Wenn die Deutschen Wasser trinken, dass muss es sprudeln. Rund 80 Prozent des konsumierten Mineralwassers ist hierzulande mit Kohlensäure versetzt. Doch die ist derzeit Mangelware.

Warum das auch Brauereien bereits zu Produktions-Stopps zwingt, Bauern einen Schweinestau in ihren Ställen befürchten und was das alles mit der Gas-Krise zu tun hat: Das sind die Zusammenhänge.

Was hat die Gas-Krise mit Kohlensäure zu tun?

Die Herstellung von Düngemitteln ist sehr energieintensiv, deshalb haben die meisten deutschen Düngemittelhersteller ihre Produktion aufgrund der gestiegenen Gaspreise gedrosselt.

Bei der Produktion von Düngemitteln entsteht als Nebenprodukt Kohlenstoffdioxid, also CO2. Wenn CO2 mit Wasser reagiert, bildet sich Kohlensäure, die beispielsweise Mineralwasser zugesetzt ist.

„Derzeit ist auf dem Markt nur noch etwa 30 bis 40 Prozent der benötigten Menge an CO2 verfügbar“, sagt Maik Hünefeld, Sprecher beim Verband deutscher Mineralbrunnen. Erste CO2-Lieferanten melden bereits „Force Majeure“, das heißt, sie liefern mit Verweis auf höhere Gewalt nicht mehr die vereinbarten Mengen zu vereinbarten Zeiten.

Süffiges Schankbier auf einem Volksfest: Mehr CO2 steckt in prickelndem Pils. Ist es damit bald vorbei?
Süffiges Schankbier auf einem Volksfest: Mehr CO2 steckt in prickelndem Pils. Ist es damit bald vorbei? | Bild: Felix Hörhager, dpa

Für die Herstellung welcher Lebensmittel braucht man CO2?

Der Bundesverband der deutschen Ernährungsindustrie nennt drei wesentliche Bereiche: Einmal die Hersteller von Erfrischungsgetränken, die Kohlensäure enthalten oder sie für Produktionsprozesse brauchen. Dann wird CO2 in Treibhäusern eingesetzt, damit die Pflanzen schneller wachsen.

Und die Fleischwirtschaft nutzt CO2, um viele Schweine vor dem Schlachten gleichzeitig betäuben zu können. Außerdem werden Fleisch- und Milchprodukte mithilfe von CO2 länger haltbar gemacht.

Gibt es bald nur noch stilles Mineralwasser statt Sprudel?

„Wir sind stark alarmiert“, sagt Maik Hünefeld vom Verband Deutscher Mineralbrunnen. Einzelne der 150 Abfüller in Deutschland hätten bereits ihre Produktion stoppen müssen, weil die Kohlensäure fehle. „Das ist jetzt aber sicher kein Grund, Mineralwasser zu horten“, sagt Maik Hünefeld. Es könne in den nächsten Monaten aber passieren, dass nicht immer überall alle Sorten kohlesäurehaltiger Mineralwasser verfügbar seien.

Die Bad Dürrheimer Mineralbrunnen erklären auf SÜDKURIER-Nachfrage, dass sie aktuell noch genügend CO2 hätten. „Unsere Lieferanten haben aber schon signalisiert, dass die Verfügbarkeit künftig schwieriger werden kann“, sagt Michael Neuenhagen, Marketingleiter bei Bad Dürrheimer Mineralbrunnen.

Das Logo der Brauerei Rothaus im gleichnamigen Ortsteil von Grafenhausen im Schwarzwald. Dort entsteht das beliebte Bier.
Das Logo der Brauerei Rothaus im gleichnamigen Ortsteil von Grafenhausen im Schwarzwald. Dort entsteht das beliebte Bier. | Bild: Patrick Seeger, dpa

Und wie sieht es beim Bier aus?

Beim Gärprozess selbst entsteht genügend Kohlenstoffdioxid. Brauereien brauchen zusätzliches CO2 vor allem für die Herstellung von Radler. „Außerdem muss alles, wo Bier hineinkommt, vorher mit CO2 gespült werden, also Drucktanks, Fässer und Flaschen“, sagt Annette Hoh, Marketingleiterin bei der Brauerei Max Leibinger in Ravensburg.

So wird verhindert, dass das Bier schäumt und mit Luft in Kontakt kommt, was sich nachteilig auf den Geschmack auswirken würde. Noch könne man bei Leibinger gut vom CO2-Bestand zehren. „Auch die Lager mit unseren Bieren sind gut gefüllt“, so Hoh. Wäre kein CO2 mehr da, müsste die Produktion allerdings still stehen, so wie es bei einigen bayerischen Brauereien seit einigen Tagen bereits der Fall ist.

Auch die Ruppaner Brauerei in Konstanz antwortet: „Noch sind wir gut versorgt.“ Ganz entspannt beobachtet dagegen die Badische Staatsbrauerei Rothaus im Südschwarzwald die CO2-Sorgen vieler Konkurrenz-Brauereien.

Das könnte Sie auch interessieren

Der Grund: Aus Umwelt- und Klimaschutzgründen wurde dort das CO2-Management technisch bereits so umgestellt, dass der betriebliche CO2-Bedarf vollständig aus den eigenen Gärprozessen gedeckt werden kann.

Denn eigentlich entsteht beim Brauen mehr als genug Kohlenstoffdioxid – man muss es nur auffangen. „Wir sind dadurch unabhängig von der aktuellen Marktlage. Und wir verkaufen sogar überschüssiges CO2 aus unserer Produktion an die Kolleginnen und Kollegen in der Branche“, sagt Ann-Kristin Lickert von der Badischen Staatsbrauerei Rothaus.

Weil CO2-Betäubungsgas zur Schweineschlachtung fehlt, machen sich die Schlachthöfe Sorgen, ob es zu Engpässen bei Fleisch kommen könnte.
Weil CO2-Betäubungsgas zur Schweineschlachtung fehlt, machen sich die Schlachthöfe Sorgen, ob es zu Engpässen bei Fleisch kommen könnte. | Bild: Jens Büttner, dpa

Was machen die Schweinbauern, wenn sie kein CO2 mehr haben?

Schweine werden in den Kellern von Schlachthöfen in CO2-Seen betäubt, bevor sie getötet werden. Hier Bolzenschussgeräte einzusetzen, wie etwa bei Kühen, würde sich allein aufgrund der großen Zahl der Tiere dem Bundesverband der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) zufolge als nicht machbar gestalten.

Der Verband der deutschen Fleischwirtschaft warnt deshalb vor einem Schweinestau in den Ställen, sollte das CO2 knapp werden. „Die Schweine werden schnell zu groß für den Stall und haben zu wenig Platz und Bewegung. Noch dazu drängen schon die nächsten Jungtiere in die Ställe, die dann aber nicht frei sind“, so Heike Harstick, die Hauptgeschäftsführerin des Verbands der Fleischwirtschaft. Als Folge würden weniger Jungtiere aufgezogen – und Schweinefleisch knapper.

„Kein Kunstdünger, kein CO2, kein Schweinefleisch“, fasst Oliver Numrich vom BVE die wirtschaftlichen Zusammenhänge zusammen. Tierschützer und Veterinäre fordern seit Jahren eine Abschaffung der CO2-Betäubung. Inzwischen fördert die EU die Erforschung tierschutzkonformerer Alternativen – bislang jedoch ohne konkretes Ergebnis.