Dem Erzbistum Freiburg (1,8 Millionen Gläubige) geht es finanziell gut. Im eben verabschiedeten Haushalt für 2020 können 634 Millionen Euro ausgegeben werden. Das übertrifft die vorigen Jahre, die auch gut waren, noch – und das trotz verhaltener Konjunktur.

Erzbischof Burger rechnet mit Nachzahlung in Millionenhöhe

Es ist gut möglich, dass Erzbischof Stephan Burger dieses Geld schon bald braucht: Im kommenden Jahr wird die Schlussabrechnung der deutschen Rentenversicherung erwartet. Stephan Burger, Erzbischof, rechnet mit bis zu 160 Millionen inklusive Säumniszuschlägen, die seine Diözese nachzahlen muss. Von einem Skandal war damals die Rede – dieses Mal zu recht.

Bild 1: Vor mehr als zwei Jahren gab die Erzdiözese Freiburg zu, dass sie Sozialbeiträge in Millionenhöhe nicht bezahlt hat. Noch erstaunlicher: Seitdem ist nicht viel geschehen.
Bild: Fricker, Ulrich

Mesnerinnen und Organisten

Im Herbst 2017 gingen Burger und seine Mitarbeiter mit einer alarmierenden Nachricht an die Öffentlichkeit: Jahrzehntelang hatte das Erzbistum keine Beiträge für die Sozialversicherung bestimmter Mitarbeiter abgeführt.

Peinlich dabei: Das Versäumnis traf nicht den Bischof, seine hochrangigen Mitarbeiter oder die Priester. Es traf vielmehr geringfügig Beschäftigte wie Mesnerinnen, Organisten, Gärtner, die ihren Dienst in den Gemeinden oft auf 450-Euro-Basis versehen. Stephan Burger versprach damals eine Task Force, die den Skandal schnellstmöglich und gründlich aufarbeiten wolle.

Von Tempo ist seitdem wenig zu spüren. Seit über zwei Jahren mühen sich Ordinariat, dezentrale Verrechnungsstellen und die Rentenversicherung damit ab, um Licht ins Dunkel zu bringen. Eine Arbeit, die viel Mühe macht, bisher ohne greifbares Resultat. „Hier arbeiten zwei Behörden,“ erklärt der bischöfliche Pressesprecher Michael Hertl entschuldigend, und: „In diesem Jahr wird es nichts mehr.“ Doch gehe alles seinen geregelten Gang.

Externe Berater gehen ein und aus

Die Unordnung in Büchern und Belegen ist ohne fremde Hilfe nicht zu meistern. Auch deshalb wurde eine der größten Unternehmensberatungen in Europa angeheuert.

Die Spezialisten von PricewaterhouseCoopers International (kurz: pwc) gehen im Ordinariat ein und aus, berichten kirchliche Mitarbeiter. pwc mit Sitz in London ist auf Buchprüfung spezialisiert.

Das Unternehmen war auch im Berliner Verteidigungsministerium in der Amtszeit von Ursula von der Leyen sehr aktiv, weshalb die Politikerin in die Kritik geriet; schließlich sitzen auch in diesem Ministerium ausreichend eigene Volkswirte und Juristen.

Von Panik ist die Rede

Unter den Beschäftigten im badischen Bistum wächst der Unmut. In den 23 Rechnungsstellen herrsche „nackte Panik“, sagt ein Mitarbeiter, der ungenannt bleiben will.

Und das aus zwei Gründen: Die externen Berater verunsichern die Beschäftigten, die sich fragen, ob es bei der umfassenden Prüfarbeit der pwc-Leute nur um Zahlen geht – oder eines Tages auch um die eigene Planstelle.

Wohin geht die Reise?

Die sich hinziehende Aufarbeitung der fehlenden Renten-Millionen überlagert sich mit einem zweiten Vorgang: das Konzept „Pastoral 2030“ – und damit die Frage, wie die katholische Kirche in Baden in die nächste Generation geht.

Pastoral 2030 heißt, dass die bisherigen Seelsorgeeinheiten (SSE) zu noch größeren Einheiten zusammengelegt werden. Das Wort von der Großpfarrei macht seitdem die Runde, und es wirft die Frage auf: Größere Einheiten benötigen weniger Verwaltung. Werden damit auch Arbeitsplätze gestrichen? Zumal die Fachleute in Freiburg damit rechnen, dass die Einnahmen aus der Kirchensteuer 2019 einen Höhepunkt erreichten und dann in Folge deutlich sinken werden.

Nicht aus der Kirchensteuer

Eine andere Frage ist dagegen geklärt: Die Opfer von sexuellem Missbrauch werden nicht aus der Kirchensteuer entschädigt. Erzbischof Burger sprach sich klar dagegen aus, dass man das gewöhnliche Kirchenmitglied in kollektive Haftung nimmt für die Verfehlungen einzelner Priester.