Zwei Jahre lang wurde der Lippenstift wenig beachtet, führte unter der Corona-Maske ein Schattendasein. Einige Frauen verzichteten ganz darauf, sich die Lippen zu schminken. Wofür auch, wenn es keiner sieht? Doch nun – mit dem Wegfall der Maskenpflicht – ist er zurück!

In Frankreich schnellte der Absatz von Lippenstiften in der Woche nach dem Ende der Maskenpflicht im März laut Marktforschungsunternehmen NKD um 35 Prozent in die Höhe. Und auch die deutschen Frauen stürzen sich wieder auf Kosmetika für das Gesicht. Das bestätigte Sebastian Raetz, Geschäftsführer der Parfümerie Gradmann 1864 mit elf Standorten im Südwesten.

Sebastian Raetz, Geschäftsführer Parfümerie Gradmann 1864
Sebastian Raetz, Geschäftsführer Parfümerie Gradmann 1864 | Bild: Kipping, Julia

„Dank Frühling und dem Ende der Maskenpflicht haben die Kundinnen wieder Lust auf Farbe“, sagt Raetz in Konstanz. „Die Maske hat die Frauen davon abgehalten Make-up zu kaufen.“ So sei der Umsatz mit Produkten der sogenannten dekorativen Kosmetik, wie Nagellack, Rouge oder eben Lippenstift, in der Pandemie deutlich zurückgegangen.

Nach Corona-Flaute Branche im Aufwind

Das ging Händlern deutschlandweit so. Durch die Pandemie blieben die Menschen in Jogginghosen im Homeoffice und trugen höchstens für Videokonferenzen ein wenig Make-up auf. Laut des zuständigen Industrieverbands Körperpflege- und Waschmittel (IKW) brachen die Umsätze der Kosmetikbranche im vergangenen Jahr ein. Die dekorative Kosmetik verzeichnete in Deutschland einen Umsatzrückgang von 7,2 Prozent.

Doch jetzt ist die Nachfrage nach entsprechenden Produkten groß. Bei Lippenstiften gilt etwa: Die Farben sollten bunt und knallig sein, sagt Franziska Bantle, Mitarbeiterin bei Gradmann. Aber auch Pastelltöne seien gefragt.

„Auch wir bekommen von den Herstellern die Rückmeldung, dass die Nachfrage für bestimmte Kosmetikprodukte, wie aus dem Bereich der dekorativen Kosmetik, wieder anzieht“, bestätigt Birgit Huber, stellvertretende Geschäftsführerin beim IKW den Trend.

Farben für die Lippen.
Farben für die Lippen. | Bild: Kipping, Julia

So sei der Umsatz für Lippenstift & Co bereits in den Monaten Januar und Februar 2022 um 4,1 Prozent angestiegen, zitiert Huber das Marktforschungsinstitut GfK. „Raus aus dem Homeoffice, Freunde und Familie treffen und wieder ausgehen“, fasst sie die aktuellen Bedürfnisse der Deutschen zusammen. Das schlage sich auch in den Umsätzen von Düften (plus 114,5 Prozent), Haarstyling (plus 24,4 Prozent) und Rasieren (plus 4,1 Prozent) nieder.

„Ein klein wenig Luxus“

Raetz freut sich, dass die Kundenströme zunehmen. „Die Kundinnen haben wieder Lust sich beraten zu lassen und sich etwas Luxus zu gönnen“, sagt er. Denn auch Beratungen kamen wegen der Masken, die das halbe Gesicht bedecken, zu kurz. Nun sei nach zwei Jahren Pandemie die Sehnsucht da, sich mit einem neuen Duft und tollen Makeup zu belohnen.

Doch das Vorkrisenniveau sei noch nicht wieder erreicht, sagt der zweite Vorsitzende der Interessengemeinschaft der Konstanzer Händler Treffpunkt Konstanz, der 96 Mitarbeiterinnen beschäftigt. Vor allem Kunden aus der Schweiz würden an den Standorten in Konstanz und Singen fehlen. „Und die machten einmal fast die Hälfte aus.“ Raetz vermutet, dass viele der Nachbarn noch verunsichert sind, welche Corona-Regeln nun in Deutschland herrschen.

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Doch mit dem Frühling kommen auch die Touristen und die haben zumindest auf der nördlichen Bodenseeseite in Überlingen, Lindau und Friedrichshafen für gute Geschäfte gesorgt. „Das hat in diesem Jahr recht früh angezogen, weil die Menschen wieder raus wollen.“

Ohne Maske sieht man geschminkte Lippen wieder.
Ohne Maske sieht man geschminkte Lippen wieder. | Bild: Kipping, Julia

Als Optimist blickt Raetz positiv nach vorne. Anders als andere Branchen sind Lieferschwierigkeiten derzeit kein Thema, da in Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland produziert werde. Und auch die Preiserhöhungen seinen bislang nicht so drastisch.

Mit Maske wurden Augen betont

Seine Mitarbeiterinnen freuen sich, dass wieder mehr Kunden kommen – ob mit oder ohne Maske. „Als alle Maske getragen haben, lag der Fokus auf den Augen“, erklärt Franziska Bantle. Die Augen wurden mit Wimperntusche und Lidschatten betont.

Aber auch die Düfte passen sich der leichteren Stimmung an. Sie haben sich während der gesamten Pandemie verkauft. Aber nun gingen die schweren Düfte des Winters und würden abgelöst, sagt Franziska Bantle. Durch frischere, fruchtigere und belebendere Düfte – nach der Maskenpflicht.