Der Dreißigjährige Krieg hat 1634 – in seinem 16. Jahr – den Südwesten Deutschlands erreicht. Als der Schlachtenlärm in Nördlingen verklungen ist, liegen annähernd 9000 Tote im Ries. Schlimmer noch als die Schlacht zwischen kaiserlich-habsburgisch-spanischen Truppen auf der einen und den Schweden nebst ihren protestantischen Verbündeten auf der anderen Seite, sind ihre Folgen: Mord, Plünderung und Verwüstung.
Der Räuber kehrt zurück
Am Oberrhein sinkt die Bevölkerungszahl bis zum Ende des Krieges fast um die Hälfte. Doch für einen ist jetzt der Tisch reichlich gedeckt: Mit dem grenzenlosen Leid und Schrecken, die der Krieg über das Land bringt, kehrt ein fast schon verschwundener Bewohner zurück in die Wälder: der Wolf.

So vermeldet ein Jägermeister, „die Wölfe mehren sich im Land derart, dass bald kein Mensch und keine Herde mehr sicher“ sei. Die Befürchtungen der Nutztierhalter, wie man sie heute angesichts von Wolfsrissen an Schafen hört, gab es also schon damals.
Pulver, Fallen, Wolfsangeln
Nach Ende des Krieges 1648 haben die Jäger und Forstknechte alle Hände voll zu tun. Das massenhafte Töten der Tiere geschah auf ganz unterschiedliche Weise: Treib- und Parforcejagden waren überwiegend Angelegenheit des Adels. Mit Fallen und Wolfsangeln und vergifteten Ködern rückten auch Bauern dem Feind zu Leibe.

Häufig wurden die Wölfe im Wald von den Jägern mit Netzen gefangen. Dazu wurde mithilfe eines Lappenzauns ein großer Kreis gebildet, aus dem es für die dort hineingetriebenen Wölfe nur an einer Stelle ein vermeintliches Entkommen gab. Doch genau da warteten die Netze. Auf diese Jagdform geht der Ausspruch zurück, dass „einem etwas durch die Lappen geht“. Denn eigentlich konnte der Wolf durch die an einer Schnur hängenden Stofffetzen, die ihn lediglich irritierten, ganz leicht hindurchschlüpfen.
Auch im Südwesten werden vermehrt Wölfe gesichtet
Noch heute zu erkennen
Sodann hob man den Wölfen Gruben und Löcher aus. Die sind noch heute an einigen Stellen im Gelände zu erkennen. Manche berichten als gut erhaltene Denkmäler von einer Zeit, auf die unsere heute wieder aufflammende Wolfsangst zu einem Gutteil zurückgeht. Wie bei Engen-Anselfingen im Hegau finden sich auf der Landkarte diese Wolfslöcher, -gruben und -gärten als Orts- oder Gewannbezeichnungen noch immer mehr als reichlich.

Die Namen verweisen auf längst verfallene oder verschwundene Bauwerke. An einigen wenigen Stellen sind die meist drei bis vier Meter tiefen Löcher noch im Wald zu finden: bei Lenzkirch im Südschwarzwald, im Stühlinger Wald, wo die Gemeinde Ende des 17. Jahrhunderts noch Schussgeld für erlegte Wölfe bezahlte, oder – eine besonders gut erhaltene – bei Neubulach im Nordschwarzwald.
Die getarnte Grube im Wald
Die gemauerten oder mit Brettern verschalten Gruben waren rund oder rechteckig. Abgedeckt wurden die Löcher, die meist abseits von Wegen lagen, damit niemand versehentlich hineinfiel, mit dünnen Ästen oder Reisig. An einer Querstange, die über dem Loch lag, war ein Stück Aas angebracht, im Jagdjargon Luder genannt, das den Wolf anlocken sollte.

Ausgefeilter war die Variante, bei der über die runde Grube ein Deckel gelegt wurde, der über einer Stange gelagert war. Der Deckel war aus Brettern gezimmert oder geflochten, das Aas lag auf der Abdeckung oder hinter der Grube. Betrat der Wolf den mit Ästen getarnten Deckel, klappte er um und das Tier stürzte in die Tiefe. Nicht selten wurde der so festsitzende Wolf an Ort und Stelle gesteinigt.
Der Böse im Märchen
Anfang des 18. Jahrhunderts war die „Wolfsplage“ auf dem Gebiet des heutigen Baden und Württembergs auf Grund des Jagddrucks überwunden. Nun aber hielt der böse Wolf umso lebendiger in Märchen und Erzählungen Einzug. In dieser Zeit wurde auch die bis dahin mündlich überlieferte Geschichte vom Rotkäppchen zum ersten Mal aufgeschrieben. Das mächtige Narrativ vom bösen Wolf trieb seine endgültige Ausrottung im 19. Jahrhundert, als der Wolf längst seinen realen Schrecken verloren hatte, mit voran.