Der Schramberger Leiterplattenspezialist Schweizer Electronic kann im letzten Moment sein tief in den roten Zahlen steckendes China-Geschäft weitgehend verkaufen. Wie das Unternehmen bereits am vergangenen Freitag mitteilte, stockt der chinesische Wus-Konzern seine bereits bestehende Beteiligung an einem riesigen Leiterplattenwerk in China erheblich auf 70 Prozent auf. Die Wus-Hauptversammlung habe dem zugestimmt, teilte das Schwarzwälder Unternehmen mit. Durch eine anschließend geplante Kapitalerhöhung soll der Wus-Anteil in den kommenden Wochen auf 80 Prozent steigen.
Eigenkapital schmilzt dahin
Der schwäbische Leiterplattenbauer ist damit ein massives finanzielles Problem los, muss aber im selben Zug seine ambitionierten Wachstums-Pläne in China zum Teil aufgeben. In den vergangenen drei Jahren hatte das China-Geschäft Schweizer immer stärker in Schieflage gebracht und dessen Eigenkapital in Rekordtempo aufgezehrt.
Im vergangenen Geschäftsjahr hat das börsennotierte Unternehmen gemäß vergangene Woche veröffentlichter vorläufiger Zahlen zum vierten Mal in Folge einen Jahresverlust eingefahren. Ende 2022 summierte er sich auf 33,5 Millionen Euro. In der Folge war auch das Eigenkapital mit fast neun Millionen Euro ins Minus gerutscht – ein Alarmzeichen, das perspektivisch sogar den Fortbestand des Traditionsunternehmens hätte bedrohen können.

Bedrohliche Lage abgewendet
Mit dem Teil-Verkauf des China-Geschäfts verschafft sich Schweizer nun wieder finanzielle Spielräume. Nicht nur, weil es Geld in die Kassen des Unternehmens spült, sondern auch, weil Wus anteilig „auch die Schulden“ der zu erwerbenden Gesellschaft übernehme, wie eine Schweizer-Sprecherin dem SÜDKURIER sagte. Mit rund 4,5 Millionen Euro fällt der Erlös aus der einstmals rund 100 Millionen Euro teuren Leiterplattenfabrik im chinesischen Jintan, die den Kern des Schweizer-Chinageschäfts ausmacht, aber nur gering aus.
Das Drama um das China-Geschäft von Schweizer zeigt, welche Probleme es für Mittelständler mit sich bringen kann, den Schritt nach Asien zu wagen. Im Boomjahr 2017 hatte sich das Schramberger Unternehmen entschieden, ein eigenes Leiterplattenproduktionswerk in China zu errichten und dafür rund 100 Millionen Euro investiert.
Der Eröffnung fiel Mitte 2020 in den Beginn der Corona-Krise. Die Folge von Lockdowns und umfassenden Reisbeschränkungen waren monatelange Verzögerungen beim Hochfahren des Standorts, die die Verluste in dem Zukunftsmarkt in die Höhe trieben.
Wer ist der chinesische Großaktionär Chris Wu?
Bereits 2021 versuchte man daher Investoren mit ins Boot zu holen. Nach mehreren Monaten konnte Anfang 2022 Erfolg vermeldet werden. Mit dem chinesischen Unternehmen Wus kündigte der langjährige Schweizer-Ankeraktionär an einzusteigen – zunächst mit rund 13 Prozent und jetzt mit der Mehrheit.
Die chinesische Wus-Gruppe, die auf Elektronikbauteile spezialisiert ist, hält seit einigen Jahren knapp 30 Prozent am Schwarzwälder Leiterplattenbauer Schweizer Electronic. Den beiden Firmenchefs – Nicolas Schweizer und Chris Wu – wird ein Vertrauensverhältnis nachgesagt.

Für die kommenden Monate rechnet Schweizer nun wieder mit besseren Zahlen. Zumindest operativ (Ebidta) sollen wieder schwarze Zahlen geschrieben werden. Weil der Verlustbringer in China wegfällt, soll auch wieder Eigenkapital gebildet werden. Man hoffe, das Geschäftsjahr 2023 mit einer Eigenkapitalquote zwischen 25 und 30 Prozent abzuschließen, teilte Schweizer mit. Die Umsätze sollen ihren Aufwärtstrend fortsetzen und ausgehend von 131 Millionen Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr um bis zu zehn Prozent zulegen.
Aktienkurs jahrelang auf Talfahrt
Der Aktienkurs von Schweizer Electronic ist in den vergangenen fünf Jahren maßgeblich aufgrund der Probleme in China um fast 80 Prozent auf aktuell rund 4,35 Euro zurückgegangen. In den vergangenen Tagen hat die Notierung des Papiers aber wieder zugelegt – eine Folge der in Fernost erzielten Einigung.
2023 soll die Wende bringen
Auch vom chinesischen Markt will Schweizer weiter profitieren. Auch wenn man die Mehrheit am chinesischen Gemeinschaftsunternehmen an Wus abgeben wird, behalte Schweizer durch seine Rumpfbeteiligung „die Möglichkeit zur aktiven Einflussnahme auf die Geschäftsabläufe“, teilte Schweizer mit.
Außerdem werde man vollen Zugriff auf die Technologie von Wus erhalten, etwa besondere Leiterplatten für die Automobilindustrie. Entsprechende Wus-Produkte will Schweizer nun auch verstärkt in anderen Märkten vertreiben. Kern der Schweizer-Strategie bleibe nach wie vor das Werk in Schramberg sowie das Gemeinschaftsunternehmen in China.