Freiburg – Die junge Frau, die da im Gerichtssaal ist, tritt selbstbewusst auf. Auch wenn es für sie „das erste Mal ist“. Corinna S. ist eine Freundin von Franziska W., dem mutmaßlichen Opfer der Gruppenvergewaltigung, die Mitte Oktober unmittelbar in der Nähe des Freiburger Hans-Bunte-Areals von mindestens elf Männern vergewaltigt worden sein soll. Die 20-Jährige mit Brille und teilweise Dreadlocks in den dunkelblonden Haaren antwortet souverän auf die Fragen des Gerichts.

Es sind harte Fragen, die die Verteidiger der Angeklagten stellen. Immer wieder gehen sie in die Richtung, ob Franziska W. mit der Intention in den Club gegangen sein könnte, sexuelle Abenteuer zu suchen. Anwältin Hanna Palm bringt ein, dass Franziska zu dem Zeitpunkt Single gewesen sei und will wissen, ob ihr Ex-Freund „eher ein dunkler Typ“ war. Anwalt Stephan Althaus will wissen, ob Ecstasy die Libido fördere. Opferanwältin Christiane Steiert schreitet immer wieder ein.
Angeheitert, nicht betrunken
Vorausgegangen ist die Schilderung von Corinna S. von jenem Abend im Herbst: Mit Franziska W. ist sie nach Freiburg gekommen, sie haben im Park etwas getrunken, irgendwo etwas gegessen, sich dann auf den Weg zum Hans-Bunte-Areal gemacht. Sie sind angeheitert, aber nicht betrunken, sagt Corinna S. Alaa A. bietet ihnen Ecstasy an. Corinna S. kann ihn identifizieren. Sie blickt sich im Gerichtssaal um – unerschrocken. Und deutet schließlich auf den Angeklagten, den auch die Staatsanwaltschaft für den Drogenverkäufer an jenem Abend hält.

Später werden ihnen Getränke von Majd H. angeboten, sie kennt seinen Namen nicht, nennt ihn aber den „Hauptverdächtigen“. Wieder wird sie gefragt, ob sie ihn unter den Anwesenden erkennen kann. Richter Bürgelin bittet die Männer aufzustehen. Majd H. und Alaa A. bleiben sitzen. Corinna S.‚s Blick gleitet über sie hinweg, fixiert auf die stehenden Männer. Sie kann ihn zunächst nicht erkennen. Später beschreibt sie sein Tattoo, als Majd H. dann seine Tätowierungen zeigen soll, sagt sie, sie erkenne sie wieder.
Zurück zur Tatnacht: Franziska W. und Corinna S. nehmen die Getränke an, die 18-Jährige trinkt davon, Corinna S. stellt ihr Getränk weg. Ihr war die Situation suspekt. Majd H. spricht mit Franzi, wie sie ihre Freundin nennt. Sie will mit dem Fremden nach draußen, damit er ihr sein Tattoo am Oberschenkel zeigen kann. Corinna S. will sie aufhalten: „Entweder du bleibst hier, oder ich komme mit.“ Doch ihre jüngere Freundin ist „gutgläubig“, ein „herzensoffener Mensch, zu jedem“. Sie sagt nur „Vertrau mir“, die Freundinnen vereinbaren noch schnell einen Treffpunkt und dann ist sie auch schon weg.
Corinna kommt nicht zurück
Doch Franziska W. kommt nicht zurück. Corinna S. beginnt, im Club nach ihrer Freundin zu suchen. Sie kann sie nicht finden. Sie ruft Bekannte von Franziska W. an, die später vielleicht nachkommen wollten in den Club und die ein Auto haben. Die beiden jungen Männer kommen in den Club, gemeinsam gehen sie nach draußen, suchen die Umgebung ab. Sie gehen in Richtung des nahegelegenen Baumarkts, wo sie Franziska W. schließlich mit Muhamad M. finden. Sie raucht.
Corinna S. ist zwar erleichert, ihre Freundin zu sehen, aber auch verärgert, weil sie so lange weg war. Franziska W. nimmt sie zur Seite, weg von Muhamad M., und sagt ihr, sie sei vergewaltigt worden. „Sie ist direkt in Tränen ausgebrochen, hat geschrien und geweint“, sei schließlich zusammengebrochen. Corinna S. sieht eine Polizeistreife in der Nähe, doch Franziska W. will nicht: „Das bringt doch nichts.“ Ihre Freundin erklärt es später so, dass Franziska W. „psychisch nicht in der Verfassung war“.
Die Nacht im Flüchtlingsheim verbracht
Dennoch sah Franziska W. in Muhamad M. einen Helfer, sagt ihre Freundin, sie habe sich bei ihm geschützt gefühlt und stimmte zu, mit ihm zu gehen und in seinem Zimmer im Flüchtlingsheim zu übernachten. „Ich habe das für keine gute Idee gehalten“, sagt Corinna S. ehrlich vor Gericht: „Aber ich wollte sie auf keinen Fall mehr alleine lassen.“ Sie konnte sie auch nicht überreden, mit den Freunden mitzugehen, die bei der Suche geholfen hatten. Die beiden verbringen die Nacht im Bett von Muhamad M., der selbst auf einer Matratze am Boden schläft. Sie werden früh wach. „Wir sind dann abgehauen“, sagt Corinna S.. Franziska W. will doch zur Polizei gehen.
In dem Freiburger Gerichtssaal muss sich Corinna S. weiter den Fragen stellen: Nein, ihre Freundin sei keine gewesen, die ständig auf Elektropartys geht – eher mit Freunden mal aufs Dorffest. Und nein, sie sei keine, die auf der Suche nach sexuellen Abenteuern sei. Und nein, Franziska W. nehme sonst keine Drogen, es war das erste Mal für sie. „Wir waren schon vorher auf Elektropartys, aber Drogen waren kein Thema“, sagt Corinna S. über ihre Freundin. An jenem Abend, betont sie immer wieder, wollten die beiden einfach nur die Musik genießen.
Wie Franziska W. befragt werden soll
Der Streit um die bevorstehende Befragung des mutmaßlichen Opfers Franziska W. geht weiter. Deren Anwältin Christiane Steiert hatte den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt. Außerdem sollte die Zeugin audiovisuell ins Gericht zugeschaltet werden, damit sie nicht mit den elf Angeklagten, ihren mutmaßlichen Peinigern, und deren Verteidigern konfrontiert ist.
- Gegenvorschlag: Anwalt Jörg Ritzel, der den Hauptangeklagten Majd H. vertritt, regt an, falls es der Zeugin nicht zumutbar sei, im Angesicht der Angeklagten auszusagen, stattdessen die Angeklagten in einen separaten Raum zu bringen und audiovisuell zuzuschalten. So sei es den Verteidigern möglich, das mutmaßliche Opfer direkt zu befragen. Einige Anwälte unterstützen den Antrag, andere äußerten Zweifel: Sie wollen Rücksprache mit ihren Mandanten halten können.
- Seelische Gefährdung: Der Gutachter betont, dass die direkte Befragung der Zeugin vor den Angeklagten nicht zumutbar sei. Er spricht von „traumatogenen Effekten“. Die Opferanwältin ärgert die Debatte: „Wenn die Voraussetzungen für eine audiovisuelle Befragung in diesem Fall nicht gegeben sind, wann dann?“ Die psychische Gesundheit W.s sei gefährdet. (mim)