Als der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan Ende der 1980er Jahre gefragt wurde, was für ihn der schlimmste Satz überhaupt sei, soll er geantwortet haben: „Hi, ich bin von der Regierung und will dir helfen.“ Damit sprach der ultraliberale Reagan vielen seiner Landsleute aus der Seele.
Heute, fast 35 Jahre später, würden das wohl nur noch wenige unterschreiben – zumal auf dem europäischen Kontinent. Denn nicht nur in den USA, insbesondere in Europa hat sich der Staat mit Macht zurückgemeldet. Bei der Krisenbekämpfung lässt er die Muskeln spielen, verteilt Wohltaten und gibt Billionen aus. Im Moment ist er so stark wie vielleicht noch nie.

Renaissance des Staates
Dass es so kommt, war lange keine ausgemachte Sache. Weniger Staat und mehr Markt war in den letzten beiden Jahrzehnten des alten Jahrtausends die vorherrschende Doktrin. Und noch in den Nuller-Jahren dieses Jahrhunderts brachte eine SPD-geführte Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder „den kranken Mann Europas“, wie Deutschland damals genannt wurde, mit liberal angehauchten Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsreformen auf Vordermann. Ziel war es, angesichts desaströser Konjunkturdaten den Haushalt zu stabilisieren, staatliche Transfers zurückzufahren und so die Eigenverantwortung zu stärken. Helfen sollte der Staat nicht mehr immer und überall.
Kümmern um fast alles und jeden
Heute ist man davon weit entfernt. In den vergangenen 15 Jahren haben Regierung und Institutionen ihre selbst auferlegte Zurückhaltung bei Eingriffen in Wirtschaft und Gesellschaft abgelegt und sind zu einer Art Helikopter-Staat geworden, der sich um fast alles und jeden kümmert.

Egal ob in der Finanz-, der Euro-, Corona-, Klima- oder in der Ukrainekrise mit ihren drastischen Verwerfungen im Energiesektor – das Portemonnaie weit zu öffnen, ist zur Leitmaxime geworden. Die Staatsquote, also das Verhältnis zwischen dem, was der Staat ausgibt und was seine Bürger erwirtschaften, hat im Jahr 2021 mit knapp 52 Prozent einen Rekordwert erreicht.
Mehr als jeder zweite Euro in Deutschland wird mittlerweile von öffentlichen Haushalten benötigt, um ihre ständig wachsenden Aufgaben zu erledigen. Parallel dazu hat die Staatsverschuldung Höchststände erreicht. Mit rund 2,3 Billionen Euro im Jahr 2021 hat sie sich in den vergangenen zwanzig Jahren fast verdoppelt – und angesichts einer anstehenden Klimakatastrophe, die massive Investitionen in den Umbau der Wirtschaft verlangt, wird es so weitergehen.

Der von laxer Geldpolitik im Euroraum begleitete Geldregen produziert Mitnahmeeffekte, die sich das Land auf Dauer nicht leisten kann. In der Corona-Krise haben Deutschlands Konzerne durch Kurzarbeitergeld Hunderte Millionen Euro an Löhnen gespart und 2021 wieder Milliardengewinne ausgewiesen. Und wer es als Gastronom oder Gewerbetreibender geschickt angestellt hat, konnte mit den üppigen November- und Dezemberhilfen seinen normalen Jahresgewinn weit übertreffen.
6000 Euro vom Staat für den dritten SUV
Den Bürgern wiederum werden ab Juni wegen der Preisrallye an Tankstellen bis zu 30 Cent je Liter erlassen – auch wenn sie drei SUVs in der Garage stehen haben. Diese sind, sofern elektrisch betrieben, sowieso schon mit bis zu 6000 Euro vom Staat bezuschusst worden.
Permanente Krisen und die daran anknüpfende Dauer-Intervention des Staates haben im Land etwas verändert. Hilfe vom Staat zu bekommen, ist in den Augen vieler fast schon zu einer Art Bringschuld geworden – unabhängig davon, ob objektive Härten vorliegen. Das „too big to fail“, also die Systemrelevanz von Firmen oder Interessengruppen, die seit der Finanzkrise staatliche Rettungspakete rechtfertigt, wird immer kleinteiliger ausgelegt.
So unentbehrlich wie das aus Sicht der Betroffenen sein mag, es ist auch gefährlich. Denn es lähmt die Selbstverantwortung und Eigeninitiative von Wirtschaft und Bürgern. Und die bleibt die Grundlage auch der sozialen Marktwirtschaft. Dass der Staat individuelle Lebens- oder Geschäftsrisiken an sich zieht, geht nur in begrenzten Ausnahmelagen, keinesfalls auf Dauer.
Das eigentliche Problem der Spendierfreude aber ist, dass sie viel tieferliegende Strukturprobleme kaschiert. Diese betreffen insbesondere die Verteilungsgerechtigkeit. Ein immer stärker umverteilender Staat schafft es seit Jahren dennoch nicht, eine gerechtere Gesellschaft hervorzubringen.
Arme werden ärmer, Reiche profitieren
Im Gegenteil: Seit sich das Land im Krisenmodus befindet, ballt sich das Kapital zusehends bei den Wohlhabenden, während Mittelschicht und Ärmere verlieren. Echte Reformen, die die Probleme vom Grundsatz her angehen, bleiben aus. Statt dessen kreist der Staats-Helikopter und wirft Geld ab. Sofern es nicht komplett wirkungslos bleibt, weil der Wind es wegweht, landet es dann oft am falschen Platz.