Der Krieg in der Ukraine geht demnächst in sein drittes Jahr, im Konflikt zwischen Israel und der Hamas ist kein Ende in Sicht, am Horn von Afrika spitzt sich die Lage zu, und die Bundeswehr braucht selbst dringend neues Material. Für die Rüstungsindustrie in Baden-Württemberg bedeutet das volle Auftragsbücher.

Neben den Küstenregionen Deutschlands, wo Marinewerften angesiedelt sind, Bayern und Nordrhein-Westfalen, wo sich Panzerbauer und die Luftfahrtindustrie ballen, ist der Südwesten eine Kernregion der bundesweit etwa 136.000 Mitarbeiter zählenden Branche.

Der wirtschaftliche Schwerpunkt liegt im Südwesten auf Zulieferbetrieben für die großen militärischen Systemdienstleister wie Rheinmetall, Blohm+Voss, dem Panzerbauer KNDS oder Airbus sowie spezialisierten Mittelständlern. Eine Übersicht, welche Firmen im Land von der konfliktträchtigen Weltlage profitieren – unten im Text finden Sie genauere Informationen zu den einzelnen Firmen.

 
 

Munition/Kleinwaffen/Ausrüstung

Junghans

Das immer konfliktträchtigere Weltgeschehen wirkt sich positiv auf die Auftragslage der Rüstungsbranche im Südwesten aus. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Schwarzwälder Mittelständler Junghans Microtec zusammen mit einem französischen Partner einen Milliarden-Auftrag zur Lieferung von Artilleriemunition von der Nato erhalten hat.

Konkret geht es nach Nato-Angaben um die Lieferung von mehr als 220.000 Stück Artilleriemunition, wie sie beispielsweise von der deutschen Panzerhaubitze 2000 verschossen werden kann. Diese ist derzeit in der Ukraine im Einsatz. Junghans sehe sich einer „gestiegenen Nachfrage“ durch die Bundeswehr und von Nato-Partnern gegenüber, sagt ein Firmensprecher.

Das in Dunningen-Seedorf ansässige Unternehmen, eine Tochter des Diehl-Konzerns, ist ein Spezialist für militärische Zünder aller Art – von Artilleriegranaten über Raketen bis hin zu Torpedos.

Zusammen mit einer in Frankreich ansässigen Gesellschaft erwirtschaftete man zuletzt mit rund 700 Mitarbeitern 200 Millionen Euro Jahresumsatz. Durch die jüngst unterzeichneten 1,1 Milliarden Euro schweren Munitionsverträge wird der Erlös in den kommenden Jahren wohl deutlich ansteigen.

Ein Bundeswehrsoldat leert das Magazin mit Übungsmunition bei einer Panzerhaubitze 2000: Der Waffentyp ist derzeit in der Ukraine im ...
Ein Bundeswehrsoldat leert das Magazin mit Übungsmunition bei einer Panzerhaubitze 2000: Der Waffentyp ist derzeit in der Ukraine im Einsatz. Bislang fehlt es aber an Munition. | Bild: Daniel Löb, dpa

Heckler&Koch

Auch Waffen des Haus-und-Hof-Lieferanten der Bundeswehr für Gewehre, Heckler & Koch (HK), werden in die Ukraine geliefert, allerdings in geringerem Umfang als man vermuten könnte.

Mit mehreren Tausend Stück stammt das Groß an Sturmgewehren für die Ukrainische Armee vom Thüringer Konkurrenten Haenel. HK ist mit einer dreistelligen Anzahl an Maschinengewehren und Granatwerfern auf den ukrainischen Schlachtfeldern präsent.

Der Bund hat der Ukraine klassische Handfeuerwaffen aus deutscher Produktion zur Verfügung gestellt. Allerdings schwerpunktmäßig vom ...
Der Bund hat der Ukraine klassische Handfeuerwaffen aus deutscher Produktion zur Verfügung gestellt. Allerdings schwerpunktmäßig vom Thüringer Büchsenbauer Haenel. Von Heckler & Koch sind dort schwere Maschinengewehre im Einsatz. | Bild: Nicolas Armer, dpa

Rheinmetall

Der Düsseldorfer Konzern ist in Baden-Württemberg mit mehreren Werken und Tochterfirmen vertreten. „Unsere Werke sind größtenteils ausgelastet“, sagt ein Rheinmetall-Sprecher. Hier mache sich „die Zeitenwende“ deutlich bemerkbar.

Am Standort Stockach werden nach Angaben des Sprechers Gefechtshelme für die Bundeswehr, aber auch Laser-Zielsysteme für Handwaffen und Feuerleitvisiere für Granat-Maschinengewehre hergestellt – letztere beiden Systeme wurden „in niedrigen vierstelligen Stückzahlen“ auch in die Ukraine geliefert.

Lazarett-Ausrüstung

Rheinmetall

Vom Werk in Meckenbeuren aus liefert Rheinmetall nach Angaben eines Sprechers Feldlazarette in die die Ukraine. Drei Notfall-Krankenhäuer sind fest beauftragt. Und Rheinmetall rechnet mit weiteren Aufträgen. Ähnliche Lazarett-Container hat auch Airbus in Immenstaad im Programm, bisher aber nicht in die Ukraine geliefert.

Karl Storz

Der Endoskopie-Spezialist aus Tuttlingen gab Ende 2023 bekannt, die Bundeswehr mit 50 Untersuchungsräumen für Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen auszurüsten. Der Großteil davon sei bereits installiert, sagte eine Sprecherin. Im HNO-Bereich würden damit die Tuttlinger Systeme zum bundesweiten Standard in Bundeswehrkrankenhäusern, so eine Karl-Storz-Sprecherin.

Landstreitkräfte

Die Ukraine verfügt über Leoparden aus deutscher Produktion. In ihnen arbeiten MTU-Triebwerke vom Bodensee.
Die Ukraine verfügt über Leoparden aus deutscher Produktion. In ihnen arbeiten MTU-Triebwerke vom Bodensee. | Bild: FEDERICO GAMBARINI, dpa

Rolls-Royce-Power-Systems

Der Ukraine-Krieg gleicht einem klassischen Landkrieg. Militärischem Gerät wie Panzern kommt daher hohe Bedeutung zu. Eine dem SÜDKURIER vorliegende Lieferliste der Bundesregierung zur Unterstützung der Ukraine mit Waffen listet mehr als 345 Panzerhaubitzen, Kampf-, Schützen- und Flugabwehrpanzer auf, die bereits an die Ukraine geliefert wurden oder auf dem Weg dorthin sind. Dazu Dutzende Pionier-Panzer und schwere gepanzerte Radfahrzeuge.

Dem Friedrichshafener Unternehmen Rolls-Royce-Power-Systems – kurz RRPS – kommt in diesem Kontext große Bedeutung zu. RRPS ist Spezialist für Panzermotoren der Markte MTU und Exklusivausstatter für den Standard-Kampfpanzer Leopard der Bundeswehr sowie weitere Typen wie den den Puma, den Marder, dem Flak-Panzer Gepard oder den Radpanzer Boxer.

In diesem Bereich brummt es nun, nach jahrelange Auftragsflaute. „Wir haben die Fertigungs-Kapazitäten bereits 2023 deutlich erweitert und eine neue Produktionslinie aufgebaut. Zudem haben wir die Ersatzteilversorgung wieder auf neue Beine gestellt“, sagte dem SÜDKURIER jüngst RRPS-Vorstandschef Jörg Stratmann. 

In Zukunft werde man im Verteidigungsbereich „deutlich mehr Aufträge sehen“ als bislang. Bei der Nennung konkreter Stückzahlen ist RRPS zurückhaltend. Aus Branchenkreisen verlautet aber, dass in Friedrichshafen nun pro Jahr bis zu 200 neue Panzermotoren vom Band laufen können.

Daimler Trucks

Ebenfalls auf der Ukraine-Lieferliste vertreten ist der Stuttgarter Lkw-Bauer Daimler-Truck mit Militär-Lkw vom Typ Zetros. Rund 400 der speziell für den Geländeeinsatz entwickelten Trucks sind nach Daten des Bundes in der Ukraine im Einsatz oder werden dorthin geliefert.

Flach und gepanzert. Der Zetros ist ein schwerer Truck von Daimler, der für Sondereinsätze und das Militär konzipiert ist. Hunderte ...
Flach und gepanzert. Der Zetros ist ein schwerer Truck von Daimler, der für Sondereinsätze und das Militär konzipiert ist. Hunderte davon sind in der Ukraine im Einsatz. | Bild: Daniel Löb, dpa

Luftverteidigung

Diehl

Gut im Geschäft ist derzeit der Nürnberger Mischkonzern Diehl. Die Verteidigungssparte des Unternehmens, Diehl Defence, ist in Überlingen am Bodensee ansässig und liefert zusammen mit internationalen Partnern eines der derzeit begehrtesten Waffensysteme überhaupt – die Mehrzweck-Rakete Iris-T.

Sie stellt die Standard-Bewaffnung von Kampfflugzeugen wie dem Eurofighter dar, wird in abgeänderter Form aber auch als Flugabwehrsystem (Iris-T-SLM) auf Lkw montiert. Nach Daten der Bundesregierung sind aktuell drei komplette Iris-T-SLM-Systeme in der Ukraine im Einsatz.

Zum Preis der High-Tech-Waffen schweigt das Unternehmen. Kreisen zufolge werden für eine komplette Batterie aber durchaus dreistellige Millionenbeträge fällig. Zudem schloss Diehl Ende 2023 mit dem Bund einen Rahmenvertrag zur Lieferung von 1200 Iris-T Lenkflugkörper für Deutschland.

Der Stückpreis geht geschätzt in die Hunderttausende Euro. Früheren Angaben zufolge könnte sich die Rüstungs-Sparte innerhalb des Diehl-Konzerns in diesem Jahr zum umsatzstärksten Pfeiler der Gruppe entwickeln.

Ein Raketenabwehrsystem vom Typ Iris-T steht auf dem Firmengelände von Diehl Defence. Die Ukraine entsprechende Flugabwehrsysteme vom ...
Ein Raketenabwehrsystem vom Typ Iris-T steht auf dem Firmengelände von Diehl Defence. Die Ukraine entsprechende Flugabwehrsysteme vom Bodensee erhalten. Iris-T stellt auch die Standardbewaffnung des Eurofighter dar. | Bild: Christoph Schmidt, dpa

Hensoldt

Direkt vom Iris-T-Auftrag profitiert auch der Radar-Spezialist Hensoldt. Das bayrische Unternehmen, dessen größter Entwicklungsstandort aber im baden-württembergischen Ulm angesiedelt ist und das auch in Oberkochen und Immenstaad am Bodensee Werke hat, liefert als Folge des Ukraine-Kriegs nach Angaben des Stuttgarter Wirtschaftsministeriums Hochleistungsradare aus, die die Iris-T-Abwehrsysteme ergänzen.

Kampfjets

Airbus

Airbus-Kampfjets werden zwar noch nicht in die Ukraine geliefert, allerdings wurden in den vergangenen Monaten wichtige Weichenstellungen getroffen, die Euro-Fighter-Standorten in Süddeutschland zu Gute kommen.

Anfang Januar gab die Bundesregierung ihren Widerstand zur Lieferung von Eurofightern nach Saudi-Arabien auf. Davon könnte etwa der Airbus-Standort in Immenstaad profitieren. Dort wird etwa Feuerleit-Elektronik für den Jet entwickelt wird.

Ein Kampfjet Eurofighter der Bundeswehr auf dem Fliegerhorst Laage. Der Jet ist das Rückgrat der Landesverteidigung in der Luft. 35.000 ...
Ein Kampfjet Eurofighter der Bundeswehr auf dem Fliegerhorst Laage. Der Jet ist das Rückgrat der Landesverteidigung in der Luft. 35.000 Jobs hängen deutschlandweit an ihm. Durch neue Aufträge, etwa an Saudi-Arabien, werden die Airbus-Werke in den kommenden Jahren wohl besser ausgelastet. | Bild: Jens Büttner, dpa

Northrop Grumman Litef

Beim 500-Mitarbeiter-Unternehmen Northrop Grumman Litef in Freiburg läuft die zentrale Flug-Steuereinheit des Eurofighters vom Band. Eine Sprecherin des Unternehmens bezeichnet die Navigationseinheit als „eines der wichtigsten Bauteile des Jets“. Sie kann nicht durch andere Hersteller ersetzt werden.

In Folge der angekündigten Neuaufträge für den Airbus aus Saudi-Arabien, aber auch aus anderen Ländern wie Katar, rechnet man bei Litef mit „deutlich steigenden Auftragseingängen“. Details will man nicht nennen.

Rheinmetall

Von künftigen Eurofighter-Aufträgen wird auch Rheinmetall in Oberndorf am Neckar profitieren. Die Firmen-Tochter Waffe und Munition – die ehemaligen Mauser-Werke – fertigt dort die Bordkanone des Eurofighter. Sie gehört zur Standardbewaffnung des Jets.