Als schnelle und unbürokratische Unterstützung kündigte die Landesregierung im Frühjahr 2020 die Soforthilfen an. Diese sollten Unternehmen und Selbstständigen, die vom Corona-Lockdown betroffen waren, unkompliziert ausgezahlt werden, damit sie über die Runden kommen. Doch nach der finanziellen Hilfe folgt für Selbstständige wie Nadja Adam aus Konstanz mehr als eineinhalb Jahre später der Schock. Denn nun muss ein Teil der Hilfen zurückgezahlt werden.

Wurden die Hilfen wirklich gebraucht?

Viele, die gleich im März 2020 die Unterstützung beantragt haben, sind vor den Kopf gestoßen. In einem Brief kündigte die L-Bank das Rückmeldeverfahren an, womit geprüft werden soll, ob die Hilfen rechtmäßig ausgezahlt wurden. Geprüft wird der tatsächliche Liquiditätsengpass, also die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben, die den Unternehmern im Zeitraum bis Juni 2020 entstanden ist. Denn die Angaben in den Anträgen waren ja lediglich Schätzungen, welchen finanziellen Bedarf die Unternehmen in den folgenden Monaten haben würden, heißt es.

Eine Bühne ohne Kinder: Wegen der Corona-Beschränkungen muss Nadja Adam in ihrer Musikschule auf viele Angebote verzichten, wie zum ...
Eine Bühne ohne Kinder: Wegen der Corona-Beschränkungen muss Nadja Adam in ihrer Musikschule auf viele Angebote verzichten, wie zum Beispiel die traditionelle Aufführung der Kinder an Weihnachten. | Bild: Julia Kipping

Doch dass es überhaupt zu einer Rückzahlung kommen könnte, davon sind viele nicht ausgegangen. Nadja Adam ist Betreiberin einer Musikschule in Konstanz und unterrichtet dort vor allem Kinder und Jugendliche – wenn es die geltenden Corona-Bestimmungen zulassen. „Am Anfang hieß es, man könne das Geld behalten“, sagt sie. Davon berichten auch andere Selbständige. Von einer Rückzahlung sei damals nicht die Rede gewesen. Nun kann sie von den zügig ausgezahlten 3540 Euro voraussichtlich noch 900 Euro behalten.

„Ich bin dankbar, dass wir in einem Sozialstaat leben und Unterstützung bekommen. Und auch dafür, dass ich die 900 Euro behalten darf“, sagt die Selbstständige, die sich ihre Musik-Insel seit zwölf Jahren aufgebaut hat. Aber sie ärgert sich über die Kommunikation.

Viele Angebote sind weggebrochen

Adam hatte gleich zu Beginn des ersten Lockdown einen Antrag für die Soforthilfen gestellt. Denn für sie war klar, dass in den kommenden Monaten viele Einkünfte wegbrechen würden. Der Musikunterricht fand nur noch online statt. Ihre anderen Angebote, wie Kurse in Altenheimen, Kindergärten und Schulen, das Singen auf Hochzeiten, Studio-Aufnahmen oder das Ausrichten von Kindergeburtstagen, brachen ganz weg. Durch den Distanzunterricht am Bildschirm sprangen zusätzlich Schüler ab. Also gab sie in dem Antrag all die Umsätze an, die wegen der Pandemie nun wegfallen würden, und ging damit von einer ganz anderen Grundlage als die L-Bank aus.

Die Stifte werden derzeit nicht gebraucht – auch die Musik-Insel ist in den Weihnachtsferien.
Die Stifte werden derzeit nicht gebraucht – auch die Musik-Insel ist in den Weihnachtsferien. | Bild: Julia Kipping

Dass nur die Liquiditätsengpässe abgedeckt würden, sei von Vornherein klar gewesen, teilt das Wirtschaftsministerium in Baden-Württemberg zu den Bedingungen der Unterstützung mit. Mit den Soforthilfen haben Landes- und Bundesregierung die Betriebe im Land schnell und effektiv stützen wollen. Dafür sei die Soforthilfe als möglichst unbürokratisches Notfallprogramm aufgelegt worden, sagt Pressesprecherin Lena Mielke.

„Akute krisenbedingte Liquiditätsengpässe“ seien so ausgeglichen worden, um die Existenz von Selbstständigen und kleinen Unternehmen zu sichern. Rund 2,1 Milliarden Euro seien dafür ausbezahlt worden.

Alle Angaben werden geprüft

Das Ministerium betont, dass die Soforthilfe grundsätzlich nicht zurückbezahlt werden müsse – wenn sich die geschätzten Angaben mit den tatsächlichen decken würden. Ob der Anspruch auf die Hilfen in vollen Umfang bestand, das solle jetzt das Rückmeldeverfahren der L-Bank überprüfen, begründet Mielke die Briefe der Landesbank.

Nadja Adam rechnet vor, wie ihre Musikschule seit Beginn der Pandemie aufgestellt ist.
Nadja Adam rechnet vor, wie ihre Musikschule seit Beginn der Pandemie aufgestellt ist. | Bild: Julia Kipping

So unbürokratisch die Auszahlung der Hilfen gewesen sein mag, umso aufwendiger zeigt sich aus Sicht von Nadja Adam das Rückmeldeverfahren. Eine halbe Steuererklärung sei das gewesen. Sie habe die Daten – auch aus Kostengründen – ohne Steuerberater zusammengetragen. Nun wartet sie auf die Rückmeldung der Bank. Das Wirtschaftsministerium geht davon aus, dass der Bescheid mit der Rückforderung frühestens ab März 2022 verschickt wird. Darin wird dann der zurückzuzahlende Betrag festgesetzt.

Die Rückforderungen erreichen viele Kleinunternehmer und Selbstständige zu einem Zeitpunkt, an dem sie wieder einmal mit Sorge in die Zukunft blicken. Legte die Corona-Pandemie im Sommer eine Pause ein, ist nun kurz vor Weihnachten wegen der hohen Infektionszahlen das Leben wieder eingeschränkt. Der Zugang zu Geschäften ist durch die 2G-Regel erschwert, die Konsumlaune bei den Deutschen auch kurz vor Weihnachten gedämpft. Viele leiden unter den fehlenden Umsätzen und fragen sich, wie lange sie das noch durchhalten können.

Zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, hat das auch beobachtet: „Die Stimmung liegt nicht selten irgendwo zwischen Verzweiflung, Resignation und der Hoffnung, irgendwie durchzukommen.“ Und durch die Virus-Variante Omikron ist nun völlig unklar, wie das Geschäftsleben im kommenden Jahr aussehen wird. Der Hinweis des Wirtschaftsministeriums auf eine Stundung oder Ratenzahlung der Rückzahlungen dürfte nach fast zwei Jahren Ausnahmezustand für viele nur ein schwacher Trost sein.

Laut L-Bank haben einige Unternehmen schon vor dem Verfahren zu viel erhaltene Beträge zurückgezahlt. Demnach sind bis Anfang Dezember rund 20.600 Rückzahlungen in Höhe von rund 157 Millionen Euro eingegangen. Davon berichtet auch die IHK Hochrhein-Bodensee. „Die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer können die Unterstützung in vollem Umfang behalten. Einige haben bereits früh nachgeprüft, festgestellt, dass die Hilfe im Rückblick zu hoch war, und den zu viel erhaltenen Betrag bereits zurückbezahlt“, sagt Alexander Vatovac, Geschäftsführer für den Bereich Unternehmensfinanzierung, Gründung und Nachfolge.

Keine Schüler, keine Einnahmen – auch die Musikschule muss mit Umsatzrückgängen kämpfen.
Keine Schüler, keine Einnahmen – auch die Musikschule muss mit Umsatzrückgängen kämpfen. | Bild: Julia Kipping

Vatovac räumt ein, dass vor allem Unternehmen, die die Hilfen bereits im März 2020 beantragt hätten, Unklarheiten herrschen. „Die Soforthilfe war ein Hilfsprogramm, das mit heißer Nadel gestrickt wurde. So wurden die Antragsbedingungen und das Antragsformular nach dem Start des Hilfsprogramms geändert und angepasst. Geändert wurde aber nie, dass es bei den Hilfen um den Liquiditätsengpass und nicht um den Umsatzausfall ging.“

Auch bei Nadja Adam nehmen die Existenzsorgen zu. Ein Teil ihres Geschäftsmodells ist durch die neuen Einschränkungen wieder weggebrochen. Außer den Soforthilfen hat sie keine weitere staatliche Unterstützung beantragt, da ein Steuerberater ihr gesagt habe, dass es ihr nichts nützen würde. Also ging sie an ihr Erspartes, das mit andauernden Einschränkungen immer weiter schmilzt.

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Zusätzlich hat sie im Sommer den Umzug in neue, größere Räume gewagt, als sich ihr in Konstanz eine seltene Gelegenheit bot. Die höhere Miete belastet sie zusätzlich. Von den 220 Schülern – die jüngsten sind zwei Jahre, die ältesten bereits im Seniorenalter – springen durch die Einschränkungen und Unterrichtsausfälle immer wieder welche ab.

Der Blick in die Zukunft ist eher düster und macht Adam Angst. Sie geht von 500 Euro aus, die ihr nun monatlich fehlen werden – wenn ein neuer Lockdown kommt, könnten es bis zu 1000 Euro sein. „Ich wirtschafte monatlich ins Minus. Wenn ich auf mein Erspartes schaue, kann ich mir ausrechnen, wie lange ich das durchhalte.“