Im futuristisch anmutenden Porsche-Entwicklungszentrum im schwäbischen Weissach, steht ein ziemlich ulkiges Ding herum. Es erinnert wahlweise an einen Bob-Schlitten mit Rädern oder das fliegende Bett des kleinen Häwelmanns. Diesem nicht unähnlich, ist es wegen seiner katastrophalen Gewichtsverteilung zudem quasi unlenkbar.
Bis 2030 sollen 80 Prozent der Porsche-Modelle elektrisch angetrieben sein
Seit einiger Zeit holt Porsche das unförmige Etwas, das vor über Hundert Jahren vom Firmen-Gründer Ferdinand Porsche konstruiert wurde, aber gerne hervor, um Aufbruch zu symbolisieren. Denn der sogenannte Lohner-Porsche, Typ Semper Vivus, hat einen Elektroantrieb. Genauso wie das aktuelle Top-Modell der Zuffenhausener Sportwagenschmiede, der vollelektrische Sportwagen Taycan, der nur wenige Meter entfernt steht. Die Botschaft ist klar: Porsche hat die Elektrifizierung des Antriebs „in der DNA“.

Bis 2030 sollen 80 Prozent der Porsche-Modelle elektrisch angetrieben sein. Innerhalb des Volkswagen-Konzerns, zu dem Porsche seit 2012 gehört, fährt man damit vorneweg Richtung Zukunft. Es gibt aber ein Problem. Es besteht die Gefahr, dass dem Sportwagenbauer die Batterien ausgehen. Zwar entstehen überall in Europa im Rekordtempo sogenannte Zell-Fabriken, in denen bis Ende es Jahrzehnts auch ausreichend Auto-Akkus hergestellt werden können. Allein der Volkswagen-Konzern plant den Aufbau sechs großer Produktionsstätten in Europa. Den speziellen Ansprüchen des Sportwagenbaus genügen die dort gefertigten Einheits-Energiespeicher aber nicht. Sogenannte Hochleistungszellen, seien auf dem Weltmarkt nicht verfügbar, wie Porsche-Chef Oliver Blume in Weissach sagte.
Ladezeiten werden halbiert
Daher nimmt der Sportwagenbauer das Heft jetzt selbst in die Hand. Am Montag kündigte der Konzern den Bau einer Fabrik für Hochleistungs-Batteriezellen an. Standort wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Tübingen, das nur einige Kilometer vom Porsche-Konzernsitz in Zuffenhausen entfernt ist. Damit positioniere man sich „an der Spitze des weltweiten Wettbewerbs um die leistungsfähigste Batteriezelle“, sagte Porsche-Chef Blume. Tübingens OB Boris Palmer ergänzte, die Fabrik, die nach umweltfreundlichen Standards produzieren soll, passe „ganz hervorragend“ zu den ehrgeizigen Klimazielen seiner Stadt.

60 Millionen Euro Subventionen von Bund und Land
Die Technologie wird in Tübingen in einem Gemeinschaftsunternehmen namens Cellforce Group gebündelt, an dem Porsche neben der Fraunhofer-Ausgründung Customcells mit knapp 84 Prozent die Mehrheit hält.
Ab 2024 soll Cellforce in der Universitätsstadt mit zunächst 80 Mitarbeitern Auto-Akkus mit einer Kapazität von 100 Megawattstunden herstellen. Diese könnten auch anderen Edel-Marken im Volkswagen-Konzern zugeliefert werden, hieß es. Rund 60 Millionen Euro stecken Bund und Land in das Projekt. Porsche legt legt eine „hohe zweistellige Millionensumme“ obendrauf.
In Europa sollen 40 Zellfabriken entstehen
Im Vergleich zu den rund 40 Zellfabriken, die in Europa im kommenden Jahrzehnt entstehen werden, ist der Standort zwar klein. Rechnerisch reicht sein Ausstoß, um etwa 1000 E-Flitzer pro Jahr mit Zellen zu versorgen. Allerdings schließt Porsche Erweiterungen nicht aus, sofern sich die Technologie, die zunächst für den Renneinsatz geplant ist, bewähre.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach in Weissach von einer „Riesenchance für Baden-Württemberg“. Maßgeschneiderte Speichertechnologien seien eine Schlüsseltechnologie der Zukunft. Wer sie beherrscht, der sichert Wohlstand und Arbeitsplätze“, sagte der Südwest-Regierungschef.
Porsche und seine Entwicklungspartner, darunter auch der weltgrößte Chemiekonzern BASF, sehen in den Hochleistungs-Batteriezellen eine Chance, der immer noch übermächtigen Konkurrenz aus Asien die Stirn zu bieten. Mit ihren Standard-Zellen beherrschen Konzerne wie Panasonic, Samsung oder CATL aus China den Markt. Deutschland dagegen hat sich in Nischen Kompetenzen erarbeitet. Varta aus dem baden-württembergischen Ellwangen beispielsweise ist Marktführer bei sehr kleinen Lithium-Ionen-Batterien, die etwa in Kopfhörern oder Hörgeräten eingesetzt werden.
E-Autos in gut zehn Minuten vollgeladen
Und Porsches Cellforce-Entwicklungspartner, die Firma Customcells, bezeichnet sich als Marktführer für kundenspezifische Lithium-Ionen-Lösungen, wie sie etwa in Flugtaxis oder auf Yachten zum Einsatz kommen. Man trete nun auf der technologischen Überholspur gegenüber der asiatischen Konkurrenz an, sagte Torge Thönnessen, Forschungs-Chef bei Cellforce am Montag.
Praktische Vorteile wird die Tübinger Zell-Technologie in erster Linie aber für die Porsche-Fahrer haben. „Unser Ziel ist es, die Ladezeiten mithilfe der neuen Hochleistungszellen zu halbieren“, sagte Porsche Forschungs-Vorstand, Michael Steiner, im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Zum Vergleich: Porsches Elektro-Flagschiff Taycan lässt sich in gut 22 Minuten von fünf auf 80 Prozent betanken. Mit der neuen Zell-Generation gehe das dann deutlich schneller, so Steiner.