Der feine Bohrer dringt in die etwa fingergroße Holzfigur. Dann schiebt Bernhard Trenkle einen dünnen Metallstab durch und verbindet damit den bislang fehlenden Arm, an dessen Ende das Händchen ein Nudelholz hält. So bewaffnet kann die kleine Schwarzwaldfrau mit typischem Bollenhut zu jeder Stunde der Figur eines Trinkers die Lust am Bier verderben.
Es ist eine kleine Szenerie aus einer Kuckucksuhr, die besonders bei ausländischen Touristen beliebt ist. „Bei uns ist alles Handarbeit“, betont Trenkles Frau Irene sichtlich stolz.
Die Trenkles sind relativ neu im Geschäft. Seit 1965 produziert die Manufaktur aus Simonswald in einem Tal etwa eine halbe Stunde nördlich von Freiburg Uhren und Wetterhäuschen. Die Geschichte der Branche hier im Schwarzwald reicht allerdings bis ins 17. Jahrhundert zurück. Sie erzählt von harten Bedingungen, Erfindergeist, Wandel, von Aufstieg zu Weltmarktführern und dem Absturz in die Insolvenz.
Uhren gehen in die ganze Welt
Das Produktprogramm der Trenkles umfasst etwa 800 verschiedene Modelle, um die sich rund 30 Voll- und Teilzeitkräfte kümmern. Zugearbeitet wird von Schnitzern vor allem aus Südtirol. „Diese Handwerkskunst geht bei uns leider verloren“, bedauert Irene Trenkle. Im Familienbetrieb entstehen mechanische Uhrwerke, Holzgehäuse und eine Vielzahl von Figuren und Dekor-Details.
Die Erzeugnisse gehen in die ganze Welt. Die Trenkles verkaufen weltweit und haben feste Großhändler in den USA und Australien. Viel geht aber auch in den deutschen Markt. Nachfragespitzen bescheren den Trenkles und ihren Händlern große Ereignisse wie der Marathon in Berlin, die Skisaison in den Alpen, die Passionsspiele in Oberammergau und auch große Sportevents oder Popkonzerte beispielsweise in Hamburg, München oder Zürich.
Solche Höhepunkte stehen dick im Kalender der Branche, denn dann stürmen die Besucher aus aller Welt die Souvenirgeschäfte der Umgebung. Zwar erreichen Schwarzwalduhren auch über den Onlinehandel Liebhaber in der ganzen Welt. Doch die teuren Exemplare, die vierstellige Beträge kosten, bringt vor allem der Fachhandel an den Kunden.
Einige der klassischen Anbieter haben minimalistische Modelle, Designerformen oder solche mit bedruckten Fassaden ins Programm aufgenommen. „Wir bekommen immer wieder Anfragen aus dem Marketingbereich, die sich nach individuellen Lösungen erkundigen“, beschreibt Raphael Trenkle ein neues Marktsegment. So sei auch eine Uhr nach den Farben des SC Freiburg entstanden.
Erfolgsgarantie dank „Made in Black Forest“
Die Häuschen haben ihre Vorbilder im Schwarzwald, in Bayern oder auch in der Schweiz. Details, wie beispielsweise ein kleiner Dackel, werden auf Wunsch der Kunden in die Modellpalette aufgenommen. Chalets ausgestattet mit Alphornbläser, Landesfahne oder Heidi als Pendel kommen bei den Händlern im Nachbarland sehr gut an. „Wir sind oft mit der Bezeichnung ‚Made in Black Forest‘ sogar noch erfolgreicher als mit ‚Made in Germany‘“, erklärt Irene Trenkle.
Als der Hüter der Uhrentradition sieht sich der Verein die Schwarzwalduhr (VdS). Er achtet penibel darauf, dass Hersteller und Händler nur Produkte fertigen, die aus Holzteilen bestehen und ein mechanisches Uhrwerk haben – alles möglichst aus der Region. Nur die bekommen ein entsprechendes Echtheitszertifikat.
Besonders hochwertige mechanische Uhrwerke beziehen Familienbetriebe der Region von SBS Burger in Schönwald, einige Kilometer südlich des „Hauses der 1000 Uhren“. Seit 168 Jahren ist das Unternehmen eng mit der Schwarzwalduhr verbunden. „Wir sind inzwischen der Hidden Champion der mechanischen Uhrwerke“, bemerkt Seniorchef Thomas Burger, dessen Söhne Fabian und Manuel das Unternehmen in sechster Generation fortführen.

Rund 80.000 Uhrwerke verlassen jedes Jahr den Betrieb, der noch heute darauf Wert legt, dass kein Kunststoffrad ins Uhrwerk greift. Das Traditionsunternehmen ist eines der wenigen, die Aufstieg und Niedergang der Schwarzwälder Uhrenindustrie überlebt haben.
Nur wenige Hersteller sind noch übrig
Den Siegeszug der Elektronik haben die meisten Hersteller mechanischer Armbanduhren, Wecker sowie Stech-, Tisch- und Wanduhren nicht überlebt. Immer mehr Betriebe zwischen Pforzheim und der Schweizer Grenze müssen aufgeben. Die Reste von Platzhirsch Junghans übernahm der Schramberger Unternehmer Hans-Jochem Steim 2009 aus der Insolvenzmasse der Markenholding Egana Goldpfeil.
Am Heimatstandort fertigt der einstige Branchenprimus wieder Designeruhren, zum Teil mit Solarantrieb. Für die Zeitmesser mit dem J im Stern werden zum Teil vierstellige Preise verlangt.
Heute sind noch gut zwei Dutzend Unternehmen in der Region rund um die Uhren tätig. Wesentlich bedeutsamer ist, dass die Schwarzwälder Traditionsindustrie den Grundstein für alle jene Betriebe gelegt hat, die Spitzenprodukte in den Bereichen Feinmechanik, Messtechnik oder Medizintechnik fertigen.
Bei unzähligen Mittelständlern lebt heute das Tüftler-Gen, das die Kuckucksuhr vor vielen Generationen freigelegt hat. Dazu gehört auch Burger in Schonach. Nur die wenigsten der 1200 Beschäftigten sind heute mit der Herstellung von Uhrwerken befasst. Die meisten produzieren Teile für die Autoindustrie, Maschinenbau und Medizintechnik. Der Umsatz des Unternehmens liegt bei 200 Millionen Euro.