Einen Preis dafür zu bekommen, dass man als Frau erfolgreich ein Unternehmen gegründet hat? „Das klingt schon irgendwie ein bisschen lächerlich“, sagt Maria Birlem. Trotzdem freut sich die Co-Gründerin von Yuri, einer Firma aus Meckenbeuren, die Mini-Labore für die Forschung im Weltall zur Verfügung stellt, riesig über den Female Founder Award der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland, den sie gerade gewonnen hat.

Denn Birlem weiß: Nach wie vor sind nur knapp 19 Prozent der Unternehmens-Gründer in Deutschland weiblich. Erstmals seit vielen Jahren ist der Anteil einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge sogar leicht rückläufig. Als einen Grund nennen die Autoren der Studie: fehlende Vorbilder. Als einen weiteren: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Im Loft von Yuri in einem Industrieviertel von Meckenbeuren macht derzeit eine Schülerin Praktikum. Und sieht: Es geht auch anders. Ihre Chefin Maria Birlem hat sich nicht nur für den sehr männerdominierten Studiengang Luft- und Raumfahrtechnik entschieden – übrigens nur, weil es mit der Bewerbung als erste weibliche Luftwaffenpilotin bei der Bundeswehr nicht klappte. Sondern auch ihren sicheren, gut bezahlten Arbeitsplatz beim Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus in Friedrichshafen aufgegeben, um eine eigene Firma zu gründen. Und nebenbei ist die 43-Jährige auch noch Mutter dreier Kinder.

Mini-Labor bei Yuri in Meckenbeuren
Mini-Labor bei Yuri in Meckenbeuren | Bild: Martin Wagenhan

Weshalb Maria Birlem durch den Female Founder Award gern als positives Beispiel dafür ins Sichtfeld rutscht, dass man in Deutschland nicht nur als Frau erfolgreich gründen, sondern gleichzeitig auch eine Familie haben kann. „Natürlich ist das eine Herausforderung, aber eben auch eine schöne“, sagt Maria Birlem. Ohnehin sei es für sie nie eine Frage gewesen, den Job für die Familie aufzugeben. „Ich bin in der ehemaligen DDR aufgewachsen, da war es ganz normal, dass Mütter Vollzeit gearbeitet haben“, sagt sie.

Zusammen mit ihrem Co-Gründer Christian Bruderrek hat Maria Birlem sich bei Yuri eine Arbeitsatmosphäre geschaffen, die ihren Vorstellungen entspricht: ausrangierte Kästen und Medizinbälle aus einer Turnhalle laden zu sportlichen Pausen ein. In der großen, offenen Küche kochen die rund 30 Mitarbeiter abwechselnd Mittagessen für alle. „Und sicher arbeite ich abends mal lang oder am Wochenende. Dafür kann ich tagsüber aber auch mal flexibel weg“, sagt Maria Birlem.

Wenn es etwas zu entscheiden gibt, dann wird entschieden. „Das sind keine langen Prozesse mit tausend Unterschriften“, sagt Maria Birlem. Die Erfahrung, bei einem Großunternehmen durch die viele Bürokratie im eigenen Arbeitstempo ausgebremst zu werden, war ein Grund, weshalb Birlem und Bruderrek ihre Stellen bei Airbus im Jahr 2019 aufgaben. „Denn eigentlich wollte ich nie eine eigene Firma haben“, sagt sie und lacht.

Die amerikanische NASA-Astronautin Nicole Ayers mit einem Yuri-Forschungslabor auf der ISS.
Die amerikanische NASA-Astronautin Nicole Ayers mit einem Yuri-Forschungslabor auf der ISS. | Bild: Nasa

Was sie aber wollte, war an ihrer Vision festhalten, die sie seit der ersten Klasse nicht mehr loslässt, als sie den Astronauten in Yuri Gagarin in ihrem Lesebuch entdeckt: die Schwerelosigkeit zu erforschen und ihre Vorteile auch auf der Erde nutzbar machen.

„Das Weltall ist eine sehr harsche Umgebung. Wir haben eine hohe Strahlung, kein Tag und Nacht, kein oben und unten“, sagt Maria Birlem. Das alles führt dazu, dass sich Zellen dort ganz anders entwickeln als auf der Erde. Zunutze machen können sich das etwa Pharmaunternehmen, die an neuen oder verbesserten Medikamenten forschen. Wissenschaftler, die Bakterien dazu bringen möchten, Öl zu fressen, um damit Ölteppiche zu bekämpfen. Oder Firmen, die für die Zucht von proteinreichen Algen als Nahrungsmittel nach dem idealen Ausgangsmaterial suchen.

„Solche wissenschaftlichen Experimente auf eine Raumstation ins Weltall zu bringen ist sehr anspruchsvoll, bürokratisch und teuer“, sagt Maria Birlem. Yuri hat nun Mini-Labore entwickelt, welche Firmen zu diesem Zweck ausleihen können – und zwar verbunden mit all den damit zusammenhängenden Dienstleistungen. „Wir kümmern uns um den Transport in die USA, einen Platz in einer Rakete, die Raumstation“, nennt Maria Birlem einige Punkte. In diesem Bereich als Wissenschafts-Taxi fürs Weltall habe sich Yuri sehr gut etabliert. Aus bisherigen Aufträgen wurde hier ein Umsatz von 10 Millionen Euro generiert. Weitere Geschäftszahlen gibt das Unternehmen nicht heraus.

Wo das Start-up zuletzt einen Dämpfer hinnehmen musste, war die eigene Forschung. „Das mussten wir ein wenig zurückstellen und auch Mitarbeiter entlassen“, sagt Maria Birlem. Ihre große Vision aber bleibt es, irgendwann mit Yuri im Weltall das Drucken von Organen zu ermöglichen.

„In einem Labor auf der Erde wachsen Zellen wegen der Schwerkraft flach“, erklärt Maria Birlem. Im Weltall dagegen sei statt einem zweidimensionalen ein dreidimensionales Wachstum möglich. „Daraus kann dann beispielsweise ein Herz entstehen“, sagt Maria Birlem.

Noch aber ist all das Zukunftsmusik, über die Maria Birlem an diesem Tag auch nicht mehr Worte verlieren mag. Es ist Mittagszeit, zu Hause warten die Kinder. Und für die Schülerpraktikantin ist es ein ganz alltägliches Bild, dass die Chefin dann mit ihrem Fahrradanhänger nach Hause radelt. Und später wieder ins Büro kommt.