Im Fall des im Darknet zum sexuellen Missbrauch verkauften Jungen aus dem badischen Staufen ist die Mutter des Kinds zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden.

Ihr Lebensgefährte erhielt am Dienstag vor dem Landgericht Freiburg zwölf Jahre Haft und anschließende Sicherungsverwahrung. Mit den beiden Urteilen endete die juristische Aufarbeitung der Tatserie.

Die beiden Angeklagten stehen im Gerichtssaal neben ihren Verteidigern
Bild: Thomas Kienzle (AFP)

Schmerzensgeld für beide Opfer

Das Gericht blieb mit dem Strafmaß etwas unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese hatte für die Mutter 14 Jahre und sechs Monate Haft und für den einschlägig wegen Pädophilie vorbestraften Lebensgefährten 13 Jahre und sechs Monate Haft und Sicherungsverwahrung gefordert.

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Das kürzlich zehn Jahre alt gewordene Kind lebt inzwischen unter staatlicher Obhut. Nach Angaben seiner Rechtsanwältin geht es dem Jungen „den Umständen entsprechend gut“. 

Das Gericht sprach dem Jungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro zu. Das von dem Paar missbrauchte Mädchen bekam 12.500 Euro zugesprochen.

Christian L. wird in den Gerichtssaal geführt.
Bild: Thomas Kienzle (AFP)

Wie haben die Angeklagten auf das Urteil reagiert?

Christian L . lässt nach der Urteilsverkündung seinen Blick durch den Saal schweifen, ein Lächeln umspielt seine Lippen - fast, als wäre er stolz auf das Urteil.

Er trägt wieder seinen Rosenkranz über dem offenen schwarzen Hemd, unter dem er ein blaues T-Shirt trägt. Er kaut Kaugummi.

Richter Stefan Bürgelin verliest die Urteilsbegründung und beschreibt noch einmal detailliert die Tatvorwürfe. Währenddessen flüstert Christian L. immer wieder mit seiner Verteidigerin Martina Nägele.

Urteil im Prozess nach jahrelangem Kindesmissbrauch in Freiburg
Bild: Patrick Seeger (dpa)

Berrin T. hat ihre Haare zu einem Seitenscheitel gekämmt, die Haare sind zum Teil nachgewachsen. Sie blickt vor sich auf den Tisch, kaut auf ihrer Unterlippe.

Der zuständige Chefermittler der Kripo sitzt heute ebenso im Zuschauerraum, wie die mutmaßliche Halbschwester von Christian L..

Urteil gegen Berrin T. ist rechtskräftig

Berrin T. will ein Zeichen setzen und verzichtet auf Rechtsmittel gegen das Urteil. Sie tue dies auch für ihren Sohn. Sie wolle, "dass Ruhe ist."

Staatsanwältin Nikola Novak verzichtet ebenfalls auf Rechtsmittel, ebenso wie Opferanwältin Katja Ravat.

Urteil gegen Christian L. noch nicht rechtskräftig

Die Verteidigerin von Christian L. legt Rechtsmittel ein, um die vorgesehene Frist zu wahren. Sie wird mit ihrem Mandanten erörtern, ob eine Revision angestrebt werde oder nicht. 

Staatsanwältin Novak plant, keine weiteren Rechtsmittel einzulegen. Für sie ist es "ein guter Tag für den Rechtstaat". Alle Beteiligten könnten sich in die Augen schauen, sagte sie am Mittag.

Der wegen Kindesmissbrauchs angeklagte Lebensgefährte (l) und die angeklagte Mutter (r) sitzen in einem Saal des Landgerichts vor der ...
Bild: Patrick Seeger (dpa)

Die Urteilsbegründung

Richter Bürgelin geht durch jeden einzelnen Tatvorwurf, beschreibt noch einmal genau, wie der Junge missbraucht wurde.

Menschen verlassen immer wieder den Saal, oder blicken zu Boden, schütteln den Kopf, halten die Hand vor den Mund. Währenddessen reibt sich die mutmaßliche Halbschwester L.'s über die Augen, blickt zu Boden.

Bürgelin betont, dass es ungewöhnlich viele Videos in diesem Fall gibt, "in sehr guter Qualität", so dass auch Details zu erkennen gewesen seien, "die man so genau eigentlich gar nicht sehen will".

Der Vorsitzende Richter Stefan Bürgelin.
Der Vorsitzende Richter Stefan Bürgelin. | Bild: Patrick Seeger (dpa)

Berrin T. war "von Anfang an eingebunden" 

Zudem hätten viele Chats zwischen Christian L. und Berrin T. insbesondere vor den ersten Missbrauchshandlungen eindrucksvoll belegt, dass sich "die Taten genauso angebahnt haben", wie L. sagte. Auch die Tatsache, dass T. "von Anfang an eingebunden war", dass L. "praktisch um Erlaubnis gebeten hat".

Das Mädchen, das die beiden missbraucht haben, sei Berrin T. "gar nicht so wichtig" gewesen. L. sollte nur die Finger von ihrem Jungen lassen. "Es hat nicht lange gedauert, dass er die Finger von dem Jungen gelassen hat", stellt Bürgelin klar. Und "da war sie wieder eingeweiht".

Dass eine Mutter in die Missbräuche des eigenen Kindes eingeweiht ist, sei schon eine Besonderheit in diesem Fall, betont der Richter noch einmal. Oft sei es eher so, dass Männer sich an Frauen mit Kindern heranmachen und deren Kinder dann heimlich missbrauchen.

Urteil im Prozess nach jahrelangem Kindesmissbrauch in Freiburg
Bild: Patrick Seeger (dpa)

Das Gericht über Berrin T.

Berrin T. leide unter einer Lernbehinderung. Dennoch seien keine Zweifel an geistiger Leistungsfähigkeit aufgetreten. Sie habe das Familiengericht getäuscht und das Bild der schützenden, liebenden Mutter abgegeben.

Dennoch stehe ihr die Chance auf Resozialisierung zu. Berrin T.  habe nur zögernd und nicht von Anfang an umfänglich ausgesagt. Bei ihr sei eine Persönlichkeitsentwicklung mit geringer Selbstverantwortlichkeit festzustellen. Das Gericht folgt damit der Einschätzung von Gutachter Hartmut Pleines. 

Warum bekommt die Mutter eine höhere Haftstrafe?

Während Christian L. wegen seiner umfangreichen Aussagen auch als Kronzeuge in anderen Verfahren eine Strafmilderung gewährt wurde, sah das Gericht bei Berrin  T. keine Veranlassung für eine Milderung der Strafe. Stattdessen nutzte das Gericht die Regelstrafe.

Die 48-Jährige erhielt den höchsten Grundstrafrahmen wegen einer besonders brutalen Tat, zu der sie keine Stellung nahm.

Berrin T., die Mutter des missbrauchten Jungen, wird in den Saal des Freiburger Landgerichts geführt. Dort sitzt bereits ihr ...
Bild: Thomas Kienzle (AFP)

„Das muss man leider sagen, Frau T.: Wir haben kein anderes Video gesehen, das für den Jungen so schmerzhaft war. Er hat 30 Sekunden lang Schmerzensschreie ausgestoßen“, sagte der Richter zur Begründung. 

"Leider wollten Sie uns dazu nichts sagen, Sie haben nur gesagt, dass Sie das waren, aber nicht warum."

Wie geht es dem Jungen?

Aufgrund des von Christian L. und Berrin T. auferlegten Schweigegebots soll der Junge zunächst verängstigt und nicht in der Lage gewesen sein, sich den Kripobeamten anzuvertrauen.

Er versucht in einer Pflegefamilie wieder Tritt im Leben zu fassen. Er leide aber bis heute unter den Taten und hat Schlafprobleme.

Das sagt der Chefermittler

Er könne mit dem Urteil "sehr gut leben", sagt der Chefermittler um die Mittagszeit in Freiburg. In seinen Augen habe Christian L. einen gut Weg gefunden.

Er habe die Sicherungsverwahrung sowie die Möglichkeit einer Therapie selbst gefordert, was den Ermittler positiv überrascht hat.

Während andere Mittäter sich dagegen wehren, hätte L. seine Pädophilie angenommen.

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So begann der Tag der Urteilsverkündung

Vor dem Gerichtsgebäude in Freiburg hatten schon früh am Morgen Kamerateams auf den Beginn der Urteilsverkündung gewartet.

Vor dem Landgericht in Freiburg warten Kamerateams auf den Prozessbeginn.
Bild: Mirjam Moll

Wie bereits zum Prozessauftakt im Juni, hatten sich auch heute wieder Menschen zu einer Mahnwache zusammengeschlossen.

Wieder gibt es eine Mahnwache am Freiburger Landgericht. Dort fällt heute das Urteil gegen Christian L. und Berrin T.
Bild: Mirjam Moll

Im Gerichtssaal füllten sich die Zuschauerplätze. Mit Spannung wurde das Urteil gegen die beiden Hauptangeklagten erwartet.

Der Prozess gegen die Mutter des missbrauchten Jungen und deren Lebensgefährten hat bundesweit für Entsetzen gesorgt. Am Morgen der ...
Bild: Mirjam Moll

Zahlreiche Kamerateams und Fotografen warteten darauf, dass die beiden Angeklagten in den Gerichtssaal geführt werden. 

Bild 11: Heute fällt das Urteil gegen Christian L. und Berrin T.
Bild: Mirjam Moll

Das Interesse an der Urteilsverkündigung war riesengroß. Nur noch wenige Zuschauerplätze waren frei. Und auch Vertreter der Presse sind zahlreich erschienen.

So sah es am Morgen im Gerichtssaal aus Video: Mirjam Moll

Welches Urteil erwarten die Besucher? Wir haben mit einer Zuschauerin vor der Urteilsverkündung gesprochen:

Welches Urteil erwarten Sie? Video: Mirjam Moll

Der Hintergrund

Die Verbrechen lösten bundesweit Entsetzen aus, weil der heute Zehnjährige nicht nur von seiner 48 Jahre alten Mutter und ihrem 39-jährigen, einschlägig vorbestraften Partner mehr als zwei Jahre vergewaltigt und misshandelt wurde.

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Das Paar aus Staufen bei Freiburg bot das Kind laut Anklage auch im Internet an und verkaufte es an Freier aus dem In- und Ausland. Die aktive Beteiligung der Frau bei den Straftaten an ihrem eigenen Kind gilt als ungewöhnlich.

Diese Strafen forderte die Staatsanwaltschaft

Staatsanwältin Nikola Novak forderte für Christian L. 13,5 Jahre Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung, für Berrin T. sogar 14,5 Jahre, weil sie sich weitaus weniger kooperativ zeigte als ihr Partner. Sicherungsverwahrung erachtet Novak bei der Frau nicht für notwendig, auch, weil die Mutter nicht einschlägig vorbestraft ist.

Staatsanwältin Nikola Novak sitzt im Gerichtssaal vor der Urteilsverkündung.
Staatsanwältin Nikola Novak sitzt im Gerichtssaal vor der Urteilsverkündung. | Bild: Patrick Seeger (dpa)