Die schiere Masse an forensischen Spuren um die Freiburger Gruppenvergewaltigung lässt erahnen, wie aufwendig die Ermittlungen gewesen sein müssen: 220 Spurendatensätze und 165 Personen wurden abgeglichen. Helga Seyschab ist Diplombiologin beim LKA und leitete die Untersuchung der Spuren in dem Fall um eine damals 18-Jährige, die im Oktober 2018 von mindestens elf Männern unweit des Eingangs des Technoclubs Hans-Bunte-Areal im Freiburger Industriegebiet vergewaltigt worden sein soll.
Bis heute werden weitere Spuren gefunden
Am Tag 27 der Mammutverhandlung geht es um Substanzielles – um jene Spuren am Körper und der Kleidung des mutmaßlichen Opfers, die kaum Interpretationsspielraum zulassen. So berichtet Seyschab von starken Blutspuren im Slip der jungen Frau sowie inneren Verletzungen im Intimbereich – ein Hinweis auf gewaltsamen Geschlechtsverkehr. Spermaspuren wurden ebenfalls gefunden, sie allein aber sind noch kein Beweis für eine Vergewaltigung. Das Team von Seyschab arbeitete auch an den Wochenenden, analysierte und wertete aus. Bis heute bekommt es weitere Spuren zur Auswertung in dem Fall, betont Seyschab. Die Analyse ist schwierig, da durch die Vielzahl der Tatverdächtigen höchst komplexe Missspuren getrennt und zugeordnet werden müssen.
Laut Staatsanwaltschaft liegen gegen acht der Angeklagten DNA-Spuren vor, wovon eine „erklärbar“ sei: So wurde eine Spur von Muhamad M. gefunden an einer Bierflasche am Tatort – der junge Mann, der von sich behauptet, dem mutmaßlichen Opfer nichts angetan zu haben, sie lediglich im Gebüsch gefunden zu haben. Die übrigen Spuren sind den Angaben nach unterschiedlich schwer belastend. Ihre Auswertung vor Gericht steht noch aus. Gegen die übrigen liegen keine DNA-Spuren vor, was die Beweisführung erschwert. Es ist die Krux in diesem Fall.
Weil Franziska W., das mutmaßliche Opfer, bei der Polizei angegeben hatte, sie sei gezwungen worden, Sperma zu schlucken, untersuchte das LKA die Kleidung erneut auf Speichelspuren – in der Hoffnung, weitere DNA zu sichern. Es ist nur eine der vielen Hürden in dieser Verhandlung.
Dennoch zieht die Staatsanwaltschaft keine allzu negative Zwischenbilanz: „Das ist ein Prozess mit vielen Schwierigkeiten, das war von Anfang an zu erwarten. Weil es ein Bild ist, das sich aus vielen kleinen Mosaiksteinen zusammensetzt und weil es eine Vielzahl von Verfahrensbeteiligten sind“, resümiert Staatsanwalt Thorsten Krapp. Zwar habe eine „hohe Zahl der Zeugen ein außergewöhnlich schlechtes Erinnerungsvermögen“, sagt Krapp. Aber viele der zahlreichen Zeugen seien solche, die gar keine eigenen Beobachtungen schildern können, sondern lediglich Hörensagen wiedergeben. Ihren Aussagen sei dementsprechend kein allzu großes Gewicht beizumessen.
Anklage arbeitet mit Gutachten und vielen Daten
Stattdessen stützt sich die Anklage auf die Gutachten der Sachverständigen, wie zur Wirkung von Ecstasy und K.O.-Tropfen. Jenes über den psychischen Zustand der jungen Frau gehört dazu – es steht noch aus. Schließlich die Daten der Smartphones – Telefongespräche und Chats zwischen den Angeklagten. Das sind die harten Fakten im Fall, die gemeinsam mit den DNA-Spuren die Anklage stützen.
Schon Ende Januar könnten die Plädoyers gehalten werden, sagte Staatsanwalt Rainer Schmid dem SÜDKURIER. Weil Teile der Verhandlung nicht öffentlich stattfanden, dürfen die Plädoyers rein rechtlich ebenfalls nicht vor Publikum gehalten werden. Sie dürften einige Zeit in Anspruch nehmen.