Herr Schickedanz, auf vielen Autos am Bodensee lagen am Freitagmorgen 30 Zentimeter Schnee. Was ist am Tief „Dimitros“ so besonders, dass es uns tief im Süden derart mit Schnee eindeckt?
Die Situation ist in der Tat speziell. Grund ist: Die Luftmassengrenze des Tiefs – Meteorologen nennen sie auch Front – erstreckte sich von den Vogesen über das Dreiländereck Richtung Schweizer Mittelland. Die Front verlief also ganz in der Nähe des Bodensees. In der Nähe dieser Luftmassengrenzen herrscht immer eine große Wetter-Aktivität und das bedeutet reichlich Niederschläge.
. . . es ist da also richtig was los?
Ja, allerdings, das kommt daher, dass die Luftmassengrenze „schleift“, wie wir Meteorologen sagen.
Das hört sich an, als würden die Luftmassen ganz langsam über den Boden raspeln.
So könnte man es auch sagen. Das Schleifen hat folgenden Hintergrund: Wenn sich eine Front von Nord nach Süd bewegt und sich dabei von West nach Ost verlagert, dann zieht sie bei uns durch, was wir ja immer wieder als klassisches Tiefdruckwetter erleben: Erst kommen Wolken auf, dann regnet oder schneit es drei, vier Stunden, und dann ist der Spuk durch . . .
Und die schleifende Front lässt sich mehr Zeit?
Genau! Diese Front bewegt sich nicht über Stunden, sondern möglicherweise über ein, zwei Tage von Nordwesten nach Südosten also parallel zum Frontenverlauf und nicht quer dazu wie sonst üblich. Wo wärmere und kältere Luftmassen zusammentreffen, wird Niederschlag ausgelöst, in dem Fall Schnee. Die schleifende Front heißt also: sie bewegt sich nicht von uns weg. Das haben wir seit Mittwochabend im Wesentlichen erlebt.
Aber am Bodensee kam es seit 30 Jahren nicht mehr zu dieser immensen Schneehöhe.
Ja, weil das Bodenseegebiet diesmal praktisch konstant auf der Nordseite der Luftmassengrenze lag, also auf der kalten Seite. Andernfalls würde auch im Hochwinter Regen fallen. Das passiert ja auch immer wieder. Wäre die Front 200 Kilometer weiter nordöstlich durchgegangen, dann wäre jetzt im Schwarzwald nicht ein halber Meter Neuschnee gefallen, sondern der Schnee, der dort schon lag, wäre komplett weggetaut.
Ich fasse mal zusammen: Je näher ich an der Luftmassengrenze lebe, desto stärker erwischt mich die Wetter-Action?
Ja, genau. Deshalb war diesmal zwischen Südschwarzwald und Oberallgäu die meiste Action. Wobei die Intensität des Schneefalls gar nicht so groß war und auch nicht unwetterartig. Aber ungewöhnlich war die lange Dauer des Niederschlags. So lag Konstanz seit Donnerstagnachmittag ständig auf der kälteren Nordseite der schleifenden Front. Das kommt tatsächlich selten vor, weil eben auch mehrere Faktoren zusammenkommen müssen.
Auch der Faktor Bodentemperatur? Denn bei wärmerem Boden schmilzt der Schnee doch schnell weg...
Die Bodentemperatur spielt nur eine untergeordnete Rolle. Wenn es – wie jetzt – dauerhaft schneit, bleibt der Schnee auch bei wärmerem Boden bald liegen. Grund: Die ersten Schneeflocken tauen zwar weg, aber dieser Schmelzprozess verbraucht Energie. Wenn es richtig schneit, bekommt der Boden diese Energie quasi rausgesaugt. So kann der Boden innerhalb einer Viertelstunde zügig auf Null Grad abgekühlt werden.
Welches Wetter haben wir am Wochenende im Schwarzwald und im Bodenseeraum zu erwarten?
Am Samstag können wir uns auf ruhiges und teilweise auch sonniges Winterwetter einstellen – am Bodensee aber mit einem Hochnebelrisiko. Das ist aber wegen der tiefen Temperaturen nicht so groß wie sonst, wir könnten also die Sonne sehen. Der Schwarzwald bekommt einen sonnigen Wintertag. Zum Samstagabend ändert sich das, und in der Nacht zum Sonntag kommt wieder Schnee. Der Sonntag wird grau in grau – teilweise mit Schneefällen, die aber nicht mehr intensiv ausfallen.
Ein Blick in die kommende Woche?
Laut Prognose wird es ab Montag zunehmend milder, und uns erwartet wechselhaftes Wetter. Der Schneefall verlagert sich in die höheren Berglagen, geht aber zunehmend in Regen über. Das heißt, dass die Pegelstände an den Bächen und Flüssen steigen. An Brigach, Breg und der oberen Donau gibt es also ein gewisses Hochwasserpotenzial. Das müssen wir zusammen mit den Kollegen von der Hochwasser-Vorhersagezentrale in Karlsruhe beobachten. Das ist halt schade für den schönen Schnee.