Fast wäre die Vernehmung von Franziska W. wegen der Krankheit eines Anwalts erneut verschoben worden, doch Richter Stefan Bürgelin war nicht bereit, den Termin ein weiteres Mal zu verschieben. Deshalb genehmigte er einen zweiten Pflichtverteidiger für einen der Angeklagten, damit die Prozessfortsetzung um die Freiburger Gruppenvergewaltigung mit elf Angeklagten wie geplant stattfinden kann.
Im Saal stehen zwei Fernseher, jeweils nach links und rechts ausgerichtet, damit alle Verteidiger einen Blick auf den Bildschirm bekommen. Dass Franziska W. aller Wahrscheinlichkeit nach nicht im Gerichtssaal in Anwesenheit der Angeklagten vernommen werden würde, war absehbar. Die inzwischen 19-Jährige leide an Schlafstörungen und Albträumen, vermeide unvorhersehbare Situationen und Gruppen, hatte der zuständige Gutachter ihren Zustand beschrieben. Der Sachverständige warnte zudem vor den Folgen einer Konfrontation der jungen Frau mit ihren potenziellen Peinigern, die für ihre seelische Gesundheit eine große Gefahr darstellen würde.
Vernehmung zieht sich in die Länge
Franziska W. war bei der Polizei drei Mal vernommen worden, „das hat nicht allzu viel Zeit in Anspruch genommen“, sagte Staatsanwalt Thorsten Krapp dem SÜDKURIER, bevor der Prozess fortgesetzt wurde. Er ging jedoch davon aus, dass die Vernehmung von Franziska W. sich dennoch deutlich in die Länge ziehen könnte – „weil die Verteidiger einige Fragen an sie haben werden, vor allem zu den Dingen, die sie nicht mehr genau benennen kann“, so Krapp weiter.
Die Anordnung von Richter Stefan Bürgelin kommt daher nicht überraschend. Das Gericht ordnete an, dass sich die Zeugin „während der Vernehmung an einem anderem Ort aufhält und mit Bild und Ton übertragen wird, die Öffentlichkeit wird für die Dauer der Vernehmung und die Schlussanträge ausgeschlossen“.
Zur Begründung nannte Bürgelin die „dringende Gefahr eines schwerwiegendes Nachteil der Zeugin Franziska W.,“ wenn sie in Anwesenheit der Angeklagten und der Vielzahl der Verfahrensbeteiligten vernommen würde.
Bei der inzwischen 19-Jährigen bestehe die „Gefahr der Verschlimmerung der derzeit herrschenden Symptome“. Wegen der Schilderungen des Sachverständigen hält das Gericht die audiovisuelle Vernehmung für sachgerecht.
Eine direkte Konfrontation könnte Franziska W. schaden
Mehrere Verteidiger hatten den Antrag gestellt, die Zeugin im Saal zu vernehmen. Schließlich stellte der Verteidiger des Hauptangeklagten Majd H., Jörg Ritzel, den Antrag, die Angeklagten in einen anderen Raum zu bringen und stattdessen die Zeugin im Gerichtssaal zu vernehmen. Das lehnte Richter Bürgelin ab: „Die Vernehmung der Zeugin im Saal“ und dementsprechend die Bereitstellung eines weiteren Raums für die Angeklagten sei „schon wegen der Vielzahl der Angeklagten nicht praktikabel“.
Staatsanwalt Krapp sagt dem SÜDKURIER in der Pause, die Zeugin habe zwar „sehr angespannt“ aber zugleich „gefasst“ gewirkt, „reflektiert, ohne jeden Belastungseifer“, „bemüht, die Fragen zu beantworten, soweit es die Erinnerung zulässt, zu beantworten“. Im Vergleich zur „Aktenlage“ habe es keine Überraschungen gegeben, betonte der 38-Jährige. „Dass die Geschädigte nach dem Zeitablauf nicht mehr alle Details so erinnert, wie sie sie der Polizei geschildert hat, ist normal“, ergänzte er.
Dass die Befragung der Zeugin nun doch außerhalb des Gerichtssaals stattfinden konnte, begrüßte Krapp ausdrücklich: „Ich gehe natürlich davon aus, dass wenn sie im Sitzungssaal sitzen würde, die Belastung noch als deutlich höher empfinden würde. Aber man darf nicht ausblenden, dass die Belastung trotzdem“ hoch sei: „Sie weiß ja, wie viele da sitzen und dass ihrer Aussage eine erhebliche Bedeutung zukommt.“ Es gehe um „durchaus auch schambehaftete sexuelle Inhalte“, daher sei es für die Geschädigte ohnehin „keine entspannte Situation“.
Am Nachmittag sollen die Beisitzer, Staatsanwälte und Verteidiger Fragen stellen dürfen. Richter Bürgelin sei bemüht, die Vernehmung der Zeugin noch heute abzuschließen, um zu vermeiden, dass Franziska W. ein zweites Mal ins Gericht kommen müsse.