Das wird teuer: Nach jahrelangem Ringen um die ebenso überfällige wie aufwendige Sanierung und Erweiterung des Stuttgarter Opernhauses liegt nun ein konkreter Vorschlag vor, auf den sich Vertreter von Staatstheater, Stadt Stuttgart und dem Land einigen konnten. Rund eine Milliarde Euro umfasst die Kostenkalkulation inklusive Komplettsanierung des Opernhauses samt neuer Kreuzbühne, Technik, neuen Kulissen- und Verwaltungsgebäuden sowie der Errichtung einer Interimsspielstätte.
Dies geht aus der Grobkostenplanung des Landesbetriebs Vermögen und Bau sowie der Stadt Stuttgart hervor, der dem Verwaltungsrat der Württembergischen Staatstheater jetzt in Stuttgart erstmals vorgelegt wurde. Neben dem Verwaltungsrat müssen auch der Stuttgarter Gemeinderat und der Landtag zustimmen.
Opernhaus platzt aus allen Nähten
Das historische Opernhaus im Zentrum der Stadt, nach seinem Erbauer auch Littmann-Bau genannt, ist über 100 Jahre alt und steht unter Denkmalschutz. Das gesamte Opern- und Kulissengebäude der Staatstheater, Arbeitsplatz von 1400 Mitarbeitern und mit dem angrenzenden Schauspielhaus das größte Dreispartentheater der Welt, ist sanierungsbedürftig. Bühnen- und Haustechnik sind veraltet, die Werkstätten und Arbeitsräume platzen aus allen Nähten.
Seit Jahrzehnten Diskussionen
Seit fast 30 Jahren wird in Stuttgart bereits über eine Sanierung, Erweiterung oder sogar einen völligen Neubau des Opernhauses debattiert. Kritiker und eine kulturengagierte Bürgerinitiative um den ehemaligen SWR-Moderator Wieland Backes hatten den kompletten Neubau eines Opernhauses sowie eine Umnutzung und kostengünstige Sanierung des Littmann-Baus ins Spiel gebracht. Der Verwaltungsrat der Staatstheater hatte sich dagegen im Mai 2018 mit einem Grundsatzbeschluss für die Sanierung des historischen Opernhauses ausgesprochen.
Ausweichspielstätte gefunden
Der Vorschlag, den Vertreter von Staatstheater, Stadt und Land erarbeitet haben, sieht eine Interimslösung mit dem Neubau zweier mehrstöckiger Gebäude sowie mehrerer temporärer Technik- und Werkstattgebäude auf einem innerstädtischen Areal vor, das bereits im Besitz der Stadt Stuttgart ist. Die Gebäude sollen anschließend umgebaut und weitergenutzt werden, die Bühnentechnik wird verkauft. Die Stadt Stuttgart, für die Ausweichspielstätte zuständig, kalkuliert für die Zwischenlösung mit Gesamtkosten von 104 Millionen Euro. Abzüglich der kalkulierten Erlöse wären dies Nettokosten von je 41,7 Millionen Euro für Stadt und Land.
Für das Hauptvorhaben, die Sanierung und Erweiterung des Operngebäudes samt zugehörigen Werkstatt-, Verwaltungs- Dienst- und Betriebsgebäuden hat der Landesbetrieb Vermögen und Bau eine Grobkostenplanung erstellt, die einen Korridor zwischen 740 und 960 Millionen Euro aufweist. Die erhebliche Spanne ist einem neuen zweistufigen Planungsverfahren im Finanzministerium geschuldet, das künftig bei Großprojekten angewandt wird und die anfangs noch geringe Planungstiefe sowie mögliche Baukostensteigerungen berücksichtigt.
Verzögerung kostet pro Jahr 30 Millionen Euro mehr
So soll sichergestellt werden, dass massive Kostensteigerungen im Vergleich zu den ersten genannten Zahlen ausbleiben. Die Summe setzt sich zusammen aus bis zu 338 Millionen Euro für die Sanierung des Operngebäudes, bis zu 260 Millionen für ein neues Kulissengebäude sowie bis zu 117 Millionen für Neugestaltung und Umbau von Innenhof und Verwaltung. Erstmals werden auch die steigenden Kosten für mögliche Bauverzögerungen beziffert: mit 30 Millionen Euro Mehrkosten pro Jahr.
Sanierung frühestens 2033 beendet
Einen Beschluss 2020 vorausgesetzt, könnte 2025/26 mit der Sanierung begonnen werden. Nach einer veranschlagten Bauzeit von fünf bis sieben Jahren könnte der Spielbetrieb in der sanierten Oper frühestens 2033 wieder aufgenommen werden.
Publikumsmagnet Ballett
Die Württembergischen Staatstheater in Stuttgart verzeichneten in der Spielzeit 2018/19 mit ihren Sparten Schauspiel, Oper und Ballett 430 000 Zuschauer. Publikumsmagnet ist das Stuttgarter Ballett, das in seinen 119 Vorstellungen auf eine Auslastung von 98 Prozent kam und dabei 125 000 Besucher anlockte. Die Auslastung der Opernvorstellungen lag in der vergangenen Spielzeit bei 71 Prozent. Opernkarten kosten aktuell zwischen acht und 139 Euro in der teuersten Kategorie. Über den Betriebskostenzuschuss von Stadt und Land ist jede Eintrittskarte mit 120 Euro an öffentlichen Geldern subventioniert. (uba)