„Auch wir schreiben weniger“, sagt Martina Schneider und zeigt auf ihren Laptop. Dabei sind Kugelschreiber ihr Geschäft. Doch E-Mails und Präsentationen am Bildschirm sind in der digitalisierten Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Dagegen sperrt sich auch der Stiftehersteller Schneider im Schwarzwald nicht. Aber wenn immer weniger Menschen zum Kuli greifen und ihre Gedanken mit dem Stift aufschreiben, hat das Familienunternehmen dann noch eine Zukunft?
„Digitalisierung wird Stifte nicht verdrängen“
Davon ist Martina Schneider fest überzeugt. „Ich glaube nicht, dass die Digitalisierung Schreibgeräte bald überflüssig macht.“ Die Handschrift lasse sich nicht einfach durch Computer ersetzen, sagt die 35-Jährige, die für die Bereiche Umwelt und Kommunikation zuständig ist.
Klar, kommt an der Digitalisierung niemand vorbei, doch bei Schneider in Tennenbronn bei Schramberg werden laufend neue Farben und Stifte entwickelt, produziert und auf den Markt gebracht. Produkte, die auf das neue Nutzungsverhalten abgestimmt sind: Für eine schnelle Unterschrift muss der Stift sofort anschreiben.

Und die finden immer noch Abnehmer, sagt die Enkelin des Firmengründers Christian Schneider. „Stifte haben weiterhin ihre Berechtigung.“ Wer mit der Hand schreibe, könne sich das Aufgeschriebene besser merken. Studien belegen, dass das Gehirn beim Schreiben mit der Hand aktiver ist als mit dem Computer und mehr Sinne angesprochen werden. Auch für die Entwicklung der Feinmotorik und das Rechtschreibverständnis von Kindern spielt die Handschrift demnach eine große Rolle.

Die ersten Kugelschreiber für Deutschland
Christian Schneider war vor über 70 Jahren Pionier in Deutschland. Er war ein Tüftler, erzählt seine Enkelin und sorgte dafür, dass Kugelschreiber auf dem deutschen Markt zum Erfolg wurden. Begeistert griff er die Entwicklung aus Amerika auf, investierte und entwickelte an einer Drehmaschine die ersten Kugelschreiberminen von Schneider. Mit Erfolg: 1954 ist Schneider nach eigenen Angaben der führende Hersteller von Kugelschreiberminen.
Das hat sich laut Martina Schneider auch heute nicht geändert. „In der Spitzenfertigung, also der Metallverarbeitung, sind wir einer der Vorreiter in der Branche.“ So würde das Unternehmen auch für Konkurrenten weiterhin Spitzen produzieren. Allerdings will sich das Unternehmen künftig mehr auf die eigenen Produkte konzentrieren und weniger andere Hersteller beliefern.
Seit 1958 wird auch das Kunststoffgehäuse der Kugelschreiber im Schwarzwald produziert. Drei Millionen Schreibgeräte laufen heute täglich bei Schneider vom Band, rund 300 Millionen im Jahr, sagt Martina Schneider. Rund 104 Millionen Euro Umsatz hat das Unternehmen im Jahr 2020 erwirtschaftet, allerdings nicht nur mit Stiften, sondern auch mit Einnahmen durch den Verkauf von Lizenzprodukten anderer Bürowarenhersteller. Das Unternehmen ist weiterhin in Familienhand: Ihr Bruder Christian ist gemeinsam mit Frank Groß Geschäftsführer.
Schneider – Produktion und Geschichte des Familienunternehmens
Neue Stifte für Kreative
Heute setzt Schneider neben dem Bürosegment auf den Kreativbereich. Martina Schneider geht davon aus, dass Trends wie Malbücher für Erwachsene und bestimmte Entschleunigungsmethoden, für die man einen Stift braucht, noch an Bedeutung gewinnen werden. „Wir sehen daher für den globalen Schreibgerätemarkt optimistisch in die Zukunft.“
Hier haben sich die Schwarzwälder mit Hilfe der eigenen Tintenproduktion mehr Kompetenzen aufbauen können. Die „Makersline“, bei der es zum Beispiel Fasermaler in Metallicfarben gibt, soll dem etwas biederen Auftreten der Konkurrenz entgegentreten. Und die Strategie scheint aufzugehen: Die Kunden nehmen Schneider auch im Kreativbereich an, sagt die Unternehmenssprecherin. Für die kommenden Jahre rechnet der Schreibgerätehersteller in diesem Segment mit mehr Wachstum.

Kooperation mit Molotow bei Graffitifarben
Außerdem kooperiert der Stiftehersteller seit ein paar Jahren mit der Firma Molotow aus Lahr im Schwarzwald. Molotow ist unter Graffitikünstlern eine bekannte Marke. Nun soll die Partnerschaft beide Unternehmen weitervoranbringen. Molotow profitiert von Schneiders Wissen rund um die Produktion. Schneider wiederum bekommt besseren Zugang und Informationen über eine neue Zielgruppe.
„Wir sind Marktführer in Deutschland“
Denn auf dem Schreibgerätemarkt ist Schneider zwar gut positioniert, sagt Martina Schneider, aber die Konkurrenz ist auch gut aufgestellt. Den Markt teilt sich das Unternehmen, das rund 630 Mitarbeiter beschäftigt, mit großen Marken wie Edding, Farber Castell, BIC, Stabilo oder Staedler – alles traditionsreiche Schreibgerätehersteller. „Aber im Bereich Marken-Kugelschreiber sind wir Marktführer in Deutschland“, sagt die Kommunikationschefin.

Schneider habe sich gut im mittleren Preissegment etabliert. Zwischen 50 Cent und fünf Euro kosten die Kugelschreiber laut Martina Schneider. „Wir können viel ausprobieren, weil wir fast alle Teile für die Schreibgeräte selbst machen.“ Alle Produkte tragen deshalb die Kennzeichnung „Made in Germany“. In den 17 Produktionsabteilungen wird daran gearbeitet, dass nichts tropft, ausläuft oder schmiert.

Doch auch die beste Technologie nützt nichts, wenn die Stifte oder die Kunden nicht in den Laden kommen oder es keine Läden mehr gibt. Immer mehr kleine Fachhändler und Papeterien geben auf, sagt Martina Schneider mit Bedauern. Die Corona-Pandemie hat das nochmal beschleunigt. Große Kaufhäuser oder Drogerien sowie Onlinehändler sind nun wichtige Abnehmer für das Stiftesortiment.

„Der Onlinehandel hat viel geholfen, steht aber leider auch oft in Konkurrenz zum Fachhandel“, äußert sich Schneider nachdenklich. Während Corona wurde zwar viel zuhause gebastelt und gemalt, doch durch die Beschränkungen kamen längst nicht so viele Kunden in die Läden. Onlinehändler wie Amazon profitierten davon und nahmen Schneider zu guten Preisen viel Ware ab. „Es ist schwierig da das Gleichgewicht zu halten.“