Bleiben Sie gesund! Wer körperliche Krankheiten vermeiden will, sollte Stress rechtzeitig abbauen
Herz-Kreislauf- und Magen-Darmerkrankungen, Tinnitus und mehr: Wer ständig gestresst ist und nichts dagegen tut, wird langfristig auch körperlich krank.
Dauerstress ist Gift für den Körper – er kann Ursache für viele Erkrankungen sein.
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Oliver Müller, Chefarzt der Sinova Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Zentrum für Psychiatrie Reichenau, erlebt fast täglich, welche Folgen chronischer Stress haben kann. Seine Patienten klagen über Zittern im Arm, haben Schluck- oder Atembeschwerden, ein Kloßgefühl im Hals, Schmerzen in unterschiedlichen Körperarealen, die kommen und wieder vergehen, leiden unter Kopfschmerzen, um nur einige zu nennen.
Dr. Oliver Müller, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
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In der Tagesklinik am Konstanzer Krankenhaus, auf der Reichenau und im Klinikum Singen behandelt Müller Patienten mit diesen sogenannten somatoformen Störungen. Das sind Störungen, für die es keine körperliche Ursache gibt.
Zu viel Druck macht krank
Er erinnert sich an eine junge Patientin mit guter Ausbildung und Job, die beliebt unter ihren Kollegen war. Sie entwickelte Schwindelattacken, doch die Besuche beim HNO-Arzt, beim Internisten und Neurologen blieben ergebnislos. Sie traute sich nicht mehr, vor die Tür zu gehen, in der Angst, der Schwindel könne Sie auch draußen überfallen. „Diese junge Frau hatte viel zu hohe Ansprüche an sich selbst“, sagt Müller. „Sie glaubte, den beruflichen Anforderungen nicht gerecht zu werden, obwohl ihre Kollegen sie gar nicht so wahrnahmen und ihre Arbeitsleistungen vom Chef gewürdigt wurden“.
Menschen, die unter chronischen Stresszuständen leiden, werden irgendwann auch körperlich krank: Herz-Kreislauferkrankungen, Tinnitus, Magen-Darmerkrankungen sind mögliche Folgen. „Das ist vor allem dann der Fall, wenn es keine Regenerationsphasen mehr gibt“, sagt Müller, der Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie ist. Die individuelle Belastbarkeit ist dabei sehr unterschiedlich: Der eine reagiert früher mit körperlichen Beschwerden als der andere. Unsere inneren Berwertungen und Bewältigungsstile sind mitverantwortlich für die individuelle Belastung. Manche entwickeln Lippen-Herpes, sind anfälliger für Erkältungskrankheiten. Eine Erreichbarkeit rund um die Uhr und ständiges Arbeiten ohne Erholungsphasen münden in Dauerstress.
Dieser kann dazu führen, dass der Betroffene spürt: Egal wieviel Gas ich gebe, ich kriege die Situation nicht in den Griff. So können sich Ängste und Schlafstörungen entwickeln, manche trinken vermehrt Alkohol, essen zu viel und ungesund, andere treiben exzessiv Sport. In der Folge lassen Arbeitsleistung und Belastbarkeit nach.
In einer Studie der Techniker Krankenkasse zeigt sich, dass die Deutschen ihren Job als größten Stressfaktor empfinden. Fast jeder Zweite der 40- bis 59-Jährigen gibt an, sich durch die Arbeit oft abgearbeitet zu fühlen. Zu viele Termine, zu lange Listen, was alles zu erledigen ist und fehlende Wertschätzung werden als Ursachen genannt. Wichtig sei, sagt Müller, dass man sich auch am Arbeitsplatz mit Kollegen austauschen könne. Dazu müsse es aber in Unternehmen angstfreie Räume geben, in denen auch alle Defizite benannt werden dürfen.
Seine Patienten lernen, Anforderungen aktiv anzugehen und positive Einstellungen zu entwickeln. Sie strukturieren ihren Alltag, stärken ihr Selbstwertgefühl und lernen, auch mal Nein zu sagen, aber auch, auf ihren Körper zu hören und Genussmomente zu erleben. Sie erfahren auch, wie sie dem Stress durch Sport und Bewegung begegnen sowie planmäßige und regelmäßige Pausen pflegen können.