Die Türen der Schulen und Kindergärten in Baden-Württemberg bleiben ab Dienstag, 17. März, zu. Das hat die Landesregierung in einer Sonderkabinettssitzung beschlossen. Bis nach den Osterferien sollen die landesweit rund 1,5 Millionen Schüler zuhause bleiben. Wir beantworten Fragen, die sich Erziehungsberechtigte nun stellen:
1. Dürfen Eltern jetzt zuhause bleiben?
Wer glaubt, dass Eltern ein Recht darauf haben, wegen den Schulschließungen daheim zu bleiben, irrt sich laut Rechtsanwalt Ingo Lenßen. „Bei kranken Kindern hat der Gesetzgeber den Eltern dieses Recht eingeräumt. Aber hier geht es nicht um eine Krankheit bei Kindern, sondern um eine Vorsichtsmaßnahme des Landes“, sagt er. Lenßen sieht deshalb den Gesetzgeber in der Pflicht, für diese Ausnahmesituation eine Regelung zu formulieren.
Wer unverschuldet wegen der Kinderbetreuung nicht zur Arbeit gehen könne, dürfe in den meisten Fällen für einen kurzen Zeitraum zuhause bleiben. Das ist Lenßen zufolge aber nur solange möglich, bis die Betreuungssituation geklärt ist. Einen Anspruch auf Lohn habe man in dieser Zeit nicht unbedingt. Ingo Lenßen rät dazu, unbedingt mit dem Arbeitgeber Rücksprache zu halten.
2. Wer bezahlt den Verdienstausfall der Arbeitnehmer?
Eltern, die Kinder ab kommender Woche zuhause betreuen müssen, haben gegenüber dem Arbeitgeber keinen Anspruch auf unbezahlten Urlaub. Wenn es für solche Fälle keine betriebliche Regelung gibt, müssen sie regulären Urlaub beantragen, im Homeoffice arbeiten oder Überstunden abbauen. Nur für kranke Kinder können Eltern bis zu zehn Tage frei nehmen, bei Alleinerziehenden sind es 20 Arbeitstage. Für die Bezahlung in diesen Fällen gibt es keine gesetzliche Regelung.
3. Sollten Eltern die Kinder von Oma und Opa betreuen lassen?
Das ist keine gute Idee, kommt aber auch auf das Alter der Großeltern an. Extrem gefährdet sind Experten zufolge die Über-80-Jährigen. Bei dieser Altersgruppe liegt das Sterberisiko im Ansteckungsfall laut Christian Drosten, dem Chefvirologen der Berliner Charité, bei 20 bis 25 Prozent. Drosten rät deshalb davon ab, dass Großeltern zur Betreuung eingesetzt werden. Grundsätzlich gilt: Je älter die Menschen sind, desto schwerer die Verläufe. Daten aus China zufolge gilt ein erhöhtes Risiko bereits ab 60 Jahren.

4. Wie sieht es mit digitalem Unterricht aus? Ist das bei uns im Land möglich?
Teilweise ist das möglich, sagt Ralf Scholl, der Vorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg. Er vermutet allerdings, dass wohl niemand einen kompletten Überblick hat, wie gut die Schulen im Land technisch ausgestattet sind – beispielsweise die jeweiligen Schulserver. „Berufliche Schulen sind technisch vielleicht am besten gerüstet. Wie die Situation bei anderen Schularten aussieht, kann ich nicht beurteilen.“
Aus Sicht des Elternbeirates ist das Land absolut nicht vorbereitet. „Wir haben keine Möglichkeiten, auf digitale Bildungsangebote auszuweichen, weil wir nach wie vor in der Steinzeit sind“, sagt Carsten Rees, der Vorsitzende des Landeselternbeirats.
Wichtig werden in nächster Zeit Online-Lernplattformen wie Moodle, sagt Ralf Scholl. Dort können Arbeitsmaterialien hochgeladen werden, außerdem können Schüler und Lehrer in einem Chat miteinander kommunizieren. Scholl findet das System sinnvoll, sagt aber auch: „Ob das Ganze jetzt einer enorm steigenden Zugriffszahl standhält, wird sich zeigen. Besonders nutzerfreundlich ist Moodle zudem auch nicht.“
Sorgen, dass Lehrer digital nicht ausreichend geschult sind, hat er nicht unbedingt. Die Zahl an jungen Lehrern sei zurzeit so hoch wie es in näherer Zukunft nicht mehr der Fall sein wird. „Über 80 Prozent der heutigen Gymnasiallehrer sind im Vergleich zum Schuljahr 2001/02 neu. Während des Studiums werden angehende Lehrer digital geschult“, erklärt Scholl.
5. Müssen Kinder rund um die Uhr zuhause bleiben?
Virologe Christian Drosten hält es mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die forderte, soziale Kontakte so weit wie möglich einzuschränken. „In der aktuellen Situation sage ich eindeutig: Bleibt besser zu Hause. Trefft euch im kleinen Kreis und schaut euch eine Serie an. Geht nicht in Clubs, nicht auf Partys. Kein enger Kontakt mit vielen Leuten.“
6. Wie Corona-gefährdet sind Kinder überhaupt?
So wie es derzeit aussieht, ist das Risiko für Kinder eher gering. Sie sind laut eines Berichts der Weltgesundheitsorganisation aus China bislang selten betroffen. Jüngere Menschen unter 19 Jahren machten demnach nur einen Bruchteil (2,4 Prozent) der dort erfassten Fälle aus. Bei dieser Gruppe verlief die Krankheit in der Regel mild. Weniger als drei Prozent der betroffenen Kinder erkrankten nach aktuellem Kenntnisstand schwer bis kritisch.
7. Ab welchem Alter kann ich mein Kind unbeaufsichtigt zuhause lassen?
Eine eindeutige Antwort auf diese Frage hat der Gesetzgeber nicht. Laut Ingo Lenßen hängt die Entscheidung diesbezüglich immer vom Reifegrad des Kindes ab. Er trennt Kinder deshalb juristisch in drei Gruppen: klein, mittel und jugendlich. Bei kleinen Kindern ist seine Einschätzung eindeutig: „Meiner Erfahrung nach sollte man Kinder unter sechs Jahren auf gar keinen Fall allein lassen.“ Die Gefahr, dass etwas passiert, sei zu groß. Feuerzeuge und Streichhölzer sollten zwingend außer Reichweite gebracht werden, so Lenßen.
Etwas lockerer können Eltern Lenßen zufolge mit Kindern zwischen sechs und neun Jahren umgehen. „Sie können die Situation schon besser einordnen“, sagt er. Wichtig sei jedoch, den Zeitraum der Abwesenheit klar zu regeln. „Bei Kindern ab sechs Jahren kann man mit kurzen Abwesenheitszeiten beginnen, zum Beispiel zu einem Einkauf.“ Es müsse jedoch individuell auf die Bedürfnisse des Kindes geachtet werden. „Aus rechtlicher Sicht ist es unbedingt notwendig, dass man für die Kinder telefonisch erreichbar bleibt“, sagt Lenßen. Das gelte auch für Jugendliche über 14 Jahren, obwohl man sie in diesem Alter problemlos allein lassen könne.