So geht Fliegen mit Strom: Im Elektro-Flugzeug am Bodensee unterwegs
Stromantrieb ist bei Flugzeugen noch eine Ausnahme. Das könnte sich dank des „Elektra Trainer“ ändern. Der SÜDKURIER ist zu einem Rundflug am Bodensee gestartet – erleben Sie mit vielen Videos, wie sich das anfühlt.
Fliegen fast wie mit einem herkömmlichen Motorsegler: Der „Elektra Trainer“ hat statt einem Kraftstofftank mehrere Batterien.
| Bild: Elektra Solar GmbH
Der Motorsegler aus Stahlrohr, Holz und Leinwand schwebt auf dem Flugplatz von Stahringen bei Radolfzell zur Landung ein. Flugschüler und Lehrer drehen Platzrunden. Starten, landen, starten, landen, das muss geübt werden. Das Brummen des 80-PS-Motors ist Generationen von Fliegern so vertraut wie das weiße Mützchen auf dem Kopf, das gegen Sonnenstrahlen gute Dienst leistet.
Fluglehrer und früher Versuchspilot
Auch Uwe Nortmann (74) ist am Mützchen als Flieger erkennbar. Den Mann aus Salem nur einen Flieger zu nennen, wäre aber untertrieben. Er ist Fluglehrer und – was eher selten ist – früherer Versuchspilot und -Ingenieur beim damaligen Flugzeugbauer Dornier. Motoren- und Turbinen sind ihm als Ingenieur vertraut – auch ihr Spritdurst und die akustische Kulisse der Fliegerei.
Allerdings arbeitet der Salemer mit Hochdruck daran, diese Kulisse beiseite zu schieben. Dazu zieht er einen kastenförmigen Transportanhänger auf dem Vorplatz. Er enthält einen zerlegten Motorsegler – allerdings hat der keinen Kolbenmotor, sondern er fliegt rein elektrisch.
Wie sicher ist das elektrische Fliegen?
„Das ist die Zukunft“, sagt Uwe Nortmann lachend und macht sich an die Arbeit. Das Flugzeug wird zusammengebaut – Flieger sagen: aufgerüstet –, damit der Reporter als Copilot erfährt, wie sicher das elektrische Fliegen inzwischen funktioniert. Zunächst werden die Tragflächen aus dem Hänger gezogen.
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Aufbau TragflächeVideo: Alexander Michel
Schließlich wird der maiskolbenförmige Rumpf aus dem Hänger gedrückt. Das Flugzeug wiegt leer 400 Kilo. Dazu kommen 200 Kilo Zuladung, die vor allem für Pilot und Copilot gebraucht werden. Zugelassen ist die Maschine seit diesem Januar als Ultraleichtflugzeug.
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Aufbau RumpfVideo: Alexander Michel
Die meiste Geduld braucht die Verbindung von Tragflächen und Rumpf. Hier kommt es auf den Millimeter an, damit die Sicherungsbolzen richtig greifen. Hier braucht es etwas Geduld und Erfahrung.
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Aufbau FlächenwurzelVideo: Alexander Michel
Die Entwicklung des Trainers wendet sich nicht an Öko-Enthusiasten oder bastelfreudige Aero-Freaks, sondern ist für die breite Flug- und Vereinsbevölkerung gedacht – so wie der Veteran und bewährte Kolbenmotor-Bruder.
Dessen Boxer-Triebwerk muss alle 50 Stunden Laufzeit einer Wartung unterzogen werden: Ölwechsel, Zündkerzenkontrolle. „Das alles entfällt beim Elektra-Trainer“, sagt Strom-Pilot Nortmann. „Und das senkt die Kosten.“ Er schraubt die Abdeckung über der Rumpfnase auf.
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Erklärung der AkkusVideo: Alexander Michel
Der Hersteller Elektra Solar im bayerischen Landsberg am Lech wirbt mit „konkurrenzlos günstigen“ 60 Euro für eine Motorbetriebsstunde in seinem knallgelben Flieger, dessen ungewöhnlich spitze Rumpfnase sanft in einen Dreiblattpropeller ausläuft. Genau dahinter sind die zwei Elektromotoren mit je 35 Kilowatt Startleistung gepackt.
Die beiden Elektromotoren sitzen direkt hinter dem Propeller. Sie leisten zusammen 70 Kilowatt. Völlig ausreichend für das, was von einem Schulflugzeug erwartet wird.
| Bild: Michel, Alexander
Alles, was Verbrennungsmotoren von Flugzeugen breit macht – etwa die Kühlrippen der Zylinder und weitere Anbauten – entfällt hier. Das Doppel-E-Triebwerk hat den Durchmesser eines Fußballs und dreht sich einfach mit. Es ist quasi seine eigene Kurbelwelle.
Der allwissende Bildschirm
Aber wie sieht es mit der Kontrolle des Piloten über Batterien und Reichweite aus? Die Informationen laufen über einen großen Interaktiven Monitor, über den alle Daten abgefragt werden können – wie der Ladezustand der Akkus und die verbleibende Flugzeit mit Reichweite.
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Erklärung des BildschirmsVideo: Alexander Michel
Die große Panoramahaube wird geschlossen und verriegelt. Der Pilot klickt ein paar Kippschalter nach unten, der Motor ist betriebsbereit und wartet darauf, dass man die beiden Leistungshebel nach vorne schiebt. Kurios: Leerlauf gibt es keinen. Schlagartig setzt der Propellerwirbel mächtig ein, und wir rollen wie alle anderen Maschinen zum Start.
Mit 48 Dezibel angenehm leise
Ebenfalls ungewohnt: Der Motor trägt nur ein kräftiges Schnurren in die Kabine, draußen bleibt es für die Zuschauer mit gemessenen 48 Dezibel angenehm leise. Headsets für die Unterhaltung, wie es das Randalieren eines herkömmlichen Motors erfordert, sind unnötig. Man hört jedes Wort. Schneller als gedacht ist die „Elektra“ nach kaum 150 Metern mit dem SÜDKURIER-Reporter in der Luft.
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Start ElektraVideo: Susanne Michel
Beim Auftrieb helfen die Tragflächen, die denen eines modernen Segelflugzeugs vergleichbar sind – allerdings bei bescheidener Spannweite von 13,5 Metern. Die sind im Steigflug aber kein Nachteil. Die Maschine gewinnt mit zwei Metern pro Sekunde komfortabel und ohne die Vibrationen eines Kolbentriebwerks an Höhe, die Folien über den Apfelplantagen am Boden schrumpfen schnell. Rein thermisches Fliegen im Aufwind wäre möglich.
Die Gleiteigenschaften dieses E-Motorseglers entsprechen denen eines Schulflugzeugs älterer Bauart, und Uwe Nortmann macht sich an den Beweis: Er stellt den Motor ab. Nur die Luftgeräusche steigern sich, als er das Flugzeug in eine Linkskurve nach unten drückt und im Tiefflug über die Graspiste zischen lässt.
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Anflug ElektraVideo: Alexander Michel
Dann startet er das Triebwerk und zieht die Elektra Richtung Bodanwald nach oben.
Man kann mit der gelben Elektro-Biene also genau das tun, was viele Segelflieger schätzen: Unabhängig starten, Höhe gewinnen, Wolken anfliegen, Motor abstellen und segelnd einkreisen, um die Thermik zu nutzen. „Wenn ich so fliege, kann ich meine Flugzeit um einiges verlängern“, sagt der E-Pilot.
Großer Deutschland-Rekordflug in Vorbereitung
In Kürze will er einen Streckenrekord aufstellen: von Oberschleißheim bei München zur Friesen-Insel Juist. Mit nur zwei Zwischenstopps zum Nachladen, einer im Hunsrück, einer am Teutoburger Wald. Gesamtstrecke 833 Kilometer, wenn das Wetter es zulässt.
Wir queren den Mindelsee und fliegen in 400 Metern einen Vollkreis über die Altstadt von Radolfzell. Die Maschine gehorcht bei wenig Kraftaufwand sofort und legt sich geschmeidig in die Kurve. Der Motor schnurrt mit einem schmalen Verbrauch von 12 kw/h munter dahin, aber unten bei den Radolfzellern kommt kein lästiges Gebrumme an. „Die hören uns nicht“, sagt der Pilot grinsend.
Anderthalb Stunden sind noch im Akku
Zurück in Stahringen zeigt der Bildschirm eine Restmotorlaufzeit von gut anderthalb Stunden an.
Nach der Landung: Uwe Nortmann erläutert SÜDKURIER-Redakteur Alexander Michel den Stromverbrauch des Elektra Trainer.
| Bild: Susanne Michel
Später lädt Uwe Nortmann die Akkus wieder auf und drückt den Ladestecker in den Anschluss am Rumpf der „Elektra“.
Hier werden die Akkus des Trainers wieder geladen. Die Steckdose dafür befindet sich an der linken Rumpfseite. Das Foto entstand nicht in Stahringen. Im Hintergrund eine Dornier Do 27.
| Bild: Uwe Nortmann
Demnächst kann er ganz sichergehen, dass die Strombetankung nur von der Sonne kommt. Auf und an seinem Transportanhänger hat er bereits eine Serie von Solarpaneelen installiert, nur die Elektrik harrt noch der Vollendung. „Nach zwei Stunden sind die Akkus dann wieder voll.“ Grüner Strom für ein gelbes Flugzeug. In Stahringen geht das Elektrozeitalter an den Start.