Das mit Spannung beobachtete Gerichtsverfahren zur Arbeitszeiterfassung von Lehrkräften in Baden-Württemberg ist vorerst geplatzt. Wie ein Sprecher des zuständigen Verwaltungsgerichts Stuttgart am Montag auf Anfrage unserer Redaktion erklärte, wurden die beiden Klagen einer Gymnasiallehrerin und eines Gymnasiallehrers zurückgezogen. Die Verfahren seien damit eingestellt worden.
Die zwei Klagen gegen das Land Baden-Württemberg wurden im Januar 2024 bei dem Verwaltungsgericht eingereicht, eine mündliche Verhandlung dazu fand noch nicht statt. Die Kläger wollten vom Gericht feststellen lassen, dass ihnen eine Arbeitsleistung abverlangt wird, die die reguläre Wochenarbeitszeit für Beamte von 41 Stunden überschreitet – und so eine Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte erzwingen. Der Philologenverband Baden-Württemberg unterstützte die Kläger.
Überlastungsanzeige gestellt
Die Landesvorsitzende des Philologenverbands, Martina Scherer, nannte gegenüber unserer Redaktion juristische Gründe für den Rückzug der Klageschriften. Die rechtliche Auseinandersetzung ist laut Scherer damit aber nicht erledigt.
Die beiden Kläger hätten nun zunächst sogenannte Überlastungsanzeigen bei der Schulverwaltung eingereicht, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Man befinde sich damit „im Vorverfahren“. Würden die Missstände nicht abgestellt, werde erneut ein Klageverfahren angestrebt.
Hintergrund des Streits ist eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2022, mit der das europäische „Stechuhr“-Urteil von 2019 in die nationale Rechtsprechung übernommen wurde. Seither muss nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums die Arbeitszeit aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland erfasst werden – konkret: Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit. Eine Regelung der Details der Aufzeichnungspflicht im Arbeitszeitgesetz steht noch aus.
Streit zwischen Ministerium und Lehrern
Fraglich ist, ob die Erfassungspflicht auch für Lehrkräfte gilt, die in den meisten Fällen dem Beamtenrecht unterliegen und deren Arbeitsalltag sich nicht so schematisch abbilden lässt. Darüber wird in Baden-Württemberg seit geraumer Zeit zwischen Kultusministerium, Gewerkschaften und Verbänden gestritten.
Nach Angaben des baden-württembergischen Kultusministeriums wird bisher in keinem Bundesland die Arbeitszeit aller Lehrkräfte erfasst. Stattdessen wenden fast alle Länder das Deputatsmodell an. Es legt lediglich fest, wie viele Unterrichtsstunden pro Woche eine Lehrkraft leisten muss.
Für die übrigen Tätigkeiten, etwa die Vorbereitung des Unterrichts, Korrekturarbeiten oder Schulkonferenzen, wird die Arbeitszeit nicht erfasst. Eine Ausnahme ist Hamburg, wo es ein Jahresarbeitszeitmodell gibt.