Um die ehrgeizigen Klimaziele Baden-Württembergs zu erreichen, setzen Industrie und Forschung zunehmend auf den CO2-neutralen Wasserstoff. Wichtig sei es dafür frühzeitig die nötigen Strukturen zu schaffen, sagte Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, auf einer Veranstaltung zum Zukunftsthema Wasserstoff in Konstanz. „Je ambitionierter die Reduktionsziele sind, desto zwingender werden wir dafür Wasserstoff benötigen.“

Wasserstoffproduktion am Hochrhein

Dass im Südwesten bereits erste Weichen für eine Abkehr von fossilen Brennstoffen gestellt sind, machte die Veranstaltung im Konstanzer Konzil deutlich. So stellte Peter Trawitzki, von der EnBW-Tochter Energiedienst, ein Pilotprojekt in Whylen am Hochrhein vor. Dort wird in Baden-Württembergs größter Power-to-Gas-Anlage grüner Wasserstoff erzeugt. Der Prozess, den man Elektrolyse nennt, kommt mithilfe von Ökostrom aus Wasserkraft in Gang.

Erheblich seien die Bedenken gewesen, in Wasserstoff zu investierten, sagte Trawitzki. Für die Mitarbeiter des Energieversorgers, der seinen Strom mithilfe von Wasserkraftwerken entlang des Rheins und im Schwarzwald gewinnt, sei es eine große Umstellung gewesen. „Wir hätten mehr innerhalb des Unternehmens informieren müssen“, sprach er das große Problem der Akzeptanz an. Die Fachkompetenz hätten sich die Mitarbeiter indes schnell angeeignet.

So funktioniert eine Power-to-Gas-Anlage, in der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird.
So funktioniert eine Power-to-Gas-Anlage, in der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. | Bild: Energiedienst

Der Hochrhein könnte nach Willen der Landesregierung bald einen wichtigen Baustein in einer zukunftsweisenden Energiepoltik bilden. „Wir werden prüfen, inwieweit die Weiterentwicklung des grenzüberschreitenden ,Wasserstoff Valley Hochrhein‘ und die Gründung eines ,Ultraeffizienzzentrums für H2‘ als deren zentrales Element unterstützt werden kann“, heißt es im Koalitionsvertrag. H2 ist die chemische Bezeichnung für Wasserstoff.

Evonik setzt sich für Infrastruktur ein

Kern des Leuchtturmprojekts könnte der Spezialchemieriese Evonik in Rheinfelden werden. Er produziert seit Jahrzehnten Wasserstoff, meist aus klimaschädlichem Erdgas, nicht aus Öko-Strom. Allerdings arbeite der Konzern an einer Umstellung, sagte Olaf Breuer, Standortleiter in Rheinfelden. Denn es gebe eine verstärkte Nachfrage nach „grünen“ Produkten, der auch den Bedarf nach klimafreundlichen Wasserstoff in den kommenden Jahren massiv ansteigen lässt.

„Je ambitionierter die Reduktionsziele sind, desto zwingender werden wir dafür Wasserstoff benötigen.“
Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer IHK Hochrhein-Bodensee
Bild 2: Südwesten will die Wasserstoff-Technologie schnell voranbringen – dem Hochrhein könnte dabei eine entscheidende Rolle zukommen
Bild: Herbert Weniger

Er sprach außerdem das Problem der fehlenden Netze an, durch die der Wasserstoff geleitet werden könnte. Eine Nutzung der Erdgasnetze sei dafür möglich. „Wir wären in der Lage den Hochrhein mit Wasserstoff zu versorgen“, machte er die mögliche Rolle von Evonik deutlich.

Kämpfen würde der Konzern für einen Anschluss an das geplante bundesweite Wasserstoffnetz, mit dem große Erzeuger und Verbraucher miteinander verbunden werden sollen. Hier sei der Südwesten bislang ausgeklammert. „Die Welt hört nicht an der Grenze auf“, sagt IHK-Chef Marx. Sollte der Wasserstoffbedarf steigen, könnten Importe nötig sein und dafür auch eine entsprechende Infrastruktur.

Bund steckt neun Milliarden Euro Fördergelder in Wasserstoff-Technologie

Neun Milliarden Euro will der Bund im Rahmen der Wasserstoffstrategie in Forschung und den Ausbau der Infrastruktur stecken. Auch die EU hat im Rahmen ihres Green Deal Milliarden für das Thema reserviert. Auch der Landesregierung liegt daran, Baden-Württemberg dafür richtig aufzustellen. „Wir müssen unsere Industrie transformieren“, sagte Bernd Reuter, Referatsleiter für das Thema Wasserstoff beim Umweltministerium des Landes. „Die Ansiedlung von Wasserstofftechnologie in unserem Land, sichert Arbeitsplätze.“

Busse, die mit Wasserstoff fahren, könnten in Zukunft in vielen Städten dazugehören, wie hier in Wuppertal.
Busse, die mit Wasserstoff fahren, könnten in Zukunft in vielen Städten dazugehören, wie hier in Wuppertal. | Bild: Andreas Fischer

Eine Studie von Roland Berger erwartet bis 2030 allein für Baden-Württemberg ein Marktvolumen von neun Milliarden Euro. Bis 2030 sollen allein im Land 16.500 neue Arbeitsplätze entstehen. Millionen steckt das Land in den Aufbau von Forschungs- und Technologiekompetenz. Unterstützt wird zum Beispiel Forschung zur Speicherung von Wasserstoff oder die Produktion von Brennstoffzellen. „Industrieanlagenbau ist unsere Stärke“, bezog er sich auf das Wissen, das im Südwesten vorhanden ist. Dort müsse jetzt der Schwerpunkt auf Wasserstoff gesetzt werden.

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„Akzeptanz in der Bevölkerung schaffen“

Marx betonte, dass neben der Technologie und den politischen Weichen auch die Akzeptanz in der Bevölkerung die Veränderung da sein müsse. „Eine neue Technologie muss immer erklärt werden“, sagt er. Es sei noch viel Unkenntnis in Bezug auf die Nutzung von Wasserstoff vorhanden. Ein Vortrag räumte auch mit den Mythen um den Wasserstoff auf. Thomas Jordan, Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), entkräftete zum Beispiel den Mythos, dass Wasserstoff explosiv sei.