Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) kommt direkt auf den Punkt: „Wenn es uns nicht gelingt, innerhalb kürzester Zeit verteidigungsfähig zu werden, besteht die Gefahr, dass wir angegriffen werden.“ Mit diesen Worten eröffnet die baden-württembergische Wirtschaftsministerin die Veranstaltung „Krisenfest – Wirtschaft in der Gesamtverteidigung“ im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen.
Wirtschaft als zentraler Pfeiler der Abschreckungsarbeit
Dass die Veranstaltung am Bodensee stattfindet, ist kein Zufall. Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bodensee-Oberschwaben ist die Koordinierungsstelle für Gesamtverteidigung angesiedelt. Sie soll als Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Militär agieren. Die Veranstaltung, die von den IHKs und dem Wirtschaftsministerium des Landes ausgerichtet wird, soll informieren, wie sich Unternehmen auf den Krisenfall vorbereiten können.
Warum die IHK Bodensee-Oberschwaben die Führung übernommen hat, dazu sagt Hoffmeister-Kraut gegenüber dem SÜDKURIER: „Die Region hat viele Unternehmen, die im Bereich Sicherheit und Verteidigung tätig sind. Dadurch ist auch das Bewusstsein dafür hier in der Region noch ausgeprägter.“
Durch die zunehmenden geopolitischen Spannungen müsse alles daran gesetzt werden, mehr innere Sicherheit zu erreichen, so die Wirtschaftsministerin. Es gehe darum, die Wirtschaft auf einen militärischen Ernstfall vorzubereiten, sodass diese auch dann noch handlungsfähig bleiben könne.

IHK-Präsident Martin Buck findet bei seiner Rede ähnliche Worte. Die Wirtschaft sei einer der zentralen Pfeiler einer glaubhaften Abschreckung und Verteidigungsarbeit. Durch den Ukrainekrieg und spätestens seit den Drohungen der USA, sich aus der Nato zurückzuziehen, sei klar geworden, dass die Friedensdividende vorbei sei.
Besonders Leistungs- und Lieferketten bedroht
Immer wieder fällt während der Veranstaltung das Wort Resilienz und wie wichtig diese in der Wirtschaft sei. Stephan Gundel ist Chefexperte beim Schweizer Ingenieur- und Planungsunternehmen Gruner. Er bezeichnet in seinem Vortrag Resilienz als die Fähigkeit von Unternehmen, sich rasch von unvorhergesehenen Ereignissen zu erholen, oder: „Einmal mehr aufzustehen, als man umfällt.“

Für Unternehmen sieht er vier zunehmende Bedrohungen: Spionage, Sabotage, Aktivismus und – für ihn der gefährlichste Punkt – die Gefährdung von Leistungs- und Lieferketten. Er rät den Gästen aus der Wirtschaft: „Analysieren Sie ihre Leistungsketten bis zum Endkunden. Denn was ist, wenn dieser im Baltikum sitzt und plötzlich von Putin einkassiert wird?“
Ein nicht völlig aus der Luft gegriffenes Szenario, wie Nicole Hoffmeister-Kraut in ihrer Rede anklingen lässt. Natürlich hoffe sie, dass es nie zum Ernstfall komme – aber: „Von diesem gehen viele Experten aus, wenn wir nicht verteidigungsfähig werden“, so die Wirtschaftsministerin.
IHK hilft Unternehmen dabei, krisensicher zu werden
Um Unternehmen dabei zu unterstützen, hat die IHK Bodensee-Oberschwaben ein Resilienzformat geschaffen. „Ein Ziel ist es, dass Unternehmen im Krisenfall 72 Stunden autark funktionieren können“, erklärt Tim Bartsch von der Koordinierungsstelle für Gesamtverteidigung. Mit dem Format wolle die IHK die Sicherheitskultur und Resilienz als Standortvorteil etablieren. Perspektivisch solle das Format in ganz Deutschland angeboten werden.