Die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen sorgt in Deutschland schon lange für Diskussionen. Wie aktuelle Zahlen zeigen, sind die Unterschiede im Verdienst zum Teil noch immer enorm.
Wie groß ist die Lohnspreizung?
Wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) anhand von Zahlen der Bundesagentur für Arbeit herausgefunden hat, verdienen bundesweit Frauen in Vollzeit-Stellen 13 Prozent weniger als Männer in Vollzeit. In Baden-Württemberg liegt die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen bei 20 Prozent.
Besonders hoch ist der Unterschied laut NGG im Bodenseekreis: Dort bekommen Frauen für die gleiche Arbeitszeit 32 Prozent weniger Geld als Männer. Demnach liegt das durchschnittliche Vollzeit-Einkommen von Frauen im Bodenseekreis bei 3104 Euro im Monat, Männer dagegen kommen auf 4598 Euro – und damit 1500 Euro mehr. Einen größeren Unterschied gibt es in keinem anderen Landkreis im Verbreitungsgebiet: Im Kreis Konstanz liegt der Gender Pay Gap, wie die Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes, bezeichnet wird, bei Vollzeit-Stellen bei 17 Prozent. Im Schwarzwald-Baar-Kreis und im Kreis Sigmaringen sind es 22 Prozent, im Kreis Waldshut 19 Prozent.
Warum schneidet der Bodenseekreis so schlecht ab?
Warum ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen im Bodenseekreis derart schlecht? Verhalten sich die Arbeitgeber dort besonders ungerecht? Aufschluss kann Gabriele Wydra-Somaggio vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geben. Sie vermutet sogar noch einen viel höheren Gender Pay Gap bei Vollzeitangestellten im Bodenseekreis als von NGG festgestellt und erklärt: „Das liegt an der Wirtschaftsstruktur.“
Im Bodenseekreis seien viele große Industriebetriebe zu finden, etwa Maschinenbau- und Autozulieferer sowie Unternehmen aus der Rüstungsindustrie, „die sehr gut bezahlen“. In diesen arbeiten Frauen eher in Verwaltungsjobs, die weniger gut bezahlt werden, „während die Ingenieursjobs eher die Männer besetzen.“ Das sei auch der Grund, weshalb der Gender Pay Gap in Ostdeutschland wesentlich niedriger ist als im Westen: Im Osten fehle es schlichtweg an Industriebasis. Laut dem Statistischen Bundesamt liegt der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen dort um sieben Prozent unter dem der Männer, in Westdeutschland sind es 22 Prozent.
Welche Rolle spielt die Schweiz?
Gabriele Wydra-Somaggio führt noch einen weiteren möglichen Grund für den großen Unterschied in der Bezahlung von Männern und Frauen in Vollzeit im Bodenseekreis an: So seien Männer mobiler als Frauen, also eher bereit, eine größere Strecke zu ihrem Arbeitsplatz zurückzulegen. Durch die Nähe des Bodenseekreises zur Schweizer Grenze ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie in die Schweiz pendeln, wo höhere Löhne locken. Frauen dagegen seien in der Regel weniger mobil, da sie sich oft um ihre Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmern. Außerdem üben Frauen laut Wydra-Somaggio nach wie vor eher soziale Berufe aus, in denen sie weniger Geld verdienen. Pendlerkosten wollen sie deshalb möglichst niedrig halten.
Welche Gründe gibt es noch?
Unabhängig vom Bodenseekreis nennt Petra Martin-Schweizer, Gleichstellungsbeauftragte am Landratsamt Konstanz, weitere Gründe für die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. So sei generell unter anderem der Frauenanteil in Sorgeberufen und in der Sozialarbeit höher als der Anteil der Männer. Ausgerechnet diese Berufe werden aber geringer entlohnt als etwa technische Berufe, „obwohl sie ein ganz wichtiger Beitrag zum Gelingen unserer Gesellschaft sind“, betont Martin-Schweizer.
Außerdem gebe es nach wie vor einen geringeren Anteil von Frauen in Führungspositionen. Und: „Ursache kann auch die Gesprächsführung bei Gehaltsverhandlungen sein. Verhandlungssituationen rufen Rollenerwartungen hervor. Was bei Männern positiv als Durchsetzungsstärke beurteilt wird, wird bei Frauen oft als Arroganz bezeichnet“, beklagt sie. Und die ungleiche Bezahlung habe ungute Folgen, sie führen zusammen mit der ungleichen Verteilung der Erziehung und der Pflege Angehöriger zu einer geringeren Rente der Frauen: „Altersarmut ist weiblich.“
Was können Frauen tun?
Petra Martin-Schweizer fordert: „Generell darf eine unterschiedliche Bezahlung nicht sein.“ Sie rät Frauen, mutiger zu verhandeln und ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Aber nicht nur Frauen müssen handeln: „Eine Gleichberechtigung geht nur gemeinsam“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte. „Wir brauchen die Männer, die verstehen, dass es so nicht weitergehen kann und Männer, die ihrer Verantwortung gerecht werden und bereit sind, das System zu ändern und sich der Gleichstellung von Männern und Frauen anzunähern. Frauen können es nicht alleine lösen, denn Männer sind oft die Entscheidungsträger in den Unternehmen.“