Rolf Hohl

Eigentlich müsste den in den Gesundheitsbehörden in Appenzell Innerrhoden Angst und Schrecken herrschen. Beim Blick auf die Europakarte der wöchentlichen Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner sticht der Schweizer Halbkanton mit einem Wert über 400 heraus. Zum Vergleich: Im gerade in den teilweisen Lockdown versetzten bayerischen Landkreis Berchtesgadener Land bewegt sich dieser Wert um 250.

Doch von Aufregung ist beim Gesundheits- und Sozialdepartement von Appenzell Innerrhoden wenig zu spüren. „Bei der Interpretation von statistischen Werten muss man bei unserem kleinen Kanton mit einer Bevölkerung von knapp über 16.000 Personen vorsichtig sein“, mahnt Mathias Cajochen, Departementssekretär beim kantonalen Gesundheits- und Sozialdepartement.

Tatsächlich habe man in der vergangenen Woche 32 Neuinfektionen verzeichnet, und in den fünf Wochen zuvor seien es jeweils zwischen einem und sechs Fällen pro Woche gewesen. Also alles halb so wild?

Die Crux mit der Statistik

Dazu hilft ein Blick auf die absoluten Zahlen. Aktuell gibt es in Appenzell Innerrhoden laut Informationen des schweizerischen Bundesamts für Gesundheit (BAG) täglich etwa acht bis zehn bestätigte Neuinfektionen pro Tag. Salopp formuliert reicht es also, wenn ein Infizierter über einen gut besetzten Mittagstisch hustet, um diese Zahl in die Höhe zu treiben.

Gerne besuchen Touristen den Alpstein in Appenzell Innerrhoden – hier ein Bild vom Berggasthaus Aescher, aufgenommen im ...
Gerne besuchen Touristen den Alpstein in Appenzell Innerrhoden – hier ein Bild vom Berggasthaus Aescher, aufgenommen im vergangenen Sommer. | Bild: Marcel Jud

Was andernorts kaum bemerkbar wäre, wird in Appenzell Innerrhoden durch die statistischen Katastrophe: Weil der Halbkanton nur wenige Tausend Einwohner zählt, werden die Neuansteckungen nach einer Woche zum Inzidenzwert hochgerechnet, der von 100.000 Einwohnern ausgeht. So kommt ein exorbitant hoher Wert heraus, der über die Situation vor Ort aber nur wenig aussagt. Denn je kleiner die Einwohnerzahl, desto größer fallen durch diese Multiplikation die Ausschläge nach oben aus – der errechnete Inzidenzwert ist dann sogar höher als die tatsächliche, absolute Zahl an Neuinfektionen.

Dünn besiedelt, gut besucht

Nichtsdestotrotz steigen die Zahlen noch immer stetig weiter an. Der Halbkanton ist zwar vergleichsweise dünn besiedelt, aber sowohl für ausländische wie für inländische Touristen ein beliebtes Wander- und Urlaubsziel.

Und dort, so Cajochen, sind auch einige der Ursachen für den jetzigen Anstieg zu suchen: „Das Coronavirus hat sich insbesondere im privaten Umfeld, in den Ferien und in Restaurants verbreitet“, erklärt er. Seit vergangenen Montag gelte deshalb an Schulen ab der 7. Klasse außerhalb der Klassenzimmer ebenfalls eine Maskenpflicht.

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Der andere Halbkanton, Appenzell Außerrhoden, hat jetzt ebenfalls mit ähnlichen Regeln für Schulen nachgezogen. Dort wurde ein Ausweitung der erst kürzlich vom Bundesrat verhängten Maskenpflicht in öffentlichen Räumen auch auf die Schulhöfe beschlossen.

Lösung Mini-Lockdown? Nicht beliebt

Bundesweit und in den Kantonen sind derzeit auch sogenannte Mini-Lockdowns als mögliche Maßnahmen gegen noch weiter steigende Infektionszahlen im Gespräch. Diese würden über einen begrenzten Zeitraum das öffentliche Leben einschränken und so die Zahl der Kontakte verringern, was die Gesundheitssysteme entlasten könnte.

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So weit will man in Appenzell Innerrhoden derzeit noch nicht gehen, wie Departementssekretär Cajochen sagt. „Wir hoffen, dass die von Bund und Kanton getroffenen Massnahmen nun wirken und gehen davon aus, dass die Bevölkerung sich vermehrt wieder an geltenden die Abstands- und Hygieneregeln halten wird.“