Buba Jaiteh. Lukmann Lawall. Kingsley Emeto. Drei Menschen, drei Geschichten, eine Gemeinsamkeit. Sie alle sind für das Landes-Innenministerium nicht mehr in Baden-Württemberg erwünscht. Trotz einer Arbeitsstelle, trotz guter Integration. Der Asylantrag der Nigerianer Emeto und Lawall sowie des Gambiers Jaiteh wurde abgelehnt. Das Ministerium will sie deswegen trotz ihres mustergültigen Lebenswandels abschieben, bei Lawall ist das bereits erfolgt. Es ist ein Vorgehen, das für Empörung sorgt.
Die betroffenen Arbeitgeber, Sportfreunde der Flüchtlinge, auch Politiker: Sie verstehen das Vorgehen nicht. Es entsteht der Eindruck: Wir schieben die Falschen ab. Die, die sich bemühen, arbeiten, sich in die Gesellschaft eingliedern, die müssen raus aus dem Land. Und die Kriminellen, die untertauchen, dürfen bleiben.
Der Fall Lawall
Besonders deutlich wird das im Fall Lukmann Lawall. Er arbeitete seit 2016 in der Küche des Konstanzer Konzils. „Fleißig, aufrichtig, zuverlässig, höflich, ein sehr feiner Mensch mit guten Umgangsformen“, sagt Gaststätten-Chef Manfred Hölzl über ihn.
Doch am 16. November, holen Beamte Lawall ab. Zwei Tage Abschiebehaft. Und dann der Abschiebeflug nach Nigeria. Chef Manfred Hölzl sah seine Einstellung zum politischen System auf den Kopf gestellt. Er, der Konstanzer CDU-Stadtrat, verzweifelt an Politik von CDU-Innenminister Thomas Strobl.
In Friedrichshafen droht Kingsley Emeto ein ähnliches Schicksal. Er arbeitet in der Küche des Hotels „Goldenes Rad“ als Spüler. Sein Chef Philip Blank sagt: „Ich fühle mich im Stich gelassen.“

Und in Blumberg-Hondingen steht Buba Jaiteh vor seiner Abschiebung, obwohl er einen unbefristeten Arbeitsvertrag hat und sich ehrenamtlich im Fußballverein engagiert. Auch seine Vorgesetzen Norbert Lay und Manfred Bäurer fühlen sich von der Politik verschaukelt: „Zuerst werden wir aufgefordert, die Leute im Betrieb zu integrieren und sie einzulernen, und dann nimmt man sie uns wieder weg.“
Die Wut ist groß
Stimmt der Eindruck also, dass Abschiebungen nur die treffen, die es nicht verdient haben?
Das verantwortliche Innenministerium weist das zurück. Es verweist darauf, dass der Bund zum 1. Januar eine Gesetzesänderung plane, mit der eine sogenannte Beschäftigungsduldung erteilt werden könne. „Wir üben Bundesrecht, das erst ab 2020 gilt, schon heute aus“, teilte ein Sprecher mit. Das Ministerium beteuert, viel getan zu haben, damit gut integrierte und arbeitende Flüchtlinge bleiben könnten.
Das sieht der Leutkircher Brauerei-Chef Gottfried Härle, Sprecher der „Unternehmerinitiative Bleiberecht“, ganz anders: Er nennt das Vorgehen des Innenministeriums „einen Schlag ins Gesicht der Wirtschaft, vor allem vieler kleiner Handwerksbetriebe“. In der Unternehmerinitiative sind mehr als 170 Unternehmen aus Süddeutschland beigetreten, die zusammen mehr als 2500 Geflüchtete beschäftigen und für bereits seit Jahren Planungssicherheit und eine Bleibeperspektive fordern.
Uli Sckerl, innenpolitscher Sprecher der Landtags-Grünen, kritisiert die aktuelle Politik ebenfalls offen: „Der neue Fall zeigt: Auch unser monatelanges Bitten und Drängen konnte Innenminister Strobl nicht von der Fortsetzung seiner schlechten Abschiebepolitik abhalten – entgegen aller ökonomischer und moralischer Vernunft.“ Weiter führt er aus: „Wir wissen schon länger, dass Innenminister Strobl die Abschiebezahlen frisieren will. Aber wenn wir Menschen von der Werkbank und der Schulbank wegholen und ins Flugzeug setzen, senden wir die falschen Signale“, so Sckerl. Der Grünen-Politiker fordert einen Abschiebestopp für gut integrierte und arbeitende Flüchtlinge in Baden-Württemberg.
Auch der grüne Sozialminister Manne Lucha hatte bereits kritisiert, dass Strobl eben nicht alle Spielräume nutzt, die ihm das Bundesrecht lässt. Zur Erinnerung: Grüne und CDU sind Regierungspartner. Strobls Sprecher empörte sich, Sckerls Vorwürfe seien völlig unangemessen. „Wer rechtsstaatliches Handeln damit gleichsetzt, Zahlen zu frisieren, ist wirklich auf einem ganz schrägen Pfad unterwegs.“ Sckerl selbst erklärte danach: „Bemerkenswert ist doch: Der Innenminister erntet für seine verfehlte Prioritätensetzung auch Kritik von breiten Teilen der Wirtschaft, von CDU-nahen Verbänden und Parteifreunden.“

Der offene Streit zeigt wie kontrovers Strobls Politik ist. So machen sich FDP-Politiker für den Verbleib Jaitehs und Emeto stark. SPD-Landeschef Andreas Stoch sagt über Strobl: „Er will sich als CDU-schwarzer Sheriff inszenieren.“ Und dass selbst unter CDU-Mitgliedern das Vorgehen hinterfragt wird, zeigt das Beispiel Manfred Hölzl. Auch Konstanz‘ CDU-Bürgermeister Uli Burchardt nannte die aktuelle Regelung „schwer verständlich“.
Strobl blockiert den Spurwechsel
Letztlich laufen alle Debatten auf eines zu: den Spurwechsel. Der soll berufstätigen Flüchtlingen einen Verbleib ermöglichen, selbst wenn es keinen Asylgrund gibt. Unter anderem die SPD, FDP und die Unternehmerinitiative um Härle sprechen sich dafür aus. Thomas Strobl ist ein entschiedener Gegner dieser Idee. Er befürchtetet einen Anlock-Effekt für Flüchtlinge. Der ließe sich umgehen, indem man den Spurwechsel nur Asylbewerbern ermöglicht, die bereits im Land sind. Doch auch das kommt für Strobl nicht in Frage.
Das Innenministerium verweist auf das ab März 2020 geltende Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es ermöglicht Ausländern eine vereinfachte Zuwanderung und Bleibeperspektive. Voraussetzung: Sie müssen einen Abschluss haben, der einem deutschen Uni- oder Ausbildungsabschluss gleichwertig ist. Hilfskräfte wie Lawall oder Emeto haben diesen nicht, und doch wird nicht nur in ihrem Gewerbe jede helfende Hand gebraucht. Auch deswegen wünschen sich Unternehmer hier weiterreichende Bleibemöglichkeiten.
Das Innenministerium empfieht dagegen: „Wir müssen die integrieren, die bei uns bleiben dürfen. Das sind 67 000 Menschen.“ An der Integration der 18 000 Menschen ohne klare Bleibeperspektive ist Strobls Ministerium nicht interessiert.