Crashkurs Immunsystem: Wie unsere Abwehrkräfte leistungsfähig bleiben
Bakterien, Viren, winzige Pilze. Täglich kommen wir mit Millionen von Mikroorganismen in Kontakt. Unser Immunsystem erkennt bösartige Erreger und wehrt sie ab. Aber wir müssen ihm dabei helfen – insbesondere in Corona-Zeiten.
Die Gefahr ist immer da, schläft nie, fordert unseren Körper ständig heraus. Auf jeder Türklinke, auf jeder Tischplatte wimmeln zigtausende von Kleinstlebewesen, die sich an den Menschen heften können.
Die meisten sind harmlos. Aber viele der Mikroorganismen können uns schaden und krank machen – vor allem im Herbst und Winter.
Fahndung nach Bakterien und Viren
Es sind keinesfalls nur aggressive Angreifer wie Grippe- und Coronaviren oder berüchtigte Bakterien wie die Streptokokken, die unsere Gesundheit bedrohen. Auch harmlose Keime würden die Menschen in die Knie zwingen, stünde das Immunsystem nicht permanent auf Posten.
„Dabei wird zu jeder Zeit nach Eindringlingen wie Bakterien oder Viren gefahndet“, sagt Professor Marcus Schuchmann, Ärztlicher Direktor des Klinikums Konstanz, Professor und Chefarzt.
Abwehrzellen als Mauer gegen Keime
Der unsichtbare Feind umgibt die Menschen jederzeit. Deshalb fährt die Immunpolizei ständig Patrouille, denn Haut und Schleimhäute als Schutzbarrieren können Eindringlinge allein nicht aufhalten.
Zur Mauer gegen Keime und Viren gehören daher verschiedene Arten von Abwehrzellen. „Sie können Krankheitserreger als fremd erkennen und angreifen, auch wenn unser Körper zuvor noch nicht mit diesen Erregern konfrontiert war“, erklärt Frank Hinder, Professor und Ärztlicher Direktor des Hegau-Bodensee-Klinikums (HBK). Diese natürlichen Killerzellen räumen mit allem auf, was keine Eintrittskarte für unseren Körper vorzeigen kann.
Frank Hinder, Professor und Ärztlicher Direktor des Hegau-Bodensee-Klinikums (HBK)
| Bild: Andrea Jagode
Die Kraft dieses unspezifischen Immunsystems, wie die Mediziner es nennen, lässt mit der Zeit jedoch nach. „Abhängig vom Lebensalter nimmt die Schutzfunktion der äußeren und inneren Barrieren, etwa der Haut und Schleimhäute ab“, erklärt Marcus Schuchmann.
Das lernende Immunsystem
Aber der Körper verfügt über eine weitere Abwehr-Armee gegen Invasoren, die intelligenter vorgeht als die Truppe an vorderster Front. Sie ist nicht von Geburt an da, sondern wird – wie Soldaten in einer Kaserne – im Lauf des Lebens aufgestellt und ausgebildet.
Ärzte sprechen vom „spezifischen“ oder „erworbenen“ Immunsystem. Es kann sich also von Mensch zu Mensch unterscheiden.
Da wird es spannend für die Mediziner. „Das spezifische Immunsystem ist ein lernendes System“, betont Frank Hinder. Seine Spezialeinsatzkräfte sind die Lymphozyten, weiße Blutkörperchen, die in Knochenmark und Milz gebildet werden.
Wie Lymphozyten Erreger gezielt bekämpfen
Sie sind schlau: „Lymphozyten können bestimmte Merkmale eines Erregers nach einem früheren Kontakt wiedererkennen und gezielt bekämpfen“, erklärt der Mediziner.
Besonders geschult sind die T-Lymphozyten, die aus der Blutbahn in das Trainingslager der Thymusdrüse hinter dem Brustbein geschickt werden. „Dort lernen zu, infizierte Zellen unseres Organismus zu erkennen, abzutöten und die Immunantwort zu modulieren“, erklärt Frank Hinder.
Wie man sein Immunsystem stärken kann
Kurzum: Unser Immunsystem ist „ein unglaublich komplexes, vielgestaltiges, sich ständig änderndes Ineinandergreifen von unterschiedlichen Zellen, ganzen Organen, Eiweiß-Stoffen und speziellen Molekülen“, schreibt die Medizinerin und Buchautorin Marianne Koch.
Dieses Gesamtkunstwerk der Immunabwehr ist kein Roboter und nicht unverletzlich. Es muss vielmehr gepflegt und in Krisenzeiten wie den jetzigen gestärkt werden. Nur so bleibt es leistungsfähig.
Grippe-Impfung, Sport, Stress-Vermeidung
Wo droht Gefahr? „In der kommenden kälteren Jahreszeit treten insbesondere Infekte der oberen Atemwege häufiger auf“, sagt Marcus Schuchmann. „Neben der kalten trockenen Luft, die unser Schleimhäute weniger widerstandsfähig macht, spielt auch die jahreszeitabhängige Genregulation unseres Immunsystems eine wichtige Rolle, das im Winter mehr auf Angriff geschaltet ist.“
Marcus Schuchmann, Ärztlicher Direktor des Klinikums Konstanz
| Bild: Andrea Jagode
Und damit das System seine Fähigkeit zum Angriff behält, muss man Vorsorge treffen. Dazu zählt die Grippe-Impfung für Menschen über 60 Jahre. „Sportliche Aktivität und die Vermeidung von anhaltendem Stress sind wichtige Faktoren, die beitragen, gesund durch den Winter zu kommen“, sagt der Mediziner Schuchmann.
Auch Pausen, Vermeiden von Übergewicht und Erschöpfungszuständen stärkten das Immunsystem. Schuchmann hält es auch für gut denkbar, „dass zusätzlich die wegen der Corona-Pandemie notwendigen Hygiene-Maßnahmen winterliche Erkältungen seltener werden lassen“.
Diese Rolle spielt Ernährung
Frank Hinder von HBK-Klinikum betont die wichtige Rolle, die die Ernährung für die Stärkung des Immunsystems spielt. „Ausgewogene Kost mit ausreichend Vitaminen und Spurenelementen stärken den Organismus“, betont Hinder. „Mangelernährung mit einem Defizit an Vitamin C macht anfällig für Infektionen“, stellt der Chefarzt fest.
Frauen haben in diesem Abwehrkampf gegenüber Männern einen gewissen Vorteil. „Sie entwickeln bei Infektionen und Impfungen eine stärkere Immunantwort“, sagt der Konstanzer Klinikdirektor Marcus Schuchmann. Ursache: Weibliche Östrogene (Sexualhormone) wirken aktivierend auf das Immunsystem, während das bei den Männern vorwiegende Testosteron einen bremsenden Effekt hervorruft.
Sieben bis acht Stunden Schlaf
Für beide Geschlechter gilt aber: Menschen, die sehr angestrengt unterwegs sind oder zu wenig schlafen, sind anfälliger für Infektionen. „Das kann man im Labor messen“, sagt Marcus Schuchmann.
Die Stärkung des Immunsystems kann also mit Verhaltensänderungen beginnen, die wir gut beeinflussen können: Für ausreichend Schlaf sorgen, wobei sieben bis acht Stunden als guter Durchschnitt gelten, und Belastungen möglichst reduzieren.
Darüber hinaus gibt Marcus Schuchmann noch einen Tipp mit in die kühle Jahreszeit:
„Dem Immunsystem hilft alles, was unserem Körper und der Seele gut tut.“