Jörg Zittlau

Es wird gekläfft, gebalgt, gesprungen und gerannt. Wenn Hunde miteinander spielen, kann es drunter und drüber gehen. Doch immer öfter kann man beobachten, dass sich einige Vierbeiner abseits von ihren tollenden Artgenossen aufhalten und lieber bei Herrchen oder Frauchen bleiben. Sitzend oder liegend, wohlgemerkt. Und das nicht etwa wegen ihres fortgeschrittenen Alters, sondern wegen ihrer Körperfülle. Denn unter den vierbeinigen Haustieren in Deutschland grassiert das Übergewicht. Die Medizinische Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München hat deshalb eine spezielle Sprechstunde für besorgte Tierbesitzer eingerichtet. Nach eigenen Angaben handelt es sich um Deutschlands erste klinische Sprechstunde zu Fettleibigkeit (Adipositas) von Hunden und Katzen.

Tierärztin Petra Kölle (links) misst Mops Sir Henry von Uschi Ackerman während der Adipositas-Sprechstunde der Tierklinik der ...
Tierärztin Petra Kölle (links) misst Mops Sir Henry von Uschi Ackerman während der Adipositas-Sprechstunde der Tierklinik der Universität München. | Bild: dpa

Nicht nur der Mensch, auch seine tierischen Hausgenossen werden immer dicker. In einer Studie der LMU erwiesen sich 52 Prozent der Hunde und Katzen als übergewichtig. Das sind bis zu 30 Prozent mehr als vor 50 Jahren. Noch dramatischer ist die Entwicklung in den USA. Dort hat sich, wie Kirk Breuninger vom Banfield Pet Hospital in Vancouver ermittelt hat, „die Zahl der übergewichtigen Hunde und Katzen in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt“. 59 Prozent der US-Katzen haben mittlerweile zu viel Speck auf den Rippen, bei den Hunden liegt die Quote mit 54 nur unwesentlich darunter.

Mögen die Speckpolster bei dem einen oder anderen Exemplar auch niedlich aussehen, medizinisch sind sie ein Desaster. „Bei übergewichtigen Katzen beobachten wir sehr oft Diabetes“, warnt Breuninger, „und bei Hunden finden wir auch viele andere Erkrankungen wie etwa Arthritis und Überfunktionen der Schilddrüse.“ Bis zu zwei Jahre Lebenszeit kann das Übergewicht kosten. Was bei einem Tier, das sonst zwischen 15 und 20 Jahre alt wird, enorm viel ist. Es ist ungefähr so, als wenn einem Menschen acht Jahre seines Lebens genommen würden.

Ernährungsberaterin Anna Däuble wiegt Katze Mausi.
Ernährungsberaterin Anna Däuble wiegt Katze Mausi. | Bild: dpa

Gründe genug also, die Körpermaße von Hund und Katze im Auge zu behalten. Sofern man bei ihnen, von oben betrachtet, keine Taille mehr sehen und ihre Rippen kaum noch ertasten kann, sollten die Alarmglocken schrillen. Und dieses Signal sollte dann zum Tierarzt führen, der über die geeigneten Instrumente und Messtabellen verfügt, um das Gewicht medizinisch korrekt einzuordnen.

Das Problem ist: Die meisten Halter wollen von alldem nichts wissen, sie ignorieren die Gewichtsprobleme ihrer Lieblinge. An der LMU befragte man mehr als 1000 Tierhalter nach der Körperfülle ihrer Tiere, von denen die Wissenschaftler gut jedes zweite als übergewichtig eingestuft hatten. „Trotzdem wurde von keinem Hundehalter und nur von zwei Katzenbesitzern das Übergewicht erkannt“, betont Studienleiterin Nicola Becker. Die Liebe zum Tier macht eben blind. Wie überhaupt ein großes Problem darin besteht, dass Herrchen und Frauchen ihre Vierbeiner verwöhnen wollen, denn das geschieht meistens übers Fressen. So dürfen Katzen damit rechnen, dass ihr Napf immer voller Futter ist.

Wenn etwa Frauchen zur Arbeit aus dem Haus geht, füllt sie oft noch einmal die Schale bis zum Rand voll mit Katzenfutter. Und dabei wird in der Regel auf viel Abwechslung im Speiseplan geachtet. Das Pikante daran: Die Katze weiß das nicht zu schätzen, weil sie als Fleischfresser nur einen schwachen Geschmackssinn hat. Aber die ständige Präsenz leckerer Nahrung verführt dazu, sich auch an ihr zu bedienen. Das fördert Übergewicht.

Auch Hunde können auf Diät gesetzt werden.
Auch Hunde können auf Diät gesetzt werden. | Bild: Sabimm – stock.adobe.com

Besser man gibt dem Stubentiger die Kalorien, die er braucht, nämlich rund 60 Kilokalorien (Kcal) pro Kilo Körpergewicht. Was bei einem fünf Kilo schweren Tier auf 300 Kcal ausläuft. Das setzt voraus, dass man die Kalorienwerte des Essens kennt. Wenn die Katze aus dem Haus darf und aktiv ist, kann man die Dosis auf 70 bis 80 Kcal erhöhen. Wobei sich diese Erhöhung wieder erledigt, wenn das Tier kastriert ist, denn das geht auf den Stoffwechsel und Bewegungsradius.


Drei Wege zur Gewichtsabnahme

  • Diätfutter aus dem Kaufhaus
    Eine Möglichkeit im Kampf gegen tierisches Übergewicht ist Diätfutter. Das Ziel: Das Tier bei reduzierter Kalorienzufuhr trotzdem satt zu machen. Das klappt bei Hunden naturgemäß besser, weil sie auch größere Ballaststoffmengen in ihrer Nahrung dulden. Dennoch: Die Zeitschrift „Ökotest“ überprüfte im Jahre 2011 zwölf Light- und Diätfuttermischungen für Hunde. Nur die Hälfte von ihnen hielt, was sie versprochen hatten.
  • Abnehmen nach Plan
    Die Tiermedizinische Klinik der Universität München hilft Tierhaltern bei Übergewicht ihrer Schützlinge. So legt sie mit den Haltern nach dem Wiegen des Tieres einen Abnehmeplan fest. Neben Diätfutter wird eine weitere Maßnahme empfohlen: Mann kann kalorienarmes Futter selbst kochen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, das gewohnte Futter um die Hälfte zu reduzieren und dann beispielsweise mit Zellulose-Pulver anzureichern, damit es sättigt.
  • Konsequenz
    Im Idealfall legt ein Tier gar nicht erst so viel Gewicht zu, dass es besonderer Näpfe oder Diätfutters bedarf. Das heißt: standhaft bleiben, auch wenn die Katze den Türrahmen zerkratzt – wohlwissend, was sie damit erreicht – oder der Hund aus großen, treuen Augen aufblickt. „Man sollte das Futter rationieren und darf sich nicht erweichen lassen“, sagt Astrid Behr vom Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt). Wenn Tiere gehegt und gepflegt werden, sei das natürlich gut. „Aber das kann leicht ausufern.“
(zit/dpa)

Für den Hund gibt es ähnliche Formeln. Allerdings kommt hinzu, das bei ihm Futterbelohnungen, die Leckerli, zur Erziehung gehören: Gehorcht er den Befehlen seiner Halter, bekommt er oft etwas zu fressen. Daran ist nichts auszusetzen, wenn es den pädagogischen Erfolg erhöht. Doch wer am Tag viele Leckerli verteilt hat, sollte dies bei der Hauptmahlzeit abziehen. Breuninger rät, die Leckerli zu zerteilen: „Denn der Hund empfindet sie auch als Belohnung, wenn sie kleiner sind.“


Die Art des Hauptfutters spielt beim Übergewicht keine Rolle. Becker und ihr Team hatten unter ihren Probanden sowohl Tierhalter, die Industriefutter verwendeten, als auch fürsorgliche Halter, die ihre Lieblinge bekochten oder mit frischem Fleisch oder Fisch verköstigten. „Dies führte zu keinen Unterschieden im Ernährungszustand der Tiere“, betont Becker. In Bezug auf die Ernährung des Menschen ist immer wieder zu hören, dass die moderne Fertigkost ihn immer dicker macht. Für seine Haustiere scheint das nicht zu gelten. Sie bietet außerdem den Vorteil, dass auf ihren Verpackungen die exakten Kalorienwerte angegeben sind.

Tierärztin Petra Kölle mit der gewichtigen Katze Mausi.
Tierärztin Petra Kölle mit der gewichtigen Katze Mausi. | Bild: dpa

Was aber Mensch, Hund und Katze in der Entstehung von Übergewicht eint: der Bewegungsmangel. Immer mehr Katzen verlassen nicht mehr das Haus. Das sorgt in der Vogelwelt für Entspannung, aber lässt den Stubentiger faul werden. Beim Hund gibt es keinen Kompromiss: Als Nachfahre der als Langläufer bekannten Wölfe muss er täglich für einige Kilometer raus ins Freie. Zusammen mit Herrchen oder Frauchen, denen die tägliche Bewegung auch guttut. „Außerdem stärken die gemeinsamen Ausflüge die Bindung zwischen Mensch und Hund“, betont Breuninger. Und das ganz ohne Leckerli.


Video mit einer Hundeexpertin zur Frage: Wie erkenne ich, ob mein Hund zu dick ist?