Die IG Metall wirft Unternehmen der Automobilzulieferbranche vor, unter dem Deckmantel der konjunkturellen Eintrübung Zukunftstechnologien sowie Arbeitsplätze zusehends ins Ausland zu verlagern. „Neue Produkte, etwa für Elektroantriebe, sollen teilweise nicht mehr im Inland, sondern gleich im Ausland anlaufen“, sagte der baden-württembergische IG-Metall-Vorsitzende Roman Zitzelsberger dem SÜDKURIER. Damit drohe Deutschland als Industriestandort an Zukunftsfähigkeit zu verlieren. „Und es wird voraussichtlich Jobs kosten.“

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In diesen Verlagerungen lägen momentan die größten Risiken für die Beschäftigung, sagte er. Allein durch die konjunkturelle Entwicklung seien sie nicht zu rechtfertigen. „Die Gewinnspannen etlicher großer Zulieferer sind noch immer satt und durchaus mit jenen der Autobauer vergleichbar“, sagte Zitzelsberger, der auch Aufsichtsratsmandate bei Daimler oder beim Motorenbauer RRPS aus Friedrichshafen bekleidet.

Mahle und Conti schließen Werke

In den vergangenen Monaten haben sich die Hiobsbotschaften insbesondere bei Automobilzulieferern gehäuft. Große Unternehmen wie der weltgrößte Automobilzulieferer Bosch, der Ludwigsburger Filterbauer Mann+Hummel, der Blechbearbeiter Allgaier, der Pressenhersteller Schuler aus Göppingen oder die bayerischen Mittelständler Schaeffler oder Brose bauen Jobs in größerem Umfang ab oder haben dies angekündigt.

Beim Mechatronikspezialisten Marquardt in Rietheim-Weilheim werden Azubis an Elektronik-Komponenten ausgebildet.
Beim Mechatronikspezialisten Marquardt in Rietheim-Weilheim werden Azubis an Elektronik-Komponenten ausgebildet. | Bild: Marquardt GmbH

Wie am Donnerstag bekannt wurde, will allein Brose in Deutschland rund 2000 von insgesamt 26.000 Stellen weltweit streichen. Andere Unternehmen wie der Stuttgarter Kolben- und Kühlungsspezialist Mahle oder das Branchenschwergewicht Continental haben zudem die Schließung ganzer Werke angekündigt.

Familienunternehmen Marquardt will Jobs verlagern

Andere Unternehmen wachsen zwar, aber nicht mehr am heimischen Standort. Im Juli wurde bekannt, dass das Familienunternehmen Marquardt bis zu 600 Jobs vom Stammsitz in Rietheim nahe Tuttlingen ins Ausland verlagern will.

Ein milliardenschwerer Auftrag zum Bau von Batteriemanagementsystemen für Porsche soll aus Kostengründen in Ostdeutschland abgewickelt werden. Werden die Pläne umgesetzt, fallen bei dem Mechatronikspezialisten fast die Hälfte der Produktionsjobs in Baden-Württemberg weg.

Bei ZF geht die Angst um

Auch bei der Friedrichshafener ZF geht die Angst vor Arbeitsplatzabbau und Jobverlagerungen um. Ende September demonstrierten rund 5000 ZF-Mitarbeiter vor der Konzernzentrale. Anders als Bosch oder Conti hat ZF zwar noch keine größeren Einschnitte beim Personal angekündigt, der Betriebsrat kritisiert aber seit Monaten, dass neue Werke im Ausland gebaut werden, während die Auslastung inländischer Standorte sinkt.

Eine Conti-Mitarbeiterin fertigt im bayerischen Nürnberg einen Elektromotor.
Eine Conti-Mitarbeiterin fertigt im bayerischen Nürnberg einen Elektromotor. | Bild: DANIEL KARMANN

Im ungarischen Eger fertigt ZF seit Kurzem die brandneue Generation von 8-Gang-Getrieben, die auch in Saarbrücken hätte vom Band laufen können. Und im serbischen Pancevo wird ein neues Werk für Elektroantriebe hochgezogen. Die aktuellen Sparzwänge dürften „nicht zu falschen Weichenstellungen für die Zukunft führen“, warnte ZF-Konzern-Betriebsratschef Achim Dietrich jüngst.

„Wir sehen den Trend, dass einige Zulieferer die aktuell schlechter werdenden Wirtschaftsdaten zum Anlass nehmen, um tiefgreifende Strukturanpassungen einzuleiten“, sagt auch
Baden-Württembergs IG-Metall-Chef Zitzelsberger.

Im Sturm

Technologischer Wandel, Handelsstreit und Brexit: Weltweit spitzt sich die Lage der Autozulieferer laut einer Studie der Berater von Roland Berger und Lazard zu. Mit durchschnittlich sechs Prozent läge die operative Gewinnspanne (Ebit) so niedrig wie seit 2010 nicht. Insbesondere kleine und mittlere Firmen seine gefährdet. Allgemein befinde sich die Branche „im Sturm der Mobilitätswende“. (wro)