Alexander Hettich

Mit 50.000 Euro Schmerzensgeld soll die junge Frau, die bei einem Umzug in einem Hexenkessel verbrüht wurde, entschädigt werden. Während der Eppinger Verkehrsverein das Urteil akzeptieren will, wird das ebenfalls verurteilte Mitglied einer Hexengruppe in Berufung gehen.

Im Kessel verbrüht

Die damals 18-Jährige war im Februar 2018 beim Nachtumzug in der Kraichgaustadt von einer Gruppe Maskierter im Scherz über einen Kessel mit heißem Wasser gehalten worden. Sie geriet in den Kessel und zog sich schwere Verbrennungen an den Beinen zu.

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Im Strafprozess hat das Heilbronner Amtsgericht Ende 2018 einen damals 33-Jährigen wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 6600 Euro verurteilt.

Ein Angeklagter sitzt während der Verhandlung in einem Raum des Amtsgerichts Heilbronn auf seinem Platz und hält eine Hexenmaske in ...
Ein Angeklagter sitzt während der Verhandlung in einem Raum des Amtsgerichts Heilbronn auf seinem Platz und hält eine Hexenmaske in seiner Hand. Der Mann soll bei dem Fastnachtsumzug die damals 18-jährige über einen Kessel mit kochend heißem Wasser gehalten haben. | Bild: Christoph Schmidt

Der Mann, Mitglied der Hexengruppe „Bohbrigga Hexebroda“ aus Kraichtal (Landkreis Karlsruhe), ist nun auch zivilrechtlich zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt worden. Ob er tatsächlich derjenige war, der die Frau über den Kessel hielt, war für die Zivilkammer am Landgericht nicht entscheidend. „Schon das gemeinschaftlich geplante und durchgeführte Mitsichführen dieses Kessels hat die Kammer als kausalen Tatbeitrag genügen lassen“, heißt es in einer Mitteilung des Landgerichts Heilbronn.

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Veranstalter hat Sicherungspflichten verletzt

Mit im Boot ist der von der Stadt getragene Eppinger Verkehrsverein als Veranstalter des Faschingsumzugs, der seit dem Vorfall nicht mehr ausgerichtet wird. Laut Gericht hat der Verkehrsverein, dessen Vorsitzender qua Satzung Eppingens OB Klaus Holaschke ist, „die ihn treffenden Verkehrssicherungspflichten in mehrfacher Hinsicht verletzt“.

Die Richter monierten ein vor dem Umzug ausgegebenes Merkblatt: Darin habe das Verbot gefehlt, einen mit Feuer beheizten Kessel durch die Straßen zu schieben. Außerdem habe der Veranstalter weder klar vorgegeben noch überwacht, wer den Handwagen während der Parade kontrolliert. Beide Verurteilte, Verkehrsverein und Faschings-Hexe, sind „Gesamtschuldner“, müssen sich also darüber einig werden, wie sie die 50.000 Euro Schmerzensgeld aufteilen.

Polizisten mit dem Kessel der Hexengruppe.
Polizisten mit dem Kessel der Hexengruppe. | Bild: Stephen Wolf

Hexengruppen-Mitglied sieht sich zu unrecht verurteilt

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Stadt Eppingen teilt auf Nachfrage mit, man werde nicht in Berufung gehen. Der Verkehrsverein sei für solche Haftungsfälle versichert. Darüber hinaus gibt das Rathaus keinen Kommentar zum Urteil ab. Manfred Zipper, Anwalt des verurteilten Karnevalisten, kündigte gegenüber unserer Zeitung an, sein Mandant werde sich „sowohl im Strafprozess als auch im Zivilverfahren gegen das fehlerhafte Urteil zur Wehr setzen“.

Schon im Amtsgericht hatte Zipper der Polizei „Versagen“ und der Staatsanwaltschaft „Behördenwillkür“ vorgeworfen. Seiner Ansicht nach gab es keinen Beweis gegen seinen Mandanten. Alle Mitglieder der Hexengruppe hatten vor Gericht beharrlich zum Eppinger Geschehen geschwiegen. Der Amtsrichter stützte sich auf die Aussagen von Zeugen.

Sie gaben an, einen Maskierten mit Pelzmantel erkannt zu haben. So soll der Angeklagte gekleidet gewesen sein. Das Berufungsverfahren vor der Strafkammer des Landgerichts Heilbronn beginnt nach Stimme-Informationen zwischen April und Juni. Zweite Instanz in der Zivilsache ist das Oberlandesgericht Stuttgart.

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Nachtumzug wird nicht mehr ausgerichtet

Der Vorfall beim Faschingsumzug hatte weit über die Region hinaus für Schlagzeilen gesorgt. Ein Eppinger Faschingsverein, ebenfalls an der Veranstaltung beteiligt, sah sich im Internet wüsten Beschimpfungen ausgesetzt.

Der Nachtumzug ist seither aus dem Veranstaltungskalender gestrichen, das wird voraussichtlich so bleiben. Bei der Parade waren jedes Jahr mehr als 1000 Teilnehmer und tausende Zuschauer dabei.