Früher hat Hans-Jürgen Heitz die komischen Automaten für Lebensmittel noch belächelt. Inzwischen sieht man die Eisenkästen auf dem Land immer öfters. Wurst, Käse oder Eier sind dort der Reihe nach einsortiert, jeder Artikel in einem abgetrennten Fach. Wer Geld einwirft und die richtige Nummer drückt, erhält das gewünschte Paket mit Nudeln oder die eingeschweißte Wurst.
Heitz fand diese Großkühlschränke albern – bis ein Bauernhof in der Nachbarschaft anfing, auf diesem Wege die eigenen Eier zu vermarkten. Der weitgehend anonyme Verkauf wurde angenommen. Also bestellte Heitz selbst einen Automaten und stellte ihn vor sein Haus in Weiterdingen im Hegau (bei Singen). Einen Holzverschlag baute er selbst, dann nahm er die Kiste in Betrieb. Sein Fazit: „Es läuft wie die Sau.“
Idealer Standort in Coronazeiten
Das ist eine klare Ansage, die andere Betreiber dieser Geräte sofort unterschreiben würden. Das Geschäft mit den vielen Schubladen läuft gut – und in Zeiten der Pandemie noch besser. Der offene Unterstand garantiert Frischluft. Der Kunde ist in der Regel alleine, was vielen recht sein dürfte. Einziges Gegenüber ist die glänzend polierte Kiste, hinter deren Glasscheibe feine Fleischware lagert.
Der Automat als solcher dürfte als Anreiz nicht ausreichen. Entscheidend ist die Kombination aus eigener Herstellung mit moderner Technik. Wenn in den einzelnen Schubladen beliebige Produkte eines Discounters lägen, wären sie nicht halb so interessant. Zudem kennt das Eiserne Gehäuse keine Arbeitszeiten. Es spuckt rund um die Uhr die bezahlten Artikel aus.

Der Inhalt muss stimmen, sonst kauft keiner
Bei Hans-Jürgen Heitz wird das Geschäftsmodell deutlich sichtbar. Er versteht sich als Landmetzger alter Güte. Seine kleine Wursterei liegt hinter dem Automaten, dort kommen sämtliche Produkte her. Am Montag sind Frikadellen dran, gemischt nach dem (geheimen) Rezept seiner Mutter. Später schweißt er die Bratlinge ein. Zubereitung und Verkauf liegen nur wenige Meter auseinander, die Kunden kennen ihn. „Das ist halt auch mein Bekanntheitsgrad“, sagt er.
Heitz ist 65 Jahre alt, er hat die Rente glücklich erreicht. Ans Aufhören denkt er dennoch nicht. Wer ihn in der Wurstküche beim Räuchern sieht, spürt schnell: Das Verarbeiten von Schweinehälften zu Speck oder Pfefferbeißer kann eine Leidenschaft sein. „Das ist mein Leben. Ich mache das sehr gerne“, sagt Heitz, sonst eher ein nüchterner Typ.
„In der Schweiz wird dir nichts geschenkt“
Der Metzgermeister weiß, wovon er spricht. Er hat bald alle Facetten seines Gewerbes durchlaufen. Erst Geselle, dann Meister. Zeitweise Kopfschlächter, am Wochenende viele Jahre als Zulieferer unterwegs. Jahrelang pendelte er in die Schweiz. Dort machte er gutes Geld und eine wichtige Erfahrung: „In der Schweiz wird dir nichts geschenkt.“ Zehn bis zwölf Stunden täglich.
Doch wie kam es zum Automaten an der Binninger Straße? Die Geschichte, die Heitz über Weiterdingen erzählt, ist typisch. Sie hat sich so oder ähnlich in manchem Dorf in Südbaden abgespielt, wo früher noch Bäcker, Fleischer und Tante Emma die Menschen versorgten.
Auch der Metzger und seine Frau betrieben in den Nuller Jahren ein eigenes Geschäft. Der klassische Dorfmetzger. Dann verhagelten ihm die Großen das Geschäft. Im nahen Hilzingen stellten Discounter riesige Hallen auf. Der Metzgerei lief die Kundschaft weg. „In einem Dorf mit 800 Einwohnern lohnt sich so ein Geschäft eben nicht“, sagt er.
Radler bremsen und ziehen ein Paar Landjäger
Bis die Idee mit dem Automaten kam. Plötzlich läuft es. Die Leute fahren aus dem ganzen Kreis Konstanz an und aus Nachbarkreisen. „Die Lüt‘ kommen sogar aus Waldshut„, das weiß er von den Kennzeichen. Im Sommer sind es dann die Radfahrer, die in die Bremse steigen und ein Pärchen Landjäger aus dem Kühlschrank ziehen.
Über den Umsatz spricht der Mann mit dem tätowierten Unterarm nicht. Aber über den Preis des etwa zwei Meter hohen Apparates. 13.000 Euro blätterte Heitz damals hin. Das Gerät für EC-Karten hat er nachgerüstet. Damit ist das Gerät Corona-tauglich. Es wird in Spanien hergestellt, der Vertrieb erfolgt über Österreich.
Der Automat, ein Rettungsanker?
27 verschiedene Fleischwaren liegen im Automaten. Landjäger, geräucherte Bratwürste, Dosenwurst. Und für Kenner und Liebhaber stehen auch ordentliche Kutteln parat. Nur Frischfleisch nicht.
Um die Zukunft ist es Heitz nicht bange. Er sieht das Gerät als Chance für regionale Erzeuger. Das kann ein Metzger, Eierhof oder Käsemacher sein. Lieber einen Kühl-Automaten hinstellen als vor den Multis kapitulieren.