in die Erwerbsminderungsrente reinkommen, weil die Hürden dafür relativ hoch sind. Für diese Gruppe müsste man Programme finden, damit sie nicht in die Arbeitslosigkeit oder in die Altersarmut reinrutschen, obwohl sie nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten können. Man könnte den Ärzten bei der Gesundheitsprüfung mehr Freiräume geben, mit ihren Gutachten älteren Menschen eine Frührente zu ermöglichen. Allerdings muss man aufpassen, dass dies kein Tor wird, durch das alle gehen wollen.