Vor etwa zwei Jahren gab die Firma Rombach & Haas in Schonach eine seltene Anzeige auf. Sie annoncierte in einer ungewöhnlichen Sparte: Ein Fachmann oder eine Fachfrau fürs Schildermalen wurde gesucht. „Mehr als 40 Leute haben sich damals beworben“, erinnert sich Selina Kreyer.
Sie und ihr Mann Andreas hatten damals die alte Manufaktur in dem Ort im Kreis Schwarzwald-Baar übernommen. Um dem Unternehmen nach der Corona-Zeit wieder auf die Beine zu helfen, war eine Spezialistin gesucht, die ein anspruchsvolles Segment bearbeitet: Die künstlerische Gestaltung der Lackschilduhren, die in Schonach noch immer hergestellt werden.
Ein seltenes Produkt
Wie die Konkurrenten in Triberg, Schönwald oder Titisee verkaufen sie auch Kuckucksuhren. Die lautstarken Kästchen bilden den Grundstock des Schwarzwälder Handwerks. Die Bimmelwerke mit dem pfeifenden Vogel dürfen in keinem Souvenirgeschäft zwischen Triberg und Titisee fehlen, sie sind so etwas wie die klingenden Visitenkarten.

Bei der Lackschilduhr liegt der Fall anders: Sie sind ein Nischenprodukt, was die nackten Zahlen angeht. „Wir verkaufen zwischen 20 und 50 Stück pro Jahr“, berichtet Selina Kreyer. Zum Vergleich: Von den berühmten Uhren mit dem charmanten Piepvogel und dem vielen Holz bringen sie zwischen 1000 und 2000 Stück an den Kunden.
Früher war das eine Winterarbeit
Auch bei Rombach & Haas mit insgesamt zehn Mitarbeitern geht es ums Leben und Überleben – und um das Fortführen einer alten handwerklichen Tradition. „Früher war das Bemalen der Holzschilder eine Winterarbeit“, erzählt die Geschäftsfrau.
Die Höfe waren eingeschneit, die Familie beschäftigte sich mit Heimarbeit. Die Männer drechselten eine flache Holzscheibe aus Tannenholz mit dem gebogenen Aufsatz. Den Frauen kam die Aufgabe zu, das Holzblatt zu lackieren und mit fröhlichen Motiven zu bemalen.
Es war eine typische Heimarbeit, die sich gut mit anderen Aufgaben in der Landwirtschaft vereinbaren ließ. Ihren Glanz und die malerische Tiefe erhalten die Zeitmesser durch das mehrmalige Auftragen von Lack. Daher auch der Name Lackschilduhr. Wenn die Oberfläche mit der Zeit kleine Risse bildet, dann ist dieser Effekt erwünscht. Die belebte, antikisierende Oberfläche macht die Uhr älter, als sie ist, und das erhöht ihren Wert.
Die Lackschilduhr ist „ein Erbstück“, wie Conny Haas es nennt. Auch sie wurde mit diesem Handwerk groß. Auch ihre Tochter Selina machte sie früh mit der Palette vertraut. „Die Mama hat es mir beigebracht“, berichtet sie. Zuhause lagen immer Acrylfarben bereit und ein Bündel von feinen Pinseln. Schon als Kind wollte sie eine Blume möglichst echt malen. Feine Ranken und Blüten – die tickenden Kästen an der Wand sollen das Herz erfreuen und nebenher die Zeit schlagen.
Der Enkel will Fußball spielen
Ihre Mutter zieht sich langsam aus diesem Gewerbe zurück. Sie hat ihren Mann jahrzehntelang unterstützt und die Holzblätter schichtweise bearbeitet. „Ich habe auch schon das Freiburger Münster auf das Zifferblatt gemalt“, sagt sie. Oder die Vier Jahreszeiten oder die Ansicht der Stadt Triberg und vieles mehr. Viele Käufer äußern persönliche Wünsche bis hin zum Porträt. Das macht jede gestaltete Uhr zu etwas Persönlichem. Kein Artikel von der Stange, sondern Maßanfertigung.
Frau Haas kennt jeden Kniff, um ein schlichtes Brett aus Tannenholz in ein Schwarzwälder Herzblatt zu verwandeln. Doch jetzt will die 63-Jährige noch anderes machen. Die Enkel klopfen an die Tür, und einer von ihnen, der fünfjährige Carl, spielt mit seiner Großmutter gerne Fußball. Am Malen hat er noch kein Interesse. Er wäre die sechste Generation, wenn er seinen Vorfahren folgte.
Die überschaubaren Verkaufszahlen deuten es an: Die mit Acrylfarbe bemalten Uhren sind kein Renner, eher Objekte für Liebhaber. Seit zwei Monaten steckt die Firma in Kurzarbeit, ab September geht es wieder auf Vollzeit für das Ehepaar Kreyer und die acht Mitarbeiter (davon drei in Minijobs). Uhren sind längst keine statischen Möbel, sie sind auch modischen Trends unterworfen. „Ich schaue immer, was die Leute im Moment wollen“, sagt Kreyer.
Große Berge, feuchte Täler
Dafür bringt die studierte Designerin offenbar gute Voraussetzungen mit. Bevor sie den elterlichen Uhrenladen übernahm, entwarf sie Postkarten und schuf Werbung. Der Schonacherin ging es immer um ihr eigenes Umfeld. Sie versucht, den Schwarzwald vom Image der Seniorenfreizeit zu befreien, das er für manche noch immer hat. Es ist längst gelungen, auch dank ihrer Bemühungen.
Einen echten Coup landete sie freilich vor zehn Jahren – mit einer Aktion, die damals bundesweit für Aufsehen und – bei einigen wenigen – auch für Entsetzen sorgte. Der Tourismusverbund „Ferienland Schwarzwald“ hatte 2014 die Kampagne in Auftrag gegeben, um Gäste für Schonach oder Unterkirnach anzulocken.
Selina Haas, wie sie damals noch hieß, lieferte, und zwar so, dass es die Kampagne bis in die Tiefen des Boulevards schaffte. Die Werbung zeigte die Silhouette einer kurvenreichen Frau, die von diesem Spruch eingerahmt wurde: „Große Berge, feuchte Täler & jede Menge Wald.“ Das war anzüglich und es saß.
Das eindeutig Doppeldeutige machte die Schonacherin bekannt. „Zwei Wochen lang war hier ein Medienrummel“, berichtet sie.
Die Kuckucksuhr ist noch immer der Renner
Darauf will das Familienunternehmen heute gerne verzichten. Es wurde 1894 gegründet, und die Tradition ist hier mehr als eine holprige Vokabel. Die bemalten Uhren bleiben, was sie sind. Sie sind wie das Maybach-Auto im Schaufenster – etwas Besonderes, aber doch die Ausnahme für den Käufer.

Die Kuckucksuhren dagegen decken eine große Vielfalt an Stilen und Farben ab. Noch immer klingeln die dunkelbraunen Uhren mit vorspringendem Hirschgeweih. Andere sind schlichter, sie bestehen nur aus einer bedrucken Aluminiumscheibe plus Uhrwerk. Der Kuckuck, der oben aus einem kleinen Loch zirpt, ist nur mehr Zitat. „Das kaufen die Leute gerne“, berichtet sie.
Übrigens: Die Anzeige, die sie vor zwei Jahren schaltete, hatte ein gutes Ergebnis. Alle 40 Bewerber schickten gemalte Arbeitsproben. Zum Zug kam dann Mirjam Fecker. Sie wohnt in einem alten Bauernhof bei Schonach, den sie mit ihrem Freund hergerichtet hat.
Die junge Frau entpuppte sich schnell als Talent. „Anfangs hatte ich Zweifel“, sagt sie im Gespräch, „mit Bauernmalerei hatte ich bisher nichts am Hut.“ Auch sie arbeitet zuhause. Vor allem abends legt sie die Holzblätter auf den Arbeitstisch. „Wenn mein Freund im Haus Lärm macht, ermahne ich ihn“, sagt sie schmunzelnd. Sie will sich, muss sich konzentrieren, denn: „Ich will jedes Stück schön machen.“