Jeden Monat 1200 Euro aufs Konto, drei Jahre lang, steuerfrei und ohne Abgaben, einfach so. Für Elisabeth Ragusa ist es wie ein Hauptgewinn. Viel Geld hatte die 29-Jährige aus der Nähe von Freiburg in ihrem Leben bislang nie zur Verfügung. Nun nimmt sie an einer Studie zum bedingungslosen Grundeinkommen teil und bekommt monatlich reichlich Geld überwiesen. Tun muss sie dafür nichts, lediglich ein paar Fragebögen beantworten.

Michael Bohmeyer, Initiator des Vereins „Mein Grundeinkommen“, steht an einem symbolischen Geldautomaten, im Hintergrund das ...
Michael Bohmeyer, Initiator des Vereins „Mein Grundeinkommen“, steht an einem symbolischen Geldautomaten, im Hintergrund das Reichstagsgebäude. Nach einem langen Auswahlverfahren bekommen 122 Menschen in Deutschland für die Studie drei Jahre ein monatliches bedingungsloses Grundeinkommen von 1200 Euro. | Bild: Jörg Ratzsch, dpa

Wer verschenkt denn so viel Geld? Der Verein „Mein Grundeinkommen“ will in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) herausfinden, welchen Einfluss so ein Grundeinkommen auf das Verhalten der Empfänger hat. Was wäre, wenn jeder monatlich ein festes Einkommen zur Verfügung hat, bedingungslos? Handeln und empfinden die Menschen dann anders?

„Werden alle satt und faul?“

Die Diskussion zu dem Thema beschäftigt die Wissenschaft schon lange. Nun möchten die Forscher die Gelegenheit nutzen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und Vermutungen empirisch zu untermauern oder zu widerlegen. „Werden alle satt und faul?“, nennt Jürgen Schupp, der beim DIW das Projekt wissenschaftlich leitet, eines der gängigsten Klischees. „Wir wollen das genau wissen. In wie weit verändern die Teilnehmer ihre Lebenssituationen durch die Zahlungen?“

Jürgen Schupp will herausfinden, wie sich Menschen verändern, wenn sie regelmäßig Geld überwiesen bekommen, das sie ausgeben dürfen, ...
Jürgen Schupp will herausfinden, wie sich Menschen verändern, wenn sie regelmäßig Geld überwiesen bekommen, das sie ausgeben dürfen, wofür sie möchten. | Bild: Ben Groß

Finanziell möglich macht die Studie der Verein „Mein Grundeinkommen“. Dessen Gründer Michael Bohmeyer sammelt Spenden, um das Projekt umzusetzen. Dieses ist für ihn die Konsequenz aus dem, was der Verein sonst tut. Schon über 1100 Grundeinkommen – zwölf Monate lang jeweils 1000 Euro – wurden über die Internetseite verlost. Das Geld dafür kommt von rund 140.000 privaten Spendern.

122 von zwei Millionen Bewerbern wurden ausgewählt

Die Homepage der Initiative ist voll von Menschen, die erzählen, wie das Geld ihr Leben geändert hat, wie es ihnen den nötigen Freiraum für eine Veränderung verschafft hat. Diese Geschichten sollen nun auf eine wissenschaftliche Basis gestellt werden, sagt Bohmeyer. Außerdem soll überprüft werden, ob die Aussagen auch nach einer Dauer von drei Jahren noch zutreffen.

Mehr als zwei Millionen Bewerber hatten sich für die Studie beworben. Am Ende wurden 122 von ihnen ausgewählt, darunter auch Elisabeth Ragusa. Doch wie geht es ihr nun mit dem zusätzlichen Geld auf dem Konto? Was hat sich in den vergangenen zehn Monaten für sie verändert?

„Was wäre gewesen, wenn es wirklich ein Grundeinkommen geben würde?“, fragt sich Elisabeth Ragusa. Die 29-Jährige wäre ...
„Was wäre gewesen, wenn es wirklich ein Grundeinkommen geben würde?“, fragt sich Elisabeth Ragusa. Die 29-Jährige wäre vielleicht einen ganz anderen Weg gegangen. | Bild: Natalie Graf

Mehr Sicherheit und Geld für die Rente

Vor allem Sicherheit. Das ist es, was das Geld der jungen Frau aus Emmendingen gibt. Das Wissen, es ist immer genug Geld da. Auch wenn sie den Job verliert, kann sie die Miete weiter zahlen. „Ich gehe viel entspannter an die Sachen ran“, schildert Elisabeth Ragusa die Veränderungen.

Diese finanzielle Sicherheit war ihr im Leben bislang fremd. Ihre Mutter ist alleinerziehend und in Frührente. „Meine Mama würde gern, kann aber nicht“, schildert sie ihre Situation. Also machte Elisabeth Ragusa nach der Schule eine Ausbildung zur Industriekauffrau, um selbst Geld zu verdienen.

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Ein Studium war nicht finanzierbar. „Eigentlich wollte ich immer Lehrerin werden.“ Aber auch mit eigenem Einkommen ist es ein ständiges Abwägen gewesen, ob sie Essen gehen oder sich den neuen Pullover kaufen soll. Rücklagen für später konnte sie nicht bilden.

Das hat sich nun geändert. Da sie sich um die finanzielle Sicherheit in der Zukunft sorge, setze sie die Zahlungen aus der Studie hauptsächlich für ihre Rente ein, sagt die 29-Jährige. Die Altersarmut trifft vor allem Frauen. Ihr soll das später nicht passieren. „Ich sorge selber vor, investiere und beschäftige mich viel mit dem Thema Geld.“

Das bedingungslose Grundeinkommen ist an keine Bedigungen geknüpft. Wer es bekommt, darf es ausgeben wofür er möchte.
Das bedingungslose Grundeinkommen ist an keine Bedigungen geknüpft. Wer es bekommt, darf es ausgeben wofür er möchte. | Bild: Monika Skolimowska, dpa

Der Initiator der Studie, Michael Bohmeyer ist überzeugt, dass so ein bedingungsloses Grundeinkommen viel bewirken kann. Die Menschen müssten weniger kämpfen, gegen den sozialen Abstieg, gegen die Existenzangst, um Anerkennung bei der Arbeit. Die ganze Gesellschaft könnte seiner Ansicht nach davon profitieren. Es bleibe Raum, auch an andere zu denken, sich sozial zu engagieren. Und das wiederum mache glücklich.

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Unterstützung für das Studium der Schwester

Glücklich wirkt auch Elisabeth Ragusa. Sie freut sich, dass sie ihre sieben Jahre jüngere Schwester, die gerade mit einem Sinologie-Studium in Freiburg begonnen hat, unterstützen kann. „Meiner Schwester soll es besser gehen als mir“, erzählt sie. Dass dieses Geld ihr jetzt parallel zum Studium gezahlt werde, sei eine richtige Erleichterung. „Ich wüsste nicht, wie ich es besser investieren sollte.“ Ihre Schwester solle sich aufs Studium konzentrieren können und sich keine Gedanken darüber machen, wie sie die Miete bezahlen kann.

Michael Bohmeyer (links), Initiator des Vereins “Mein Grundeinkommen„, und Jürgen Schupp vom Deutschen Instituts für ...
Michael Bohmeyer (links), Initiator des Vereins “Mein Grundeinkommen„, und Jürgen Schupp vom Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin bei einer zu der Studie “Mein Grundeinkommen„ zum Start einer Langzeitstudie zum Grundeinkommen. | Bild: Wolfgang Kumm,dpa

Ihre Arbeit in einer Etikettendruckerei macht Elisabeth Ragusa gerne. Einen Grund etwas zu ändern gibt es derzeit nicht, sagt 29-Jährige. Viele Entscheidungen habe sie in der Vergangenheit aus einem finanziellen Aspekt heraus getroffen. Aber zumindest während der Studie möchte sie nicht unter Druck entscheiden, sondern einfach so, wie sie es gerade möchte.

Diese Ruhe lässt sie über den Alltag hinausblicken. Sie hat etwas an ein Frauenhaus gespendet und Freunde, die sie immer unterstützt haben, zum Essen eingeladen. Aber sie gibt das Geld auch für ihre Freizeit aus, für einen Kurztrip übers Wochenende zum Beispiel.

Von wegen faul und satt – Elisabeth Ragusa geht trotz Grundeinkommen weiter ihrem Job nach und überlegt sogar noch einmal ...
Von wegen faul und satt – Elisabeth Ragusa geht trotz Grundeinkommen weiter ihrem Job nach und überlegt sogar noch einmal studieren zu gehen. | Bild: Natalie Graf

Um festzustellen, was sich bei den Studienteilnehmern verändert, müssen sie im Abstand von sechs Monaten ausführliche Fragebögen über ihre Lebenssituation beantworten. Die Analyse von Haarproben soll untersuchen, ob sich was am Stresslevel der Personen ändert. „Wir wollen so untersuchen, welche Auswirkungen das Geld auf die mentale Gesundheit und die Zufriedenheit der Teilnehmer hat“, erläutert Jürgen Schupp.

Das Ergebnis der Studie sei völlig offen, betont Schupp, die wissenschaftliche Untersuchung unabhängig. „Die Studie wird auch nicht alle Fragen zum Grundeinkommen beantworten können“, sagt er. „Aber wir können einen Beitrag zu der Debatte liefern.“ Ungeklärt wird etwa bleiben, wie sich Menschen verhalten, die ihr Leben lang so ein Einkommen beziehen, nicht nur drei Jahre.

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