Eigentlich hätte Stefan Forster allen Grund missmutig zu sein. „Die Parkuhr wird das gleiche Schicksal erleiden wie die Telefonkabine“, sagt der Chef des Schwarzwälder Parkuhrenbauers Hectronic. „Sie wird aussterben.“

Zehn Jahre „oder ein bisschen mehr“ gibt Forster den silbergrau glänzenden Automaten noch. Dann werden die Geräte, die den Mitarbeitern der Bonndorfer Firma über Jahrzehnte ein gutes Auskommen gesichert haben, allmählich aus dem öffentlichen Raum verschwinden.

Mehrere Tausend Ticket-Automaten verlassen derzeit noch jedes Jahr die Werkshallen des deutschen Marktführers. Ersetzt werden Sie in Zukunft aber wahrscheinlich durch Apps, die jeder auf seinem Handy gespeichert hat. „Das mobile Bezahlen wird sich im gesamten Mobilitätssektor durchsetzen“, ist Forster überzeugt.

Nervendes Zettelziehen am Automaten vorbei

Zwar sind weltweit erst rund fünf Prozent der kostenpflichtigen Parkplätze digital vernetzt, aber der Trend geht klar zum Zahlen am mobilen Endgerät. In den europäischen Leitmärkten – den Niederlanden und Großbritannien – werden bereits heute 70 bis 80 Prozent der Parkvorgänge digital abgewickelt. Und auch in Deutschland entschließen sich immer mehr Kommunen, Parkuhren durch App-Lösungen zu ersetzen.

Hectronic-Chef Stefan Forster zeigt einen Handy-gesteuerten Park-Automaten.
Hectronic-Chef Stefan Forster zeigt einen Handy-gesteuerten Park-Automaten. | Bild: Rosenberger, Walther

Die Vorteile? Die Kommune oder der Parkhausbetreiber kann sich die Kosten für teure Apparate sparen. Und der Autofahrer freut sich, beim Parken nicht erst zum Automaten und wieder zurück laufen zu müssen oder sich bei der Einfahrt ins Parkhaus zu verrenken, um den Zettel abzuziehen.

Die Handy-App erkennt ganz einfach, wo man steht und rechnet minutengenau ab, sobald man wieder losgefahren ist. Einzig die Eingabe des Nummernschilds ist nötig, um bei Kontrollen auf der sicheren Seite zu sein. Forster meint: „Die Bequemlichkeit wird siegen. Das ist doch ganz klar.“

Panikattacken im Management

Dass der Trend für Hectronic alles andere als bequem, sondern sogar ungemütlich werden könnte, schwante dem 50-jährigen Elektroingenieur des längeren. Vor fünf bis sechs Jahren habe die Entwicklung im Hectronic-Management „für Panikattacken gesorgt“, sagt der gebürtige Schweizer. „Auch ich hatte damals Sorge, das alles könnte uns einfach überrollen“, sagt er.

Ziemlich schnell war nämlich klar, dass die Entwicklung langfristig die Kernkompetenz des Mittelständlers – den Bau komplexer, zuverlässiger und nahezu unzerstörbarer Park- und Abrechnungsautomaten – massiv gefährden, mithin das gesamte Geschäftsmodell obsolet machen könnte.

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Das ingenieurgetriebene Unternehmen tat damals aber, was es immer schon am besten konnte. Man setzte sich zusammen und ließ die Köpfe rauchen. Am Ende des Prozesses stand eine Strategie, die die Digitalisierung in den Fokus nahm.

Wenig später präsentierte der Mittelständler mit seinen rund 350 Beschäftigten die deutschlandweit erste Bezahl-App für Tankstellen. Aus dem Anfangsprojekt hat sich mittlerweile eine eigene Digitalabteilung mit sieben Mitarbeitern entwickelt. Der Chef der Truppe, Sven Stottmeier, bezeichnet sie als Hirn des digitalen Aufbruchs bei Hectronic.

Rund 30 Software-Ingenieure

Die oft jungen Mitarbeitern sitzen in einem Neubaugeschoss im Bonndorfer Stammsitz. Dem Team arbeiten 22 Software-Ingenieure beim einem rumänischen Entwicklungspartner zu. Man hätte die Spezialisten auch gerne im eigenen Haus angesiedelt, sagt Stottmeier. Deutsche Software-Experten zu einem Mittelständler in den Südschwarzwald zu locken, sei aber nahezu unmöglich.

Firmenzentrale von Hectronic in Bonndorf im Schwarzwald. Der Abrechnungsspezialist und Apparatebauer sattelt zusehends auf Software um. ...
Firmenzentrale von Hectronic in Bonndorf im Schwarzwald. Der Abrechnungsspezialist und Apparatebauer sattelt zusehends auf Software um. Experten in den Schwarzwald zu locken, ist aber schwer. | Bild: Hectronic

Die Bandbreite der neuen Hectonic-Produkte kann sich sehen lassen. Sie reicht von Kamerasystemen zur Nummernschilderkennung über Cloud-Lösungen zur Parkzeitüberwachung und Verkehrssteuerung bis hin zum digitalen Strafzettel.

Sogar mit dem Zulieferriesen ZF Friedrichshafen arbeitet man bei der Entwicklung von Auto-Bezahlsystemen zusammen. Eine neue Generation von kleinen Einfach-Automaten zum kontaktlosen Bezahlen per Handy, soll für die Kommunen als Brücke ins Digitalzeitalter dienen.

Firma organisiert sich neu

Ambidextrie – also Beidhändigkeit – nennt Firmen-Chef Forster das neue Organisationsprinzip seiner Firma. Der Begriff beschreibt das nebeneinander der traditionellen Geschäftsbereiche mit der Start-Up-Atmosphäre in der Digital-Truppe. Sieht man sich am Bonndorfer Stammsitz des Unternehmens um, wird schnell deutlich, wie er das meint.

Im Metall- und Apparatebau, wo die Parkuhren entstehen, riecht es nach Maschinenöl. Fräsen zerspanen Metallteile und die Mitarbeiter tragen Blaumann.

Klassische Ticket-Automaten-Fertigung bei Hectronic im Schwarzwald.
Klassische Ticket-Automaten-Fertigung bei Hectronic im Schwarzwald. | Bild: Hectronic

Die Büros in der Digital-Abteilung erinnern eher an Google als an badischen Mittelstand. Die Inneneinrichtung rangiert irgendwo zwischen Lufthansa-Lounge und Bälle-Bad bei McDonalds.

Man brauche diese Unterschiede, sagt Forster. Auch um zu verdeutlichen, das hier etwas Neues entstehe. Gleichzeitig gehe es darum, das Innovationstempo auch bei den klassischen Produkten wie den Parkautomaten hochzuhalten. „Unser Erfolg wird wesentlich davon abhängen, das Bestehende weiterzuentwickeln“, sagt der gebürtige Schweizer.

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Insbesondere im Heimatmarkt Deutschland setzen die Kunden indes durchaus noch auf herkömmliche Technologien. Manchmal auch so stark, dass Forster ins Grübeln kommt, ob der Aufbruch ins Digitalzeitalter in den Amtsstuben der Kommunen schon angekommen ist.

Jüngst habe die Stadt München 1450 Parkautomaten bei Hectronic bestellt, sagt er. Als einzige Zahlungsmittel wollten die Stadtkämmerer für die neuen Automaten Münzen.